Thema: videodrome
Mama, Papa, Zombie, eine Fernsehreportage aus den 80er Jahren, ist ein einzigartiges Dokument bundesrepublikanischer Debilität unter dem Paradigma zwar gutgemeinter, aber schlecht gewordener Sozialpädagogik. Es geht um die frühen 80er Jahre, den Videoboom und um eben jene Filme, die man in England als video nasties bezeichnete. Explizite Horrorfilme eben, von denen man sich seinerzeit auf Schulhöfen erzählte.
Natürlich sind alle Zutaten dabei: Sitzung bei der Bundesprüfstelle, der die Grünen wählende Besorgnis-Reporter, stilecht mit Bart und gelbem Rollkragen-Pulli, der nasepopelnde Schülerkrampen interviewt. Stichworte wie "Reizüberflutung" und dergleichen fallen. Außerplanmäßige Elternabende an der Schule, in deren Verlauf sich die geladenen Eltern Fulcis, naja, "Klassiker" Ein Zombie hing am Glockenseil anschauen (und dabei freilich manch Anlass zum Johlen bieten!). Dieser ganze, übliche Sorgen-Sermon halt, wenn ein Medium auftaucht, das noch nicht zur Gänze kontrolliert und reguliert ist. Die Domestos-Szene in Muttertag wird als "besonders realistische Gewaltdarstellung" verbucht - ab in den Giftschrank damit.
Blicke in öffentlich-rechtliche Abgründe, in bundesrepublikanische Neurosen, wie sie nur in den 80ern so prächtig gedeihen konnten. Oder kurz: Ein Spaß kulturhistorischen Ausmaßes. Dessen Ursache allerdings, so bescheuert einem das auch vorkommen mag, bis heute nicht aus der Welt ist: Die Bundesprüfstelle gibt es immer noch, vollkommen lächerlich ist die Beschlagnahmung eines albernen Splatterfilms aus den frühen 60ern, die vor rund zwei Jahren die Gemüter erhitzte.
Natürlich sind alle Zutaten dabei: Sitzung bei der Bundesprüfstelle, der die Grünen wählende Besorgnis-Reporter, stilecht mit Bart und gelbem Rollkragen-Pulli, der nasepopelnde Schülerkrampen interviewt. Stichworte wie "Reizüberflutung" und dergleichen fallen. Außerplanmäßige Elternabende an der Schule, in deren Verlauf sich die geladenen Eltern Fulcis, naja, "Klassiker" Ein Zombie hing am Glockenseil anschauen (und dabei freilich manch Anlass zum Johlen bieten!). Dieser ganze, übliche Sorgen-Sermon halt, wenn ein Medium auftaucht, das noch nicht zur Gänze kontrolliert und reguliert ist. Die Domestos-Szene in Muttertag wird als "besonders realistische Gewaltdarstellung" verbucht - ab in den Giftschrank damit.
Blicke in öffentlich-rechtliche Abgründe, in bundesrepublikanische Neurosen, wie sie nur in den 80ern so prächtig gedeihen konnten. Oder kurz: Ein Spaß kulturhistorischen Ausmaßes. Dessen Ursache allerdings, so bescheuert einem das auch vorkommen mag, bis heute nicht aus der Welt ist: Die Bundesprüfstelle gibt es immer noch, vollkommen lächerlich ist die Beschlagnahmung eines albernen Splatterfilms aus den frühen 60ern, die vor rund zwei Jahren die Gemüter erhitzte.
° ° °
kommentare dazu:
stefan hoeltgen,
Mittwoch, 21. Juni 2006, 10:09
Der Mythos vom Mythos
"Mama, Papa, Zombie" ist ja selbst schon ein Klassiker des Genres - fast schon gleichusetzen mit den Exploitation-Aufklärern der 50er Jahre, was ich wiederum rezeptions- und diskursanalytisch hochinteressant finde. Man muss nur mal den Titel in einschlägige Geek-Foren als Suchbegriff eingeben und stößt dort auf hitzige Diskussionen: Einerseits will jeder den Film haben, andererseits distanziert man sich von seinem Inhalt (heute meist durch Historisierung: http://www.ofdb.de/view.php?page=review&fid=38347&rid=104630 ).
Es scheint mir fast so, als "spiegele" der Fan sein Fandom besonders fruchtbar an solche Produkten, weil er eben auch sein "ich weiß es besser" anbringen kann (sogar mich hat es kurz in den Fingern gejuckt dein "Domestos" durch ein korrekteres "Draño" zu verbessern :D).
Der Film und der Diskurs um ihn zeigen wie eng die Geschichten von Fankultur und Medienkritik gerade dieses Genre betreffend miteinander verwoben sind und einander bedingen. "Mama, Papa, Zombie" ist ein so eine Art Scharnier zwischen diesen beiden Hemisphären, die bei genauer Betrachtung doch nur zwei Seiten einer Medaille/Dialektik sind.
