Thema: Alltag, medial gedoppelt
Gestern, in der Columbiahalle: Dir en Grey, eine japanische Metalband, die der visual kei-Szene zuzurechnen ist, ihre Kostüme von früher aber, wie der Wikipedia zu entnehmen ist, mittlerweile abgelegt hat. Durch einen Zufall wurden mir zwei Freikarten in die Hände gespielt.
Eine nicht uninteressante Erfahrung. Ein Ereignis, das vielleicht die Hölle ganz gut anzeigt, in der man sich heute als Jugendlicher (als klassisch Jugendlicher jedenfalls, also als Teenie, ein Jugendlicher ist man ja heute noch gut bis 35, wenn nicht noch länger, was ich nicht gerade für die allerverkehrteste Entwicklung halte, doch dies nur am Rande) findet. Es ist dies nicht notgedrungen die Hölle der Teenage Angst, des Aufbegehrens wider übermächtige Kräfte oder einer latenten bis manifesten Perspektivenlosigkeit. Es ist eher wohl die Hölle des Wissens (das sich, zugegeben, vielleicht erst von einem archimedischen Punkt aus ermitteln lässt), dass man immer schon zu spät gekommen ist, dass alles bereits absorbiert wurde, alles schon geschehen und die eigene Marotte, der eigene Stil, der eigene Spleen doch längst anerkannt und eingefügt ist. Die Hölle einer Rebellion, die nicht mehr möglich ist, von ihren Insignien aber nicht lassen will und dabei zur debil grinsenden Farce gerinnt.
Dir en Grey moschen von Anfang an gut los. Harter, treibender Metal zunächst, später dann alles etwas vertrackter, zum Teil auch säuseliger, oft genug etwas konzeptlos zerfahren. Aber eben Metal. Irgendwann hat der Sänger Kunstblut im Gesicht. Er springt wild herum. Ausgelassen. Böse Gesichter kann er ziehen, aufpeitschende Gesten allenthalben. Der Rockismus ist gut einstudiert: Beim Entblößen des schmalen Oberkörpers verschwindet die basslastige Musik für einen Moment lang im Aufkreischen der Mädchen.
Alles dabei, was früher geschockt haben mag: Treibende, animalische Musik, große Gesten, Ruch und Sex, archaische Gewalt, ekstatisches Aufbegehren des gemaßregelten Körpers mittels sich abspielender Zuckungen und Windungen. Und dennoch, es war das bravste Konzert, auf dem ich je gewesen bin. Von hier aus zieht nichts seine Bahn, hier findet alles seinen Beschluss, die erstarrte Form, abrufbar zu jeder Zeit. Vorne stehen die Kinder, hinten die Eltern, die auf sie aufpassen, gelegentlich traut sich mal ein besorgter Vater, den Kopf leicht zu schütteln, befremdet ob der sich vor ihm abspielenden Szenen. Es ist keine Ablehnung, die aus der Geste spricht, zumindest keine profunde; er scheint sich selbst nicht sicher zu sein, ob sich die Bewegung überhaupt lohnt, ist doch alles viel zu harmlos hier. Ans Rauchverbot wird sich sklavisch gehalten, kein Schweiß, der von der Decke tropft, die Klimaanlage temperiert das Geschehen wohlig aus.
Die Konzerte in meiner Jugend, von denen ich noch heute zehre, verließ ich mit blauen Flecken, zerrissenen Hemden, mir brannten die Augen, weil der Schweiß schon über die Augenbrauen hinweg in sie hineinfloß und weil die Luft in den viel zu engen Räumen zum Schneiden dick war. Es waren enge Konzerte in engen Räumen, und danach hatte man das Gefühl, es mit der Welt aufnehmen zu können. Reinigende Gewitter, die sich an der Peripherie des Geschehens abspielten und doch in das Zentrum zu strahlen zumindest versuchten.
Was sich gestern abspielte, ist vielleicht das Drama einer Jugend, die sich über das Internet zum Sex verabreden und sich eine Zugehörigkeit zu einer Jugendkultur an einem Nachmittag mit ein paar engagierten Clicks erarbeiten kann. Alles ist bekannt, schon vorgekaut, nachahmbar und im verlinkten Onlineshop als Accessoire bestellbar. Hier ist man immer schon Endkonsument, selbst noch das Aufbegehren gegen die Konformität - fast jeder hier ist geschminkt, trägt Szeneklamotten und ähnliches - gerinnt zu rein ästhetischem Tand. Ich sehe beim Verlassen des Ortes viele glückliche Gesichter. Sie gleichen denen von desillusionierten Hausfrauen , die im Sommerschlussverkauf bei C&A ein Schnäppchen ergattert haben.
