Thema: Berlinale 2007
10. Februar 07 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Was ist das, "Armenien"? Was ist das, ein Land, seine Kultur, seine Geschichte? Was sind die Bedingungen seiner Vermitteltheit - durch Gebräuche, Erzählungen, mithin Schriften und also Medien? Wie verhält sich das innere Bild "Armenien", zumal wenn es in der 'Diaspora' gebildet wurde, zur blanken Faktizität einer realen Begegnung?
Gariné Torossians Film verdichtet mehrere Reisen nach Armen in einen Film. Genauer: Verdichtet werden mediale Artefakte von den Reisen. Die Reisen selbst, als eine faktische Abfolge von Bewegungen und Begegnungen, bleiben im Unklaren. Stone Time Touch handelt von der Unberührbarkeit dessen, was außerhalb seiner kulturellen und damit medialen Einbettung - als Bild im Kopf, als Praxis im Alltag - nur als stumme Materialität zu greifen wäre.
Ein Stein etwa in einer Kirche. Er ist Zeuge der Zeit, seine im Laufe von Jahrzehnten gebildete Textur kündet davon. Er lässt sich berühren. Stein, Zeit, Berührung. Er ist das Bindeglied zur Geschichte. Er ruft Bilder hervor. Und bleibt dennoch nur ganz er selbst.
Gariné Torossians Film situiert sich zwischen Essay-, Dokumentar- und Experimentalfilm. Das gesammelte Material - Fotos, Videoaufnahmen, Tonband - wurde jahrelang gesammelt und gebündelt. Verfremdet und erneut abgefilmt. Digitalisiert, bis das digitale Rauschen in einer Weise hervortritt, die so zuvor nicht zu sehen war. Die Filmemacherin arbeitet mit vielschichtigen Bildern, Ausblendungen, digitalen Übermalungen. Nichts, wirklich rein gar nichts erinnert an irgendetwas, was man ansonsten gemeinhin mit "Armenien" in Verbindung bringen könnte. Jedes Ikon wird umgangen und für ungültig erklärt; statt dessen neue Bilder, die ikonenhaften Anspruch für sich schon deshalb nicht behaupten können, weil sie im digitalen Rauschen in die Flüchtigkeit versiegen. Dazwischen: Begegnungen und Details, die faktisch bleiben. Hier, in dieser Umgebungen, können sie aufatmen. Errettungen im Strom des Ephemeren.
Die Tonspur ist suggestiv, zuweilen ambient, dann Soundkollagen. Der Voiceover der Filmemacherin bleibt oft nur Flüstern. Zwischen all dem auch akustischen Rauschen geht ein Satz wie "I travelled to Armenia to experience this country's essence" fast unter. Über allem liegt jedoch eine Frauenstimme, traditioneller Gesang. Ihre Tonqualität scheint naturalistisch. Ein mythischer Background, der dem in den Trümmern seiner eigenen Geschichte liegenden Land ("I have seen the worst days on Earth" sagt eine Alte, mit Händen, die man so noch nie gesehen hat) eine Grundierung, einen Rest Nationalgefühl gibt? Das letzte Bild zeigt die Sängerin: Vor einer weißen Wand, um die richtigen Töne bemüht. Die Insinuierung des Mythos Armeniens findet nicht statt.
Von wo wird gefilmt? Auch dieser Punkt bleibt oft unklar. Einige Sequenzen unterstreichen deutlich: Die Kamera steht nicht an jener Stelle, die das Bild nahelegt. Ein Foto ist das, auf einem Monitor. Vor diesem steht die Kamera. Die differente Frequenz irritiert die Bildstabilität. Es flimmert, flickert. Das Medium schiebt sich dazwischen. Wie steht es dann mit statischen Bildern?
Stone Time Touch irritiert, desorientiert. Das Bild "Armenien" ist hier nicht zu finden, es existiert nur in der Vorstellung; das vorgefunden Faktische ist mit dem Bild nicht in Einklang zu bringen; indem es seine eigene Visualität beständig untergräbt, deren Medialität unentwegt in den Vordergrund der Bildebene hebt, handelt Stone Time Touch mit Präzision von diesem Widerstreit. Was ist das, Geschichte? Zunächst einmal: Tinte auf Papier. Eine Textur auf dem Stein. Sie liegt zum Greifen nahe. Und Armenien? Ein Trümmerfeld der Geschichte.
