04.01.2006, CineStar Sony Center.

Im Kino gewesen, indifferent hinausgegangen. Das Schlimmste, was einem Scorsese-Film vielleicht passieren kann, wird wahr: Man verlässt den Saal und zuckt mit den Achseln. Man könnte sich aufregen, man könnte es sein lassen. Schlimmer wird's nur dadurch, dass The Departed nun alles andere als solche Indifferenz zu bezwecken im Schilde führt. Der Soundtrack erzählt davon: Scorsese fürchtet weder Tod noch Lizenzkosten - und so ist der Soundtrack vollgesogen mit Rolling Stones und Pink Floyd, mit wuchtigem Irish-Folk-Punk der neueren Stunde und allem und jedem, was in den 70ern ein Gesicht auf einem Musikmagazin hatte. Das soll knallen, tut es nicht. Was lief da schief?

Eine Antwort fällt schwer. Es mag die Uninspiriertheit sein, die jedem Import-Remake als "Geschmäckle" mit anhaftet, selbst wenn versucht wird, die Vorlage - ein sehr solider Hongkongthriller aus einer Zeit, als auf das Hongkongkino schon nur noch in Ausnahmefällen (sagen wir: Johnny To) zu hoffen war - so irgendwie noch zu bereichern, selbst wenn einem im Grunde doch nichts einfällt. Die Achsensymmetrie aus Infernal Affairs ist nicht genug, es muss zum Ende hin noch ein bisschen mehr Wallung in den Plot, zu seinen Ungunsten allerdings. Der Unterschied schließlich zum Original ist der für das Nicht-Gelingen prägnanteste: Infernal Affairs setzt eine Idee um, spielt sie durch und ist darin so strikt wie konsequent; The Departed formuliert diese Idee nur (schlimmer: formuliert sie nur nach) und stellt sie in den Raum. Ein bisschen Fleisch legt er drauf, den Rest erledigt Ballhaus und der Music Supervisor und beide waren von der Muse nicht unbedingt geküsst.

Ein Film spult sich ab und es ist egal. Selten war ein Scorsese-Film derart mit Brutalitäten vollgestellt. Man beobachtet das zwar und ist doch eher erschreckt von den "Männermännern" im Kinosaal, die jedes Blut-Actionpainting und jedes "Fuckin' fuck" mit einem debilen höhö kommentieren und sich dabei, vermutet man, noch gegenseitig mit den Ellbogen in die Seite stupsen. So unbeholfen ihre Verbrüderung mit dem Film, so orientierungslos wandelt Scorsese durch seinen Stoff, der in Einzelteile zerfällt, für die sich Scorsese bestimmt was gedacht haben mag, doch allein, die Syntax geht nicht auf. Und der Soundtrack deliriert sich ohne Sinn und Verstand von einer Lizenz zur nächsten. Wie vollkommen sinnlos die Songs auch immer eingefadet werden. Am witzigsten überhaupt nur an diesem Film, dass Alec Baldwin hier aussieht wie Sozen-Wowi aus Berlin.

Genauer, treffsicher und lesenswert dazu: Knörers Kritik auf jump-cut.de, bzw. sein Essay für den Perlentaucher.

» imdb ~ angelaufen.de ~ filmz.de

» movie magazine search engine ~ movie blog search engine


° ° °




kommentare dazu:



stefan hoeltgen, Samstag, 6. Januar 2007, 07:46
Ich habe das irgendwie geahnt und bin gar nicht erst reingegangen. Dieses Gefühl von "egal" hat mich schon beschlichen, als ich die Einladung zur PV bekommen und die Stab- und Besetzungsliste gelesen habe. Für mich zeigt da eindeutig ein Vektor aus Richtung "Gangs of New York" über "Aviator" in diese Richtung. Es kann eigenltich nur noch schlimmer, noch egaler werden bei Scorsese, weil er sich selbst immer mehr zu arrivieren versucht.


lukasf, Montag, 8. Januar 2007, 23:55
Mir hat der Film eigentlich überaschend gut gefallen. Nach dem Trailer hatte ich ein übles Nicholson-plus-DiCapprio-Vehikel erwartet, in Verbindung mit dem von anfang an zum Scheitern verurteilten Versuch, an Mean-Streets-Zeiten anzuknüpfen. In meinen Augen hat Scorsese die Sache aber ziehmlich gut hinbekommen. Die von Knörer beanstandete Psychologisierung auf Kosten der Dynamik fällt höchstend im ersten Filmdrittel ins Gewicht, in welchem Scorsese außerdem recht hilflos versucht durch inflationären Schimpfwortgebrauch irgendwie eine Boston-Mafia-Atmosphäre hinzubekommen, was natürlich vorne und hinten nicht hinhaut. Aber danach bekommt er den Stoff recht schnell in den Griff, auch die Geschichte mit der Psychologin (die stammt aus Infernal Affairs 3, oder?) hat er eigentlich recht gut hinbekommen, von einigen vulgärfreudschen Ausrutschern abgesehen. Die rasanten ausgedehnten Parallelmontagen in Verbindung mit dem reduzierten Spiel Damons und DiCaprios bringen den Film dann auch wieder in die Nähe des Originals, selbst die Verräumlichung der Handlung verläuft auf ähnliche Weise und treibt dem Film auch jegliches falsches Lokalkolorit wieder aus.



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