Thema: FilmKulturMedienwissenschaft
In seiner Dezemberausgabe legt das akademische Journal Theory, Culture and Society den (ersten) Schwerpunkt auf den Kultur- und Medientheoretiker Friedrich Kittler. Die zahlreichen Aufsätze über und von Kittler können in dieser Übersicht als pdf-Dateien heruntergeladen werden.
Besonders lesenswert ist die von Geoffrey Winthrop-Young und Nicholas Gane verfasste Einführung, die auf elf Seiten das ansonsten nur schwer zugängliche theoretische Werk Kittlers gelungen und nachvollziehbar umreißt. Winthrop-Young hat vor kurzem auch die im Junius Verlag erschienene Einführung in Kittlers Theoriewerk geschrieben, ist also ein ausgewiesener Kittler-Experte. Regelrecht faszinierend, zumindestens erhellend und in mancher Hinsicht auch bezeichnend, wenn nicht schon mehr als nur kontrovers, ist hingegen das ausführliche und konzentrierte Interview, das John Armitage 2003 mit Kittler in Berlin geführt hat - eine spannende, anregende, und oft genug konfliktstiftende Lektüre.
Von Kittler selbst wurden die beiden, allerdings ins Englische übersetzten, relativ jungen Aufsätze Farben und/oder Maschinen denken (in dem sein spezifischer Medien- und Technikmaterialismus quasi-programmatisch umrissen wird) und Zahl und Ziffer beigesteuert. Beide können als Updates, bzw. Ergänzungen zu seinen Aufsätzen in der meines Erachtens idealsten Einstiegspublikation Draculas Vermächtnis. Technische Schriften. betrachtet werden.
In weiteren Aufsätzen befassen sich schließlich Geoffrey Winthrop-Young (Kittler und Pink Floyd), Sybille Krämer (Time Axis Manipulation - Kittlers Medienkonzeption) und Claudia Breger (über seine derzeitige neo-helenische Phase) mit einzelnen Aspekten.
Ob es wohl ein bewusster Gegenpol ist? Der zweite Schwerpunkt der Ausgabe ist auf die feministische Kulturtheoretikerin Donna Haraway gelegt, mit deren Cyborg-Konzeptionen Kittler so einige Probleme hat, wie er immer wieder einstreut (und es sich auch implizit aus seinen Schriften ergibt).
Besonders lesenswert ist die von Geoffrey Winthrop-Young und Nicholas Gane verfasste Einführung, die auf elf Seiten das ansonsten nur schwer zugängliche theoretische Werk Kittlers gelungen und nachvollziehbar umreißt. Winthrop-Young hat vor kurzem auch die im Junius Verlag erschienene Einführung in Kittlers Theoriewerk geschrieben, ist also ein ausgewiesener Kittler-Experte. Regelrecht faszinierend, zumindestens erhellend und in mancher Hinsicht auch bezeichnend, wenn nicht schon mehr als nur kontrovers, ist hingegen das ausführliche und konzentrierte Interview, das John Armitage 2003 mit Kittler in Berlin geführt hat - eine spannende, anregende, und oft genug konfliktstiftende Lektüre.
Von Kittler selbst wurden die beiden, allerdings ins Englische übersetzten, relativ jungen Aufsätze Farben und/oder Maschinen denken (in dem sein spezifischer Medien- und Technikmaterialismus quasi-programmatisch umrissen wird) und Zahl und Ziffer beigesteuert. Beide können als Updates, bzw. Ergänzungen zu seinen Aufsätzen in der meines Erachtens idealsten Einstiegspublikation Draculas Vermächtnis. Technische Schriften. betrachtet werden.
In weiteren Aufsätzen befassen sich schließlich Geoffrey Winthrop-Young (Kittler und Pink Floyd), Sybille Krämer (Time Axis Manipulation - Kittlers Medienkonzeption) und Claudia Breger (über seine derzeitige neo-helenische Phase) mit einzelnen Aspekten.
Ob es wohl ein bewusster Gegenpol ist? Der zweite Schwerpunkt der Ausgabe ist auf die feministische Kulturtheoretikerin Donna Haraway gelegt, mit deren Cyborg-Konzeptionen Kittler so einige Probleme hat, wie er immer wieder einstreut (und es sich auch implizit aus seinen Schriften ergibt).
° ° °
kommentare dazu:
orcival,
Donnerstag, 18. Januar 2007, 13:02
danke fuer den hinweis, kannst du ein bisschen was zu der haraway kritik bei kittler sagen?
thgroh,
Donnerstag, 18. Januar 2007, 15:23
Eine wirklich artikulierte 'Kritik' im akademischen Sinne findet sich bei Kittler, meines Wissens, nicht. Wohl aber, wie das seinem Schreibstil entspricht, gelegentliche Spitzen mit vielen Andeutungen.
