Thema: Berlinale 2007
09. Februar 07 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Regisseur Yau Nai Hoi legt hier seinen Debütfilm vor, doch ist er dem erfahrenen Besucher des Internationalen Forums, bzw. dem Freund des Hongkong-Kinos kein Unbekannter: Als Drehbuchautor zeichnete er für die beiden Johnnie-To-Filme PTU und Running On Karma verantworlich, die ebenfalls beide in früheren Jahrgängen des Forums zu sehen waren. Beide gehören zu den besten Filmen, die Johnnie To - ohnedies einer der interessantesten Filmemacher Hongkongs - vorzuweisen hat. Dass Yau Nai Hoi dann auch mit Tony Leung Ka Fai (nicht zu verwechseln mit dem im auf Grund seiner Zusammenarbeiten mit Wong Kar Wei im Ausland weit bekannteren Tony Leung), Lam Suet und Simon Yam (der sich hier unrasiert und mit dickem Schmerbauch durch Hongkongs Straßen tümmeln darf) die (zumindest einstmals) erste Garde der aufs Genrekino abonnierten Darsteller Hongkongs versammelt, lässt die Erwartungen an diesen Beitrag zusätzlich steigen. Dies vor allem auch vor dem Hintergrund, dass aus Hongkong zuletzt kaum mehr Signale zu vernehmen waren: Milkyway Productions, Johnnie Tos Filmschmiede, scheint der letzte übrig gebliebene Qualitätsgarant der mehr oder weniger vor den eigenen Trümmern stehenden Hongkonger Filmindustrie. Dies lässt sich auch an der Programmierung des Forums ablesen, wo traditionell immer wenigstens ein Genrefilm aus Hongkong untergebracht war: Vor zwei Jahren war dies der wenig inspirierte, ermüdende Jiang Hu, im letzten Jahr hatte man gar still und schweigend auf einen Beitrag aus Hongkong verzichtet.
Um es vorweg zu nehmen: Eye in the Sky lässt aufatmen und dürfte dem Connaisseur des guten Großstadtthrillers aus Hongkong einigen Seelenbalsam anbieten. Eye in the Sky erzählt seine Story so präzise und effektiv, wie man das vom guten Hongkong-Film seit je her gewohnt war und wie es dem zuweilen zur psychologischen Schwerfälligkeit neigenden US-Kino – prominentestes Beispiel wohl Scorseses Departed, bezeichnenderweise ein Remake eines Hongkong-Films – nur selten gelingt. Überdies verzichtet Eye in the Sky wohltuend auf stylishe Fingerübungen, übermäßigen Farbfiltereinsatz oder ähnliche, entweder dem Festival- oder Direct-to-DVD-Markt verbundenen, Mätzchen. Die Tugenden des ambitionierten Genrefilms, für die Johnnie To steht, werden von Yau Nai Hoi gelungen aktualisiert.
Eye in the Sky schmeißt einen zunächst orientierungslos ins Straßengewirr Hongkongs. Schnell akzentuiert die Kamera die tragenden Figuren des Films auf engstem Raume, doch die Fäden müssen wir selber engführen: Da steht einer an der Ecke – fett, frisst - , drei fahren in derselben Straßenbahn, eine davon beobachtet den anderen, der dritte ist unbeteiligt, scheint es. Die Wege trennen sich, doch ergeben sich Beziehungen. Die eine folgt dem etwas dicklichen, der sich bald als ihr zukünftiger Vorgesetzter, Codename „Dog Head“, zu erkennen gibt und ihr für fortan den Codenamen „Piggy“ gibt; der andere besteigt ein Dach und übt sich seinerseits in Observation, wie auch der dritte, der Dicke, der immer noch unentwegt an der Straßenecke steht und frisst. Ein Überfall auf einen Juwelier findet statt, die Aktion ist vom Wachposten über der Stadt präzise konzertiert. Allein der Fette, eine Reserve an der Ecke für den Fall, dass ein Polizist das Feld betritt, fällt auf späteren Videoaufnahmen auf – eine erste Spur für Piggys erste Mitarbeit in der Einsatzgruppe.