Ihr mögt die Generation sein, die mit myspace aufwächst. Mit Chats und Blogs und Wikipedia. Alles feine Sachen. Aber ihr habt nicht gelernt, wie das ohne ist und war. Wie man blutet und schreit und Euphorie auskostet. Ich beneide Euch nicht um Eure Jugenderinnerungen, und wenn ihr sie auch für goldene halten werdet.
Andererseits: Wir hatten Rave und Techno. Und die Flaschen dort waren kein Stück besser als ihr.
Eine nicht uninteressante Erfahrung. Ein Ereignis, das vielleicht die Hölle ganz gut anzeigt, in der man sich heute als Jugendlicher (als klassisch Jugendlicher jedenfalls, also als Teenie, ein Jugendlicher ist man ja heute noch gut bis 35, wenn nicht noch länger, was ich nicht gerade für die allerverkehrteste Entwicklung halte, doch dies nur am Rande) findet. Es ist dies nicht notgedrungen die Hölle der Teenage Angst, des Aufbegehrens wider übermächtige Kräfte oder einer latenten bis manifesten Perspektivenlosigkeit. Es ist eher wohl die Hölle des Wissens (das sich, zugegeben, vielleicht erst von einem archimedischen Punkt aus ermitteln lässt), dass man immer schon zu spät gekommen ist, dass alles bereits absorbiert wurde, alles schon geschehen und die eigene Marotte, der eigene Stil, der eigene Spleen doch längst anerkannt und eingefügt ist. Die Hölle einer Rebellion, die nicht mehr möglich ist, von ihren Insignien aber nicht lassen will und dabei zur debil grinsenden Farce gerinnt.
Dir en Grey moschen von Anfang an gut los. Harter, treibender Metal zunächst, später dann alles etwas vertrackter, zum Teil auch säuseliger, oft genug etwas konzeptlos zerfahren. Aber eben Metal. Irgendwann hat der Sänger Kunstblut im Gesicht. Er springt wild herum. Ausgelassen. Böse Gesichter kann er ziehen, aufpeitschende Gesten allenthalben. Der Rockismus ist gut einstudiert: Beim Entblößen des schmalen Oberkörpers verschwindet die basslastige Musik für einen Moment lang im Aufkreischen der Mädchen.
Alles dabei, was früher geschockt haben mag: Treibende, animalische Musik, große Gesten, Ruch und Sex, archaische Gewalt, ekstatisches Aufbegehren des gemaßregelten Körpers mittels sich abspielender Zuckungen und Windungen. Und dennoch, es war das bravste Konzert, auf dem ich je gewesen bin. Von hier aus zieht nichts seine Bahn, hier findet alles seinen Beschluss, die erstarrte Form, abrufbar zu jeder Zeit. Vorne stehen die Kinder, hinten die Eltern, die auf sie aufpassen, gelegentlich traut sich mal ein besorgter Vater, den Kopf leicht zu schütteln, befremdet ob der sich vor ihm abspielenden Szenen. Es ist keine Ablehnung, die aus der Geste spricht, zumindest keine profunde; er scheint sich selbst nicht sicher zu sein, ob sich die Bewegung überhaupt lohnt, ist doch alles viel zu harmlos hier. Ans Rauchverbot wird sich sklavisch gehalten, kein Schweiß, der von der Decke tropft, die Klimaanlage temperiert das Geschehen wohlig aus.
Die Konzerte in meiner Jugend, von denen ich noch heute zehre, verließ ich mit blauen Flecken, zerrissenen Hemden, mir brannten die Augen, weil der Schweiß schon über die Augenbrauen hinweg in sie hineinfloß und weil die Luft in den viel zu engen Räumen zum Schneiden dick war. Es waren enge Konzerte in engen Räumen, und danach hatte man das Gefühl, es mit der Welt aufnehmen zu können. Reinigende Gewitter, die sich an der Peripherie des Geschehens abspielten und doch in das Zentrum zu strahlen zumindest versuchten.
Was sich gestern abspielte, ist vielleicht das Drama einer Jugend, die sich über das Internet zum Sex verabreden und sich eine Zugehörigkeit zu einer Jugendkultur an einem Nachmittag mit ein paar engagierten Clicks erarbeiten kann. Alles ist bekannt, schon vorgekaut, nachahmbar und im verlinkten Onlineshop als Accessoire bestellbar. Hier ist man immer schon Endkonsument, selbst noch das Aufbegehren gegen die Konformität - fast jeder hier ist geschminkt, trägt Szeneklamotten und ähnliches - gerinnt zu rein ästhetischem Tand. Ich sehe beim Verlassen des Ortes viele glückliche Gesichter. Sie gleichen denen von desillusionierten Hausfrauen , die im Sommerschlussverkauf bei C&A ein Schnäppchen ergattert haben.