Stone Time Touch ist der Film, mit dem mein Festival begann. Es hätte danach enden können, ich hätte mich um nichts betrogen gefühlt.
Gariné Torossians Film verdichtet mehrere Reisen nach Armen in einen Film. Genauer: Verdichtet werden mediale Artefakte von den Reisen. Die Reisen selbst, als eine faktische Abfolge von Bewegungen und Begegnungen, bleiben im Unklaren. Stone Time Touch handelt von der Unberührbarkeit dessen, was außerhalb seiner kulturellen und damit medialen Einbettung - als Bild im Kopf, als Praxis im Alltag - nur als stumme Materialität zu greifen wäre.
Ein Stein etwa in einer Kirche. Er ist Zeuge der Zeit, seine im Laufe von Jahrzehnten gebildete Textur kündet davon. Er lässt sich berühren. Stein, Zeit, Berührung. Er ist das Bindeglied zur Geschichte. Er ruft Bilder hervor. Und bleibt dennoch nur ganz er selbst.
Gariné Torossians Film situiert sich zwischen Essay-, Dokumentar- und Experimentalfilm. Das gesammelte Material - Fotos, Videoaufnahmen, Tonband - wurde jahrelang gesammelt und gebündelt. Verfremdet und erneut abgefilmt. Digitalisiert, bis das digitale Rauschen in einer Weise hervortritt, die so zuvor nicht zu sehen war. Die Filmemacherin arbeitet mit vielschichtigen Bildern, Ausblendungen, digitalen Übermalungen. Nichts, wirklich rein gar nichts erinnert an irgendetwas, was man ansonsten gemeinhin mit "Armenien" in Verbindung bringen könnte. Jedes Ikon wird umgangen und für ungültig erklärt; statt dessen neue Bilder, die ikonenhaften Anspruch für sich schon deshalb nicht behaupten können, weil sie im digitalen Rauschen in die Flüchtigkeit versiegen. Dazwischen: Begegnungen und Details, die faktisch bleiben. Hier, in dieser Umgebungen, können sie aufatmen. Errettungen im Strom des Ephemeren.
Die Tonspur ist suggestiv, zuweilen ambient, dann Soundkollagen. Der Voiceover der Filmemacherin bleibt oft nur Flüstern. Zwischen all dem auch akustischen Rauschen geht ein Satz wie "I travelled to Armenia to experience this country's essence" fast unter. Über allem liegt jedoch eine Frauenstimme, traditioneller Gesang. Ihre Tonqualität scheint naturalistisch. Ein mythischer Background, der dem in den Trümmern seiner eigenen Geschichte liegenden Land ("I have seen the worst days on Earth" sagt eine Alte, mit Händen, die man so noch nie gesehen hat) eine Grundierung, einen Rest Nationalgefühl gibt? Das letzte Bild zeigt die Sängerin: Vor einer weißen Wand, um die richtigen Töne bemüht. Die Insinuierung des Mythos Armeniens findet nicht statt.
Von wo wird gefilmt? Auch dieser Punkt bleibt oft unklar. Einige Sequenzen unterstreichen deutlich: Die Kamera steht nicht an jener Stelle, die das Bild nahelegt. Ein Foto ist das, auf einem Monitor. Vor diesem steht die Kamera. Die differente Frequenz irritiert die Bildstabilität. Es flimmert, flickert. Das Medium schiebt sich dazwischen. Wie steht es dann mit statischen Bildern?
Stone Time Touch irritiert, desorientiert. Das Bild "Armenien" ist hier nicht zu finden, es existiert nur in der Vorstellung; das vorgefunden Faktische ist mit dem Bild nicht in Einklang zu bringen; indem es seine eigene Visualität beständig untergräbt, deren Medialität unentwegt in den Vordergrund der Bildebene hebt, handelt Stone Time Touch mit Präzision von diesem Widerstreit. Was ist das, Geschichte? Zunächst einmal: Tinte auf Papier. Eine Textur auf dem Stein. Sie liegt zum Greifen nahe. Und Armenien? Ein Trümmerfeld der Geschichte.
Stone Time Touch ist der Film, mit dem mein Festival begann. Es hätte danach enden können, ich hätte mich um nichts betrogen gefühlt.
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