Ein "Auge im Himmel" zu sein, darauf käme es bei der Beschattung an, mahnt Dog Head Piggy bei der Einweisung an; ein Prinzip, das den Film trägt und wechselseitig Anwendung findet. Minutiös beschattet eine ganze Spezialeinheit den ominösen „Fatman“. Von hier führt eine Spur zur nächsten, ein Link zum nächsten, dies immer unter den Bedingungen der Hongkonger Straßensituation. Zugleich basiert die Arbeit des Strippenziehers, der zu Beginn über den Dächern Posten bezogen hat, auf nichts anderem als lückenloser Datenakquise. Aus dieser Spannung – überwachen, verfolgen, dabei unerkannt bleiben – bezieht der Film seinen Reiz: Die Arbeit der Beschatter ist mit einer bislang nicht gekannten Detailfreude ausgeschmückt – jede Bewegung, jedes Manöver steht im Dienst der Spannungseffizienz.
Ganz natürgemäß ist Eye in the Sky deshalb auch „Stadtfilm“. Nur die moderne Großstadt, diese Abfolge fragmentierter Sinneseindrücke und ephemerer Begegnungen, bietet den kulturellen Rahmen der lückenlosen Beschattung. Die Frage ist, wie hier aus dem „Teig der Stadt“ und den Bewegungen der unüberschaubaren Bewohner Sinn entnommen wird: Welche Bewegung entspringt dem städtischen Alltag, welche ist Überwachung, welche kriminelles Manöver? Erst die Erfassung des urbanen Raumes durch Medien und Technik vernäht das von Flüchtigkeit und steter Bewegung geprägte Straßenbild zur Information mit gesteigertem Wert. Eye in the Sky rückt deshalb die Methoden der Ermittler – aber auch der mafiösen Gegenseite – regelmäßig ins Bild und spielt häufig genug in der „Schaltzentrale“. Der Zuschauer ist dabei seinerseits aufgefordert, sich mit dem Treiben auseinander zu setzen, Spuren zu lesen. Wie von selbst gleitet denn auch Paranoia ins Feld.
Deutlich anzumerken ist Yau Hai Nois Herkunft vom Drehbuchschreiben: Das Konstruierte, das die besten To-Filme auszeichnet, tritt deutlich und nicht zum Nachteil zutage. Eye in the Sky ist sorgfältig und mit Bedacht geschrieben worden; lediglich zum Ende hin finden sich zwei kleinere flaws, die den Genuss im Großen und Ganzen aber nicht stören. Es tut gut, das alte Hongkong-Kino wieder einmal in straighter Form zu erleben: Albernheiten, Mätzchen, nobilitierender Pomp finden sich an keiner Stelle. Yau Nai Hois Debüt mag den Filmen des Lehrmeisters To das Wasser noch nicht reichen, aber auf seine weiteren Arbeiten darf man jetzt schon gespannt sein. Potenzial ist im hinreichenden Maße vorhanden.
Um es vorweg zu nehmen: Eye in the Sky lässt aufatmen und dürfte dem Connaisseur des guten Großstadtthrillers aus Hongkong einigen Seelenbalsam anbieten. Eye in the Sky erzählt seine Story so präzise und effektiv, wie man das vom guten Hongkong-Film seit je her gewohnt war und wie es dem zuweilen zur psychologischen Schwerfälligkeit neigenden US-Kino – prominentestes Beispiel wohl Scorseses Departed, bezeichnenderweise ein Remake eines Hongkong-Films – nur selten gelingt. Überdies verzichtet Eye in the Sky wohltuend auf stylishe Fingerübungen, übermäßigen Farbfiltereinsatz oder ähnliche, entweder dem Festival- oder Direct-to-DVD-Markt verbundenen, Mätzchen. Die Tugenden des ambitionierten Genrefilms, für die Johnnie To steht, werden von Yau Nai Hoi gelungen aktualisiert.