Im Interview für diese Publikation sind schon ein paar Hinweise gegeben (einfach mal das pdf nach 'cyborg' durchsuchen lassen); grob (und sehr schnell verfasst) ließe sich aber vielleicht sagen, dass Kittler die Perspektive der Cyborg-Theorie, sowie deren Grundlage, in keiner Weise teilt. Wo deren Anhänger Medien und Technologie in erster Linie nur als 'tools' ansehen - vielleicht auch in der Theorie-Tradition der 'extensions of man' - und daraus eine funktionale Verschmelzung ableiten, betrachtet Kittler Medien und Technik von einer radikal äußeren (also radikal 'ahumanen') Perspektive, die das Andere der MedienTechnik betont und gerade keine funktionale Verschmelzung, sondern eine Kolonialisierung/Überformung des Menschen durch Technik akzentuiert: Nicht die Technik passt sich den Bedürfnissen des Menschen an, vielmehr ist sie ein Quasi-Organismus, dessen Vorgaben sich wiederum der Mensch anpasst; es entsteht ein verschalteter Medien- und (Kriegs-)Technikpark, in den der Mensch als funktionales Zahnrad eingespannt und von dem er ummantelt ist; zugleich ergibt sich durch diese Bewegung der apriorische Rahmen dessen, was und wie es denkbar ist: Nicht der Mensch nutzt die Medien und Technik, sondern das Medium denkt sich durch den Menschen und strukturiert diesen überhaupt erst in einem Akt der 'strukturellen Gewalt', als die Kittler beispielsweise die 'Versprachlichung' des Subjektes bezeichnete. In diesem - sozusagen auf medienmaterialistische Füße gestellten - 'Heideggerianismus' [ausgebildete Philosophen mögen mir verzeihen...] liegt denn schließlich auch das mangelnde utopische Element bei Kittler begründet, alldieweil vor allem die cyborg-theoretische Denkschule sich ja gerne mittels SF-artiger Befreiungsutopien artikuliert; vgl. beispielsweise auch die im Katholzismus begründete 'Erlösungstheologie' bei Marshall McLuhan, dem Kittler theoriehistorisch zwar sicher einiges verdankt, von dessen Theorien er aber unbedingt abzugrenzen ist.
[das ist jetzt alles - um es nochmals zu betonen - absolut verkürzt ausgesagt, entspricht nicht unbedingt meiner Meinung und ich bin auch keineswegs ein "Kittler-Experte"; alle meine Aussagen hier sind also von einer entsprechend relativierenden und nachsichtigen Warte aus zu betrachten :) ]
Lektürehinweis noch: Kittlers Aufsatz im "Kursbuch Medienkultur", "Die Nacht der Substanz", ist meiner Meinung nach zur Erhellung des Kittler'schen Denkens sehr gut geeignet.
Im Interview für diese Publikation sind schon ein paar Hinweise gegeben (einfach mal das pdf nach 'cyborg' durchsuchen lassen); grob (und sehr schnell verfasst) ließe sich aber vielleicht sagen, dass Kittler die Perspektive der Cyborg-Theorie, sowie deren Grundlage, in keiner Weise teilt. Wo deren Anhänger Medien und Technologie in erster Linie nur als 'tools' ansehen - vielleicht auch in der Theorie-Tradition der 'extensions of man' - und daraus eine funktionale Verschmelzung ableiten, betrachtet Kittler Medien und Technik von einer radikal äußeren (also radikal 'ahumanen') Perspektive, die das Andere der MedienTechnik betont und gerade keine funktionale Verschmelzung, sondern eine Kolonialisierung/Überformung des Menschen durch Technik akzentuiert: Nicht die Technik passt sich den Bedürfnissen des Menschen an, vielmehr ist sie ein Quasi-Organismus, dessen Vorgaben sich wiederum der Mensch anpasst; es entsteht ein verschalteter Medien- und (Kriegs-)Technikpark, in den der Mensch als funktionales Zahnrad eingespannt und von dem er ummantelt ist; zugleich ergibt sich durch diese Bewegung der apriorische Rahmen dessen, was und wie es denkbar ist: Nicht der Mensch nutzt die Medien und Technik, sondern das Medium denkt sich durch den Menschen und strukturiert diesen überhaupt erst in einem Akt der 'strukturellen Gewalt', als die Kittler beispielsweise die 'Versprachlichung' des Subjektes bezeichnete. In diesem - sozusagen auf medienmaterialistische Füße gestellten - 'Heideggerianismus' [ausgebildete Philosophen mögen mir verzeihen...] liegt denn schließlich auch das mangelnde utopische Element bei Kittler begründet, alldieweil vor allem die cyborg-theoretische Denkschule sich ja gerne mittels SF-artiger Befreiungsutopien artikuliert; vgl. beispielsweise auch die im Katholzismus begründete 'Erlösungstheologie' bei Marshall McLuhan, dem Kittler theoriehistorisch zwar sicher einiges verdankt, von dessen Theorien er aber unbedingt abzugrenzen ist.
[das ist jetzt alles - um es nochmals zu betonen - absolut verkürzt ausgesagt, entspricht nicht unbedingt meiner Meinung und ich bin auch keineswegs ein "Kittler-Experte"; alle meine Aussagen hier sind also von einer entsprechend relativierenden und nachsichtigen Warte aus zu betrachten :) ]
Lektürehinweis noch: Kittlers Aufsatz im "Kursbuch Medienkultur", "Die Nacht der Substanz", ist meiner Meinung nach zur Erhellung des Kittler'schen Denkens sehr gut geeignet.
orcival,
Freitag, 19. Januar 2007, 10:43
danke fuer die ausfuehrungen. ich werd mich dann wohl doch mal an kittler ranmachen muessen. aeh, natuerlich seine texte. naja egal, bleibt so stehen...
wobei ich sagen muss, dass ich haraway zumindest fuer eine bereicherung des streits ueber so begriffe wie 'natuerlich' schon hilfreich finde. andererseits wuerde ich eine kritik an daran anknuepfenden "befreiungsutopien" wohl auch eher zurueckweisen...
soweit...
wobei ich sagen muss, dass ich haraway zumindest fuer eine bereicherung des streits ueber so begriffe wie 'natuerlich' schon hilfreich finde. andererseits wuerde ich eine kritik an daran anknuepfenden "befreiungsutopien" wohl auch eher zurueckweisen...
soweit...
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