Thema: literatur
Bis heute stellen die Filme des us-amerikanischen Regisseurs Sam Peckinpah ein Faszinosum und ein großes Erbe der Filmgeschichte dar. Vor allem die Auflösung der zahlreichen Gewaltszenen - Peckinpah war wohl der erste Auteur, den vor allem (auch) die Darstellung von Gewalt interessierte - in ambivalent poetische Bilder, in denen das Schreckliche und das Schöne so dicht beieinander liegen wie selten in der Geschichte zuvor, wirkte stilbildend und zählt, in Filmen von Enzo G. Castellari, John Woo und Quentin Tarantino vielzitiert, mit zu seinem großen Vermächtnis. Ganz nebenbei verschaffte ihm dieses offensichtlichste Merkmal seiner Filme den Ruf, ein Macho zu sein, der Männerfilme für harte Kerle drehe. Dass Peckinpah meist schon frühmorgens auf dem Set zu trinken begann und in nicht wenige Frauengeschichten verwickelt war, scheint diese Einschätzung noch zu untermauern. Bei genauerem Hinblicken aber zielt der Vorwurf ins Leere: Die oft als glorifizierend bezeichneten, typischen Todesszenen in Zeitlupe entpuppen sich weit weniger als Verherrlichung, sondern entsprechen dem melancholischen Duktus seiner Filme, in denen - ganz im Gegenteil, möchte man da seinen Kritikern entgegen halten - allzu bornierter Machismo ganz deutlich narrativ als Quell allen Unheils gezeichnet ist. Nicht nur diese, bis heute oft angestrengte Kontroverse um Peckinpahs Werk und ihrem ideologischen Gehalt machen ihn, so Mike Siegel, Autor des vorliegenden Bandes "Passion & Poetry - Sam Peckinpah in Pictures", zu einem der "meistbesprochenen Regisseure aller Zeiten".

Diese Einschätzung kann man Siegel glauben oder auch nicht. Eine kurze Suchanfrage bei Amazon zeichnet ein eher widersprüchliches Bild: Zumindest im deutschsprachigen Raum scheint gerade mal ein einziges Buch zu Peckinpahs Werk erschienen zu sein, in den 80er Jahren bereits und obendrein allenfalls noch antiquarisch beziehbar. Vor diesem Hintergrund ist es etwas schade, dass auch mit dieser Veröffentlichung die Gelegenheit zur theoretisch-analytischen Auseinandersetzung mit Peckinpahs Filmen versäumt wurde: Mike Siegel zeigt sich, als glühender Verehrer und jahrelanger Sammler von Memorabilia und Artefakten, vor allem an einer Nachzeichnung der Biografie des Regisseurs anhand seiner Filmografie interessiert. Kindheit und Jugend werden entsprechend kursorisch auf wenigen Seiten zusammengefasst, um anschließend auf mehreren hundert Seiten akribisch die ersten TV-Jahre und ersten Gehversuche im Bereich des Spielfilms zu dokumentieren. Zu diesem Zweck werden unzählige Hintergrundinformationen zur Entstehung der jeweiligen Arbeiten, Anekdoten vom Set, biografische Details wie auch Mutmaßungen zu Peckinpahs inneren Befindlichkeiten zu einem eher schon literarischem Text, dessen einzelne Kapitel sich streng an der Chronologie des filmischen Schaffens orientieren, verwoben. Zu den Filmen selbst finden sich kaum verbindliche Aussagen, die über bloße Angaben zum Inhalt hinausgehen.

