Thema: Hoerkino


Es sind oft genug eben doch die ersten Oberflächen, die verlocken. Die neugierig machen, Reisen in unbekanntes Terrain versprechen, oder eben Abenteuer. Namen beispielsweise, die so gut sind, so vielsagend und doch geheimnisvoll zugleich, dass man sich an sie hängt und mehr wissen möchte.

The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble, beispielsweise. Ich weiß schon gar nicht mehr, bei wem oder überhaupt auf welche Weise ich auf Last.FM über diesen Namen gestolpert bin. Aber plötzlich war er da, und er nahm mich gefangen. The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble, alleine schon, nach was das alles klingt. Nach weitem Western ebenso, wie nach frostig eingeschneitem Berggipfel. Panoramablick und am Felsmassiv aufgeschlagene Knie. Nach weiter, lichtüberfluteter Prärie und modrigem Musikkeller, in dessen Halbschatten sich eine Kapelle herumtreibt, wobei nicht ganz auszumachen ist, wo die Band endet und das Publikum beginnt. Es klingt nach Tönen, die solche Schattenwelten durchkreuzen, aber kein Ziel verfolgen, geschweige denn kennen. Nennen wir es Zeitblase. Und es klingt so wundervoll distanziert, wie eben nur ein Konzert im Dunklen sein kann, wenn zwischen den Tönen, die den Raum definieren, und den kaum auszumachenden Figuren da vorne keine Verbindung mehr ersichtlich scheint.

Das Schönste ist dann, wenn Versprechen gehalten werden und Erwartungen erfüllt. Die Musik des The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble bietet sich freilich dafür an, anhand der für Rezensenten bequemen Floskel "Soundtrack für fiktive Filme" beschrieben zu werden (wobei auch die offizielle Website der Band dies vorschlägt, zugegeben). Aber entstehen da wirklich filmische Bilder beim Anhören? Ich bin mir nicht so sicher. Eher sind es in sich verschwurbelnde, mäandernde Schneckenhäuser, die ganz aus Klang gebaut sind und, aus diesem Material geschaffen, ganz für sich bestehen können. "Deprimiert" und "melancholisch", gerne auch "düster", sind weitere Vokabeln, auf die man zurückgreifen könnte; in der Tat würde ich eher "tröstlich" vorschlagen. Gesetzt den Fall zumindest, dass man ein solches Zurückgezogensein ins Unterholz der Klänge, wo es wispert und krabbelt, denn als tröstliche Behaglichkeit empfinden kann (ja, ich kann das). Und ist es Jazz, was man da hört? Gewiss, so irgendwie. Das ist das Schöne an dieser Platte und sie teilt es sich mit den besten des Kammerflimmer Kollektiefs: Dass man sie sich als Verbund von Individiuen vorstellen kann, die auf der Bühne (und im Studio) kommunizieren, über Ton und Timbre, wie das gerade bei Jazz so gut, bei Pop nur selten funktioniert.

Eine Platte, die keinen Anfang und kein Ende kennt. Die Grenzen fließen ineinander, vieles ist /Teppich/, nichts ist wirklich Song und auf nennenswerte Wiedererkennbarkeit angelegt. Eine Reise eben, die sich wiederholen lässt.

Im weiten Feld des selbst schon hinreichend commodity gewordenen Post-Rock sind The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble jedenfalls ein kleines Juwel, oder eher ein ungeschliffener Diamant. Man muss ihn erst entdecken, er macht nicht viel Aufhebens um sich. Bei den üblichen Verdächtigen zumindest des hiesigen Musikjournalismus fand man, soweit ich das überblicken kann, kein Wort für diese, bereits im April erschienene Platte; was Wunder, man kennt das ja von früher.

The Kilimanjaro Darkjazz Ensemble haben eine MySpace-Seite.

Nachtrag: Meine Güte, dabei ist der Kilimanjaro ja gar nicht im Westen, so von wegen "Prärie". Was in der Kindheit gesehene Abenteuerfilme und Naturdokumentationen in der Erinnerungen so alles anzustellen vermögen...


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