Eye in the Sky schmeißt einen zunächst orientierungslos ins Straßengewirr Hongkongs. Schnell akzentuiert die Kamera die tragenden Figuren des Films auf engstem Raume, doch die Fäden müssen wir selber engführen: Da steht einer an der Ecke – fett, frisst - , drei fahren in derselben Straßenbahn, eine davon beobachtet den anderen, der dritte ist unbeteiligt, scheint es. Die Wege trennen sich, doch ergeben sich Beziehungen. Die eine folgt dem etwas dicklichen, der sich bald als ihr zukünftiger Vorgesetzter, Codename „Dog Head“, zu erkennen gibt und ihr für fortan den Codenamen „Piggy“ gibt; der andere besteigt ein Dach und übt sich seinerseits in Observation, wie auch der dritte, der Dicke, der immer noch unentwegt an der Straßenecke steht und frisst. Ein Überfall auf einen Juwelier findet statt, die Aktion ist vom Wachposten über der Stadt präzise konzertiert. Allein der Fette, eine Reserve an der Ecke für den Fall, dass ein Polizist das Feld betritt, fällt auf späteren Videoaufnahmen auf – eine erste Spur für Piggys erste Mitarbeit in der Einsatzgruppe.
Ein "Auge im Himmel" zu sein, darauf käme es bei der Beschattung an, mahnt Dog Head Piggy bei der Einweisung an; ein Prinzip, das den Film trägt und wechselseitig Anwendung findet. Minutiös beschattet eine ganze Spezialeinheit den ominösen „Fatman“. Von hier führt eine Spur zur nächsten, ein Link zum nächsten, dies immer unter den Bedingungen der Hongkonger Straßensituation. Zugleich basiert die Arbeit des Strippenziehers, der zu Beginn über den Dächern Posten bezogen hat, auf nichts anderem als lückenloser Datenakquise. Aus dieser Spannung – überwachen, verfolgen, dabei unerkannt bleiben – bezieht der Film seinen Reiz: Die Arbeit der Beschatter ist mit einer bislang nicht gekannten Detailfreude ausgeschmückt – jede Bewegung, jedes Manöver steht im Dienst der Spannungseffizienz.
Ganz natürgemäß ist Eye in the Sky deshalb auch „Stadtfilm“. Nur die moderne Großstadt, diese Abfolge fragmentierter Sinneseindrücke und ephemerer Begegnungen, bietet den kulturellen Rahmen der lückenlosen Beschattung. Die Frage ist, wie hier aus dem „Teig der Stadt“ und den Bewegungen der unüberschaubaren Bewohner Sinn entnommen wird: Welche Bewegung entspringt dem städtischen Alltag, welche ist Überwachung, welche kriminelles Manöver? Erst die Erfassung des urbanen Raumes durch Medien und Technik vernäht das von Flüchtigkeit und steter Bewegung geprägte Straßenbild zur Information mit gesteigertem Wert. Eye in the Sky rückt deshalb die Methoden der Ermittler – aber auch der mafiösen Gegenseite – regelmäßig ins Bild und spielt häufig genug in der „Schaltzentrale“. Der Zuschauer ist dabei seinerseits aufgefordert, sich mit dem Treiben auseinander zu setzen, Spuren zu lesen. Wie von selbst gleitet denn auch Paranoia ins Feld.
Deutlich anzumerken ist Yau Hai Nois Herkunft vom Drehbuchschreiben: Das Konstruierte, das die besten To-Filme auszeichnet, tritt deutlich und nicht zum Nachteil zutage. Eye in the Sky ist sorgfältig und mit Bedacht geschrieben worden; lediglich zum Ende hin finden sich zwei kleinere flaws, die den Genuss im Großen und Ganzen aber nicht stören. Es tut gut, das alte Hongkong-Kino wieder einmal in straighter Form zu erleben: Albernheiten, Mätzchen, nobilitierender Pomp finden sich an keiner Stelle. Yau Nai Hois Debüt mag den Filmen des Lehrmeisters To das Wasser noch nicht reichen, aber auf seine weiteren Arbeiten darf man jetzt schon gespannt sein. Potenzial ist im hinreichenden Maße vorhanden.
° ° °
kommentare dazu:
...bereits 1948 x gelesen