Eine solche Textsorte birgt durchaus ihre Gefahren, zumal bereits Biografien über Peckinpah existieren. Doch Siegel schlägt daraus einen Vorteil, indem er sich ausdrücklich auf diese beiden Texte bezieht, bzw. sie miteinander abgleicht und, was der eigentliche Reiz ist, seine zahlreichen, wie es scheint recht freundschaftlichen, Beziehungen zu Hinterbliebenen und Freunden Peckinpahs nutzt, um die bisherige Quelllage zusammenzufassen und dieser neue biografische Erkenntnisse hinzuzufügen. Des weiteren kompiliert dieser nicht zu Unrecht "... in Pictures" untertitelte Band zahlreiche Fotografien - zum größten Teil äußerst rares, wenn nicht sogar bislang unveröffentlichtes Material - in beeindruckender Qualität. Darin offenbart sich schließlich die wahre Qualität dieser Publikation, die eine Materialsammlung von unschätzbarem, archivarischem Wert darstellt. Dies unterstreicht noch ein dem Text angefügter Appendix, der auf fast 100 Seiten qualitativ hochwertige, farbige Reproduktionen von internationalem Artwork zu Peckinpahs Filmen versammelt, darunter etwa auch so exotisches wie interessantes Material aus unter anderem Thailand, der Türkei oder Japan. Eine außergewöhnliche, schöne Zusammenstellung, in der man sich beim Schmökern regelrecht stundelang verlieren kann. Als einzigen Malus lassen sich vielleicht, wenn auch nur am Rande, die bisweilen etwas bemüht private Nähe suggerierenden Bildunterschriften festhalten, die das Gezeigte, ganz nach Familienfotoalbumtradition, gelegentlich auch mit ironischen Kommentaren oder Mutmaßungen über innere Prozesse der Fotografierten zu bereichern versuchen, wo doch das Bild schon für sich alleine steht.

Mike Siegels Illustration von Peckinpahs Biografie ist, allen Bedenken gegenüber der Methode zum Trotz, ein schönes Buch geworden, eher zum entspannten darin Blättern geeignet als für tiefergehende Studien am ästhetischen Material selbst. Der Lücke, die dahingehend in der Filmpublizistik noch immer besteht, ist man sich zwar auch weiterhin schmerzlich bewusst, doch könnte ein Publikation wie die hier vorliegende auch zu einer erneuten Beschäftigung mit Peckinpahs filmischem Werk, mit hoffentlich entsprechendem Ergebnis, einladen oder aber die Blicke überhaupt wieder auf diese Filmografie lenken. Wünschenswert wäre dies allemal.

>> Mike Siegel: Passion & Poetry. Sam Peckinpah in Pictures (Mitarbeit Ulrich Bruckner)
>> 480 Seiten, etwa 900 Abbildungen, davon ca. 400 in Farbe.
>> Berlin: Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2003
>> Premium Paperback auf Kunstdruckpapier, 16,5 x 23,5 cm
>> 29,90 EUR (D) / 50,50 sFr
>> ISBN 3-89602-472-8


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kommentare dazu:



el dorado, Dienstag, 10. Februar 2004, 22:55
Analysen & Peckinpah
Was die Lücken der Filmpublizistik betrifft, so kann ich nur zustimmen. In Deutschland wurde Peckinpah schon immer stiefmütterlich behandelt (Von SteadyCam, Frank Arnold & Ulrich von Berg mal abgesehen). In den USA, Frankreich, England, Japan, Italien & Co gibt es regelmäßig Wiederaufführungen der Filme und Publikationen jeder Art und Auflage. Ich hätte vielleicht anführen sollen, das er zu den meistbesprochensten Filmemachern auf internationaler Ebene zählt. In meinem Archiv stapeln sich ca. 400 Publikationen inkl. 30 Bücher . Davon wiederum ist nur ein einziges aus Deutschland (& vergriffen, Si). Allerdings sind die dort zu findenden Analysen ausgezeichnet und als Filmemacher fühle ich mich für derartige Texte nicht qualifiziert genug. PASSION & POETRY ist als Ergänzungswerk (oder auch als Einstieg) gedacht und soll in erster Linie dem Auge gefallen. Denn all die Bücher über Peckinpah enthalten ausführliche Texte und sind teils NUR analytisch, da lag es doch nahe, die visuelle Lücke zu schließen und dem Interessierten die Peckinpah-Welt (und deren Bewohner) im Bild nahe zu bringen.
Auch ich hoffe sehr, dass es in deutscher Sprache bald neue Denkansätze zu Peckinpahs Werk geben wird. Sein 20.Todestag wird wieder weltweit neues Material zu Tage fördern (bis jetzt existieren schon über 2500 Seiten analytischer Texte! Und dies sind nur die Bücher). Mal sehen, ob sich im deutschsprachigen Raum auch mal was tut. Schreiber ham' wir ja genug.


thgroh, Dienstag, 10. Februar 2004, 23:46
Hallo, el_dorado (bzw. ich duze mal: Mike!?)

