Ob man einen Film nun im Kino oder auf einem Heimgerät sieht, ist in zahlreichen Fällen so gehüpft wie gesprungen; andere aber - die großen - sieht man im Kino vielleicht nicht unbedingt zum ersten Mal - diese Gelegenheit gibt es ja kaum mehr -, aber nur hier erlebt man sie erstmals in einer Qualität, die Wirklichkeit für sich beanspruchen kann, und sei es nur die Wirklichkeit des jeweiligen Filmes, der in einem elektronischen Kompromissmedium nur zu Gast ist, darin aber keineswegs haust.
Filme wie Rear Window oder North by Northwest beispielsweise, selbstredend auch 2001, die Western von Leone und ganz bestimmt auch die Filme von Jodorowsky, die ich hoffentlich eines Tages auch im Kino sehe werde. Und schließlich, natürlich, Eraserhead, ein Monstrum von einem Film, das sich wirklich nur in dieser Umgebung vollkommen ins Bewusstsein einzustanzen vermag, bzw dieses nicht zuletzt auf Grund seiner herausragend luziden Tonspur geradewegs wattig ummantelt. Eraserhead wirkt wie ein Kokon, der inwändig betastet wird; für anderthalb Stunden auf dieser Welt gibt es nur self und that - und beides verschmilzt zur transzendenten Erfahrung.
Eraserhead ist wie kaum ein zweiter Film sinnlich. Wenn Henry bei Familie X auf dem Sofa sitzt und nervös seine Finger zwischen den Polstern des Möbels streichen lässt (ein beiläufiges Detail), meint man förmlich, den Horror aus Blümchendecke und anstehendem Familienessen an den eigenen Fingerspitzen zu fühlen. Der Stoff seines Anzugs wird ganz textil, man trägt ihn selbst. Und das Baby, das monströse Baby, entwickelt eine Körperlichkeit, die staunen lässt, als sähe man dieses Ding zum erstenmal. Die filzige Bettdecke mit den Löchern - man schaudert zurück, weil man sich darin nicht betten mag und spürt doch jede Faser. Eine ganz eigene Qualität entwickelt Jack Nances teigiges Gesicht, das die Leinwand nicht zum Bersten, sondern zum Quellen treibt; die Ahnung nachsprießender, aber die Luft noch nicht erreicht habender Barthaare am Hals, die im Kornrauschen beinahe schon untergehen. Körperflüssigkeiten.
Hier, im Kino, handelt Eraserhead auch vom Menschen und seiner Leiblichkeit, und wie diese im Widerstreit steht zur Materie ringsum. Eingebettet, zugedeckt, eingeengt. Das stete Dröhnen im Off gebiert Monster, schiere Visualitäten. An der Wand neben dem Bett: Ein gerahmtes Bild eines Atompilzes, an jener Stelle, wo bei alten Menschen wohl ein Marien- oder Jesusbild zu finden wäre.
Wenn man genau hinsieht, erkennt man die irrlichternde Schönheit der lady in the radiator mit den grotesken Backen. Der Ton ist der Schlüssel, der einen an sie zieht. Ihre Augen, diese leicht mit dem Bizarren spielenden Zähne. Und doch findet sich in ihren Armen kein Trost, nur das Weißbild, das schiere, ungebrochene Licht im Kinoprojektor als Grundlage jeden Films. Hier ist man immer schon gefangen. [verloren, ausgeblendet, überblendet]
Wer Eraserhead im Kino gesehen hat, fühlt sich wie ein Wesen, das einer schleimigen Flüssigkeit entwachsen ist. Eben, wie ein Mensch am ersten Tag, der schon jetzt die Ahnung hat, dass der Himmel, wo alles gut ist, nicht in dieser Welt zu finden ist. Am Ende also doch: Eros und Thanatos, die alte Leier. Die entmenschlichten Leierkästen im Film - seien es Grammophone oder Spielkästen mit Zirkusliedern - kennen diese Geschichte nicht: Ihnen gehört die Zukunft, ist das Fazit, weil sie keine Wesen sind, die nach dem Sex melancholisch, gar neurotisch werden. Sie kennen das alles gar nicht.
imdb
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