Der Film war sogar mal Bonusmaterial auf einer Laserdisc, die einen der von ihm inkriminierten Splattermovies zum Hauptprogramm hatte.
Eine der Diskussionen: http://www.senseofview.de/forum/viewtopic.php?id=1366
Es scheint mir fast so, als "spiegele" der Fan sein Fandom besonders fruchtbar an solche Produkten, weil er eben auch sein "ich weiß es besser" anbringen kann (sogar mich hat es kurz in den Fingern gejuckt dein "Domestos" durch ein korrekteres "Draño" zu verbessern :D).
Der Film und der Diskurs um ihn zeigen wie eng die Geschichten von Fankultur und Medienkritik gerade dieses Genre betreffend miteinander verwoben sind und einander bedingen. "Mama, Papa, Zombie" ist ein so eine Art Scharnier zwischen diesen beiden Hemisphären, die bei genauer Betrachtung doch nur zwei Seiten einer Medaille/Dialektik sind.
Der Film war sogar mal Bonusmaterial auf einer Laserdisc, die einen der von ihm inkriminierten Splattermovies zum Hauptprogramm hatte.
Eine der Diskussionen: http://www.senseofview.de/forum/viewtopic.php?id=1366
tschill,
Mittwoch, 21. Juni 2006, 13:10
Ich dachte bisher eigentlich, daß es beim Kult um die *Aufklärungs*filme vor allem um Spannertum ginge. Wenn man noch nicht in den Puff darf, dann drückt man sich wegen der abgeklebten Nippel wenigstens am Aushang die Nase platt.
Deine These von der Bestätigung im Fantum und in der Nichtzugehörigkeit zur affirmativen Fraktion hört sich für mich allerdings viel schlüssiger an.
Deine These von der Bestätigung im Fantum und in der Nichtzugehörigkeit zur affirmativen Fraktion hört sich für mich allerdings viel schlüssiger an.
stefan hoeltgen,
Mittwoch, 21. Juni 2006, 17:37
Natürlich
_trat_ "Mama, Papa, Zombie" nicht mit dem Pseudo-Anspruch jener Aufklärungsfilme auf, sondern war ganz ernst gemeinte Medienwarung und Video-Enthüllung. Interessant ist nur, was daraus wurde: Eben genau so ein "Hingucker".
Plausibel erscheit mir dies übrigens aufgrund einer Sendung des "Schwarzen Kanals" im DDR-Fernsehen, die kurz nach der Ausstrahlung von "Mama, Papa, Zombie" in den Äther geschickt wurde und in der sich Redakteur-Moderator Karl Eduard von Schnitzler darüber mokierte, dass man im Westen unter dem Deckmantel der Aufklärung solche Sachen zu bester Sendezeit ausstrahlte. Schnitzler würzte seine Kritik dann allerdings noch mit dem Verdacht, da würde eine Agenda der Desensibilisierung im Hintergrund stehen. Ich habe die "Schwarze Kanal"-Sendung damals gesehen, ohne die "Mama, Papa, Zombie"-Sendung zu kennen ... brauchte ich auch nicht, denn im "Schwarzen Kanal" wurden etliche Ausschnitte als Beleg noch einmal ausgestrahlt (v.a. aus "Muttertag").
P.S. Die Aufklärungsfilme waren übrigens auch damals großteils nicht jugendfrei, sondern wurden für Erwachsene in "normalen" Kinos gespielt - aber eben nicht in Pornokinos, wo sie ohne den Aufklärungsanteil wohl gelandet wären.
P.P.S. Ich fordere eine DVD-Box mit allen Folgen von "Der Schwarze Kanal"! :-D
Plausibel erscheit mir dies übrigens aufgrund einer Sendung des "Schwarzen Kanals" im DDR-Fernsehen, die kurz nach der Ausstrahlung von "Mama, Papa, Zombie" in den Äther geschickt wurde und in der sich Redakteur-Moderator Karl Eduard von Schnitzler darüber mokierte, dass man im Westen unter dem Deckmantel der Aufklärung solche Sachen zu bester Sendezeit ausstrahlte. Schnitzler würzte seine Kritik dann allerdings noch mit dem Verdacht, da würde eine Agenda der Desensibilisierung im Hintergrund stehen. Ich habe die "Schwarze Kanal"-Sendung damals gesehen, ohne die "Mama, Papa, Zombie"-Sendung zu kennen ... brauchte ich auch nicht, denn im "Schwarzen Kanal" wurden etliche Ausschnitte als Beleg noch einmal ausgestrahlt (v.a. aus "Muttertag").
P.S. Die Aufklärungsfilme waren übrigens auch damals großteils nicht jugendfrei, sondern wurden für Erwachsene in "normalen" Kinos gespielt - aber eben nicht in Pornokinos, wo sie ohne den Aufklärungsanteil wohl gelandet wären.
P.P.S. Ich fordere eine DVD-Box mit allen Folgen von "Der Schwarze Kanal"! :-D
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