»Wer als Dozent in den Flop-Listen auftaucht, befürchtet Schwierigkeiten bei der Einwerbung von Drittmitteln und bangt um seine Aufstiegschancen.«
So einige professorale Bedenken zur Website meinprof.de, auf der Studierende Dozierende bewerten. Die NZZ berichtet .

Bezeichnend ist es, dass solche Sorgenträger zwar um ihre eigene Karriere bangen, diejenigen der Studierenden aber, die auf den Weg zu bringen sie immerhin bis zum gewissen Grad verpflichtet sind, nicht einmal erwähnen. Wer schlechte Kurse bietet, nicht organisiert ist, nicht zur Verfügung steht und auch ansonsten keine gelungene Lehre leistet, stiehlt den Studierenden Zeit und die Möglichkeit zur Entwicklung von Kompetenz. Kein bisschen anders sieht es aus. Und dabei ist es so wunderbar einfach, schlechte Bewertungen seitens der Studierenden zu verhindern: Einfach gute Veranstaltungen bieten, sich im Rahmen des Möglichen engagieren und einen Tonfall nicht von ganz oben herab. Es gibt zahlreiche Lehrende, die verfahren schon genau auf diese Weise - sie haben nicht das Geringste zu befürchten!

Wie stellen sich solche Kräfte im übrigen überhaupt die Zeit vor, wenn Uni-Gebühren schlussendlich flächendeckend eingeführt wurden und der Weg zum universitären Abschluss nur über Höchstverschuldung auf Jahre hin zu erlangen ist? Wenn also für jedes Semester richtig Asche vorgelegt werden muss und jeder Euro, der seitens der Studierenden in die Universität wandert, so richtig blutet? Dann heißt das beinahe schon Angestelltenverhältnis gegenüber den Studierenden und der Zorn wird ein gerechter sein, wenn Eure Lehre dann nichts taugt. Macht Euch für diesem Fall auf langfristig volle Büros und Dienstaufsichtsbeschwerden gefasst.

Zum Glück gibt es Ausnahmen. Die Institute der Filmwissenschaft und Kulturwissenschaft je zu Berlin sind kleine Paradiese. Bestnote.


° ° °




kommentare dazu:



joerg-olaf schaefers, Montag, 24. Juli 2006, 23:42
Als ich mir meinprof.de Anfang April das erst Mal angesehen hatte, war es noch recht einfach, einer Prof mit nur ein oder zwei Kommentaren in den Keller zu schreiben.

"Sonderlich aussagekräftig ist ein Rating, das auf einer oder zwei Bewertungen basiert, freilich nicht."

Das wurde inzwischen schonmal geändert. Bevor die "Benotung" sichtbar wird, braucht es mindestens 10 Bewertung. Aber auch das ist, will man einem Prof gezielt ans Bein pinkeln, ja nun nicht wirklich ein Problem.

Andere Baustelle: Massenvorlesung mit 800 Teilnehmern und hoher Durchfall quoten. Dass dort anders bewertet wird, als z.B. bei einem Kuschelseminar mit 10 Teilnehmern, ist auch keine Überraschung.

katatonik, Dienstag, 25. Juli 2006, 00:28
Ich will hier bestimmt nicht Oasen für pädagogische Knalltüten das Wort reden, aber die Berichte von Kollegen (Orchideenfach) aus einigen amerikanischen Universitäten geben mir da doch zu denken. Dort zählen Studentenzahlen. Lehrveranstaltungen sind praktisch nur noch für Dummies anzubieten, weil zusätzlich zu den gewünschten hohen Studierendenzahlen auch noch die Modularisierung im Rahmen von BA-Studiengängen kommt. Verbessert es die Lehre, wenn nur noch Einführungen gelehrt werden können, die Trivial-Pursuit-Wissen produzieren, da alles andere die Studierenden überfordert, und da ja keine Spezialisten produziert werden dürfen, denn die will der Markt nicht?


thgroh, Dienstag, 25. Juli 2006, 00:39
Nein, mitnichten, das wäre ja auch gar nicht das, was mir da vorschwebt. Ich bin da auch durchaus nicht für den kleinsten gemeinsamen Nenner und schon gar nicht für marktgerechtes Trivial Pursuit. Der Studiengang einer Wissenschaft, zumal/zumindest im Orchideenbereich, sollte vor allem als das angesehen werden, was er ursprünglich ja auch ist: Lehre in der Wissenschaft, Ausbildung potentziellen wissenschaftlichen Nachwuchses. Das ist das Ziel einer wissenschaftlichen Ausbildung; wer auf den Markt will oder muss, muss eben entsprechende Weichen stellen - deswegen sind wir ja alle erwachsene Menschen an der Uni.

Veranstaltungen dürfen und sollen schon ruhig über ein nötiges Mindestmaß, das eben zum formellen Abschluss eines Studiums gerade so nötig ist, hinaus gehen. Nur soll der jeweils für die Lehre Verantwortliche eben auch sehen, dass er eine gewisse Verantwortung den Studierenden gegenüber hat: Dass seine Lehre gut ist, und eben nicht nur als notwendiges Übel zu betrachten, um ansonsten frei forschen und Drittmittel an Land ziehen zu können.


katatonik, Dienstag, 25. Juli 2006, 01:54
Ja, klar, aber die Spannung liegt doch zwischen dem in der Bezahluniversität angelegten Boss-Angestellten-Verhältnis von Studenten und Lehrenden und der gegenläufigen Macht- und Wissenshierarchie (idealiter) in der Lehrsituation selbst. Bei Privatschulen geht das, vermutlich unter anderem deshalb, weil die Schüler jünger sind, der Lehrkanon gefestigter, und das Ziel eindeutiger bestimmt. Bei Universitäten?