Schön erstmal, dass Du Dich zu diesem Feedback entschlossen hast. Sowas freut einen doch sehr. :)

Das mit der internationalen Ebene hatte ich (blöderweise) wiederum in meiner Rezension übersehen: Hätte ich mir eigentlich (gerade und besonders auch nach meinem Aufenthalt in den USA letztes Jahr und dem ungläubigen Blick in die Filmsachbuch-Regale dortiger Buchgeschäfte) denken können, dass es in den USA und anderswo anders aussieht. Wirklich ärgerlich, dass im deutschsprachigen Raum kein vergleichbares Angebot (auch mal von Peckinpah jetzt abstrahiert) gibt.

Dass mit der mangelnden theoretischen Analyse war natürlich nicht als Vorwurf an Dich als Person zu verstehen, das mit dem "versäumt" ist in der Tat, bei erneuter lektüre, mißverständlich. Prinzipiell denke ich, dass jedes Buch, das einer schreiben will und veröffentlichen kann, auch seine Berechtigung hat. Schade ist eben, dass es solches Material zu Peckinpah bislang in Deutschland kaum bis nicht gibt und zu Beginn der Lektüre dieser Publikation war ich eben (zunächst) etwas enttäuscht, weil Peckinpah dafür auch einfach sehr viel hergibt. Dafür aber hat das Buch andere Qualitäten, die ich ja auch herausgearbeitet habe: Das Foto- und Artworkmaterial ist schlicht fantastisch und was die Einschätzung des Buches betrifft, sind wir beide ja auch (siehe mein letzter Absatz) der gleichen Meinung. Auch ich hoffe, dass "Bloody Sam" bald mal (hierzulande) wieder etwas mehr Aufmerksamkeit genießt (auch hinsichtlich besserer DVD-Editionen beispielsiwese). Dein Buch (und vielleicht auch die Vorführung einiger seiner Filme im Rahmen der diesjährigen Berlinale-Retro) könnte da ja vielleicht wirklich was bewegen.

Herzliche Grüße,
Thomas


el dorado, Donnerstag, 12. Februar 2004, 03:00
Gerade komme ich aus Berlin zurück...Leider nur Business, no fun. Warst Du auch da? Würde mich interessieren wie die Retro besucht war...War natürlich prima, dass der Filmdienst gerade herauskam, mit 3-Seiten Peckinpah und Buchbesprechung... Eine ganz tolle Rezension hab' ich auch gerade im ROLLING STONE gelesen. Da wirft einer olle' Sam 'schlampige Inszenierungen' vor und bezeichnet STRAW DOGS als B-Film Ästhetik. Offensichtlich kein Bewunderer von Peckinpah - aber dennoch fast 'ne ganze Seite!? Allerdings frage ich mich, warum jemand etwas rezensiert, von dem er keine Ahnung hat? Spaßig. Ich les' gerne Verrisse, und der STONE hat mich selten enttäuscht: Die haben den wunderbaren MILLION $ HOTEL und den BONO-Soundtrack dazu niedergemacht. (Schlechte Kritiken vorlesen bringt immer wieder Spaß bei Gesellschaften. Meine Lieblingskritik steht im Buch: Arthur Clarke über WILD BUNCH. Herrlich.)
Nochmal zum deutschen FilmBuch-Markt. Ja, der sorgt immer wieder für Verärgerung. Is ja nicht nur Peckinpah. Da fallen mir viele ein: David Lean, Ford, Wellman...von den wenigsten kam da was anständiges oder auch nur überhaupt was raus. Bei Peckinpah(und allen anderen) treibe ich mich international rum. Traurig ist das. Alle meine Kontakte und Kollegen sind in USA,UK,Frankreich oder Italien. Selbst Japan ist aktiver! Ich meine, wir hatten hier ja noch nicht mal 'ne Peckinpah-Retrospektive. .. In meinem Vorwort hätte ich den Anspruch meines Buches genauer erläutern sollen. Das es mir fern lag, zu analysieren. Denn da spuken die anderen (Dutzend) analytischen Werke herum, die schon fast alles gesagt haben und den meisten Peckinpah-Fans bekannt sind. Aber wohl nich so in Deutschland. Deswegen vermissen jetzt viele hier die ausführlichen Filmbesprechungen. Mein Fehler. Im Ausland ist der Tenor ganz ein anderer: 'Endlich ein Foto-Buch über Peckinpah...!' Apropos Lobhudelei: Tolle Seite hast Du da!
Also, ´ 'tell'em Junior sent you...`
Vielleicht trifft man sich mal.
MIKE



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