Ihr mögt die Generation sein, die mit myspace aufwächst. Mit Chats und Blogs und Wikipedia. Alles feine Sachen. Aber ihr habt nicht gelernt, wie das ohne ist und war. Wie man blutet und schreit und Euphorie auskostet. Ich beneide Euch nicht um Eure Jugenderinnerungen, und wenn ihr sie auch für goldene halten werdet.
Andererseits: Wir hatten Rave und Techno. Und die Flaschen dort waren kein Stück besser als ihr.
"No guts, no glory, no riot ...
My Generation Sucks ...
Not enough war, Not enough famine,
Not enough suffering, not enough natural selection!"
- Turbonegro: Hobbit Motherfuckers (1996)
My Generation Sucks ...
Not enough war, Not enough famine,
Not enough suffering, not enough natural selection!"
- Turbonegro: Hobbit Motherfuckers (1996)
° ° °
kommentare dazu:
kid37,
Montag, 29. Mai 2006, 12:08
Haha, das waren womöglich die Karten, die ich zurückgab, weil ich nun doch nicht in Berlin war. ;-)
Als Ereignis hätte mich das nämlich auch sehr interessiert. Danke für den Bericht und die Analyse - es bestätigt meine Vermutung einer Szene aus zweiter Hand. Schade eigentlich.
Als Ereignis hätte mich das nämlich auch sehr interessiert. Danke für den Bericht und die Analyse - es bestätigt meine Vermutung einer Szene aus zweiter Hand. Schade eigentlich.
thgroh,
Montag, 29. Mai 2006, 18:57
Hihi, nee, ich kenne einen, der beim Veranstalter arbeitet und der immer ein gewisses Kontingent an Gästelisteposten hat. ;)
Und: Ja, wirklich schade.
Und: Ja, wirklich schade.
vikyo,
Samstag, 3. Juni 2006, 01:36
Meine Meinung
Ich lese Ihr Statement bereits zum dritten Mal und will es immer noch nicht so ganz glauben. Natürlich wird Ihnen, wenn Sie sich vllt. etwas mit der Band beschäftigt haben, auffallen, dass ich ein großer Fan bin. Allerdings möchte hier einiges klarstellen. Ich weiß nicht wo Sie während des Konzertes gestanden sind, ich tendiere, jedoch sehr dazu, dass Sie nicht allzuweit vorne waren. Geschweige denn letztes Jahr dort waren. Damals war es nicht wohltemperiert, genausowenig wie in Köln dieses Jahr. Auch geht es nicht gesittet zu, oder nur solange bis die Bamd Gegenstände in die Menge wirft. Ich habe einen angebrochenen Knöchel, nur weil ich ein Plektrum gefangen habe. Natürlich haben Sie recht, wenn Sie sagen, dass es ein grißes Gekreisch gibt sobald der Sänger oben ohne ist, aber das sind nicht die wirklichen Fans, das sind diejenigen die denn sinn der music und der Texte nicht verstehen und nur am Aussehen begeistert sind. Wie ich oben schon angemerkt habe, ist nicht alles harmlos. Haben Sie nicht den zerkratzten Körper des Sängers gesehen? Es ist kein Fake, ja auf eigenen Konzerten benutzt er Kunstblut, auf Festivals jedoch meistens eine Rasierklinge und mir tut es weh wenn ich das sehe. Ich bin diesem Mann zu unendlichem Dank verpflichtet oder besser der ganzen Band, denn ohne ihre Music, wüßte ich nicht, was ich tun sollte, daher auch meine Differenzierung der Fanarten. Ich zweifle stark an, dass sie sich außer auf wikipedie noch über Dir en grey informiert haben, ider sich gar wirklich mit den Texten auseinander gesetzt haben. Ich verstehe auch Ihre Beshreibung der Bühnenshow, doch glaube ich nicht, dass Sie die Hintergründe dazu verstanden haben. Sie stellen hier in hrem Artikel nur dass offensichtliche dar, doch wie schon gesagt es fehlt ihnen das Verständnis, welches durch die Lyrics vermittelt wird.
Ja, es geht um Sex um Gewalt. Aber es geht auch um Vergewltigung im physischen, wie auch im psychischenSinne. Es handelt über Verzweiflung, Depression, das Gefühl des allein gelassen Seins,denMasochismus und Sadismus,der in jedem von uns steckt, sowie auch um Selbstzweifel, Mord und im meisten Falle dem Suizid. Die Lyrics drehen sich um die heutige Gesellschaft weltweit, nicht nur die japanische.
So wie Sie dass allesBeschreiben stammen Sie zum größten Teil noch aus der Generation meiner Eltern, denn die sagen in etwa dasselbe. Ich denke Sie sind einfach mit einer Musicwelt aufgewachsen in der es meistens noch ein Happy end gab, doch darrauf Zeiloen es Dir en grey gar nicht ab. Es gibt kein Happy end , zumindest meistens und im realen Leben nicht, so sehr wie es uns auch wünschen.