Ich habe keine Ahnung, wie sich das auflösen lässt. Ich sehe schon, wie Studierende in Österreich (wo es bereits Studiengebühren gibt) allmählich selbstbewusster Leistung von Lehrenden fordern. Das ist gut so. Allerdings bestehen die meisten dieser geforderten Leistungen in einem "Nehmt uns an die Hand und führt uns"-Ruf - kaut uns gefälligst alles vor, sagt uns nicht, wir sollen in die Bibliothek und selber lesen, und verlangt um Gottes willen nicht, dass wir mehr und anderes lesen sollen als womit ihr uns füttert. Was verlangt wird, ist leichtverdaulicher und Arbeit ersparender Service, nicht Intelligenz, Brillianz, Inhaltliches. Das ist schon ein Problem.

Die Sache mit den Lehrbeurteilungsportalen muss man natürlich weiter beobachten; das entwickelt sich. Allerdings finde ich den Reflex, Wehrhaftigkeit gegen selbige sofort als Pfründeverteidigung der verstaubten Professoren einzustufen, schon auch etwas merkwürdig. Würde meine Universität ein völlig anonymisiertes Portal ernstnehmen, dann würde ich schleunigst von da weggehen.


mama, Dienstag, 25. Juli 2006, 17:30
Der letzte Satz in dem NZZ-Artikel trifft die Intention der Macher schon ganz gut. Meinprof.de ist eine Seite die durchaus im Sinne kapitalistischer Leistungstransparenz entstanden ist, die den Lehrenden bedeuten soll: wir sind nicht nur von euren Noten abhängig, sondern auch eure Kunden, die euer Abendessen zahlen. Mitstudenten von mir haben die Seite Programmiert, fast alles Wirtschaftsingenieure, tätig bei Junita, dem IT-Zweig der studentischen Unternehmensberatung unserer Fakultät. Die waren sich der Möglichkeit der Schmähung von schlechten Lehrenden durchaus bewusst. Aber auch der des Lobs. Und nicht umsonst haben sie auch Bewertungskriterien eingebaut, anhand denen man sehen kann, wie groß der Aufwand für einen Kurs ist. So muss man die Wertungen als mehrfach beeinflusst sehen: einerseits will man nicht, dass ein schlechter Professor weiter unterrichtet, andererseits will man vielleicht weitergeben, dass man bei xy mal leicht eine 1,0 absahnen kann. Andersrum kann das natürlich auch ein potentieller Arbeitgeber einsehen und das auf den Studenten rückbeziehen. Als vor einigen Jahren bei einem Spiegel-oder Focus-Uniranking unser Wirtschaftsingenieursstudiengang mal nicht so gut abschnitt, stellte sich bei einer Versammlung einer der für die Koordination zuständigen Professoren vor die Studenten und versuchte, ihnen diese Wirkung deutlich zu machen:"Sie sind an diesen Ratings schuld, das wirkt auch auf ihren Ruf zurück". Zweischneidiges Schwert also insgesamt.


irene, Mittwoch, 26. Juli 2006, 13:52
Allerdings bestehen die meisten dieser geforderten Leistungen in einem "Nehmt uns an die Hand und führt uns"-Ruf - kaut uns gefälligst alles vor, sagt uns nicht, wir sollen in die Bibliothek und selber lesen, und verlangt um Gottes willen nicht, dass wir mehr und anderes lesen sollen als womit ihr uns füttert. Was verlangt wird, ist leichtverdaulicher und Arbeit ersparender Service, nicht Intelligenz, Brillianz, Inhaltliches.

Da würde mich interessieren, in welchen Fächern das der Fall ist, und *wer* eine derartige Anspruchshaltung hat (meine Unterstellung / Vermutung: Leute, die nur aufgrund ihrer Herkunft an die Uni gekommen sind und es gewöhnt sind, dass sich alles von selbst regelt).

tschill, Mittwoch, 26. Juli 2006, 01:58
Das Portal an sich finde ich eher unerheblich. Gut gefällt mir dagegen, daß es Druck auf die Evaluationsstellen der Universitäten macht. Denn mal abgesehen davon, daß die interne Konsistenz bei der Evaluation nicht überwältigend hoch ist, ist es DAS Mittel, die Qualität zu reflektieren und die Lehrverpflichtung der Universitäten einzulösen. Bisher ist die Evaluation pure Augenwischerei. Für Professoren hat eine schlechte Evaluation keine Auswirkung und für Assistenten wird unter der Hand der Rat ausgegeben, die Lehre möglichst schlecht zu machen, um aus der Lehre genommen zu werden; ergo kommt derjenige voran, der die ihm anvertrauten Studenten auf dem Karrierealtar opfert. Da in den Universitäten von allein nichts gegen diese Mißstände passiert, obwohl sie seit etlichen Jahren bekannt sind, ist ein Druck von außen notwendig und wird von mir begrüßt.



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