Mit dem dritten Tag kommt das Festival nun langsam in Fahrt, erste Routine schleicht sich ein. Aber auch erste Müdigkeitserscheinungen - der an sich sympathisch wirkende Ichijiku no kao wird von mir in der Abendvorführung lediglich überbrückt, aber