Ich hoffe ich bekomme hierrauf ein feedback, denn es würde mich sehr interessieren´,wie ihre genaue Meinung lautet und ich würde mich freuen, wenn ich Ihnen die Musik etwas näher bringen dürfte.
Hier nochmal meine Mailadresse: vicky_kyo_@web.de
Da ich jetzt sowieso schon soviel produziert habe hir die gesamte Übersetzung von THe Final, welches garantiert in Berlin gespielt wurde:
-------------------------------
The Final (Dir en grey-Withering to death 2005)
Ich betrachte die klare Absicht...Die linke Hand, die nicht in Worte gefasst werden kann...
Jedes Bluten ist mir Grund zu leben...Die Worte,die ich finde, sind frisch und klar...
Selbst die,die ich liebe,streue ich prachtvoll wie Blütenblätteraus meinen Händen. Auch wenn ich den Sinn des Lebens in meine Hand einritze, kenne ich die Vergänglichkeit der Blütenpracht.
the final
Stück um Stück nimmt es zu...Warum ein trauriger Köder werden?
Tief in der Hölle meines Herzens,es gibt keinzurück mehr. Ein Verlierer, der sich selbst quält und nie das Morgen erleben wird.
Sicide is the proof of life
Selbst die,die ich liebe,streue ich prachtvoll wie Blütenblätteraus meinen Händen. Auch wenn ich den Sinn des Lebens in meine Hand einritze, kenne ich die Vergänglichkeit der Blütenpracht.
So I can't live
Was so verloren, kann nicht wiedergeborren werden.
Ein Lied,das nicht einmal den Beweis des Lebens sucht.
Let's put an end...the final
Lassen wir die knospen des Selbstmordversuchs erblühen.
-------------------------------
Ist ein Schocker, ich weiß.
Ich bitte sehr um Feedbacj, von jedem, der interessiert ist.
Ja, es geht um Sex um Gewalt. Aber es geht auch um Vergewltigung im physischen, wie auch im psychischenSinne. Es handelt über Verzweiflung, Depression, das Gefühl des allein gelassen Seins,denMasochismus und Sadismus,der in jedem von uns steckt, sowie auch um Selbstzweifel, Mord und im meisten Falle dem Suizid. Die Lyrics drehen sich um die heutige Gesellschaft weltweit, nicht nur die japanische.
So wie Sie dass allesBeschreiben stammen Sie zum größten Teil noch aus der Generation meiner Eltern, denn die sagen in etwa dasselbe. Ich denke Sie sind einfach mit einer Musicwelt aufgewachsen in der es meistens noch ein Happy end gab, doch darrauf Zeiloen es Dir en grey gar nicht ab. Es gibt kein Happy end , zumindest meistens und im realen Leben nicht, so sehr wie es uns auch wünschen.
Ich hoffe ich bekomme hierrauf ein feedback, denn es würde mich sehr interessieren´,wie ihre genaue Meinung lautet und ich würde mich freuen, wenn ich Ihnen die Musik etwas näher bringen dürfte.
Hier nochmal meine Mailadresse: vicky_kyo_@web.de
Da ich jetzt sowieso schon soviel produziert habe hir die gesamte Übersetzung von THe Final, welches garantiert in Berlin gespielt wurde:
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The Final (Dir en grey-Withering to death 2005)
Ich betrachte die klare Absicht...Die linke Hand, die nicht in Worte gefasst werden kann...
Jedes Bluten ist mir Grund zu leben...Die Worte,die ich finde, sind frisch und klar...
Selbst die,die ich liebe,streue ich prachtvoll wie Blütenblätteraus meinen Händen. Auch wenn ich den Sinn des Lebens in meine Hand einritze, kenne ich die Vergänglichkeit der Blütenpracht.
the final
Stück um Stück nimmt es zu...Warum ein trauriger Köder werden?
Tief in der Hölle meines Herzens,es gibt keinzurück mehr. Ein Verlierer, der sich selbst quält und nie das Morgen erleben wird.
Sicide is the proof of life
Selbst die,die ich liebe,streue ich prachtvoll wie Blütenblätteraus meinen Händen. Auch wenn ich den Sinn des Lebens in meine Hand einritze, kenne ich die Vergänglichkeit der Blütenpracht.
So I can't live
Was so verloren, kann nicht wiedergeborren werden.
Ein Lied,das nicht einmal den Beweis des Lebens sucht.
Let's put an end...the final
Lassen wir die knospen des Selbstmordversuchs erblühen.
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Ist ein Schocker, ich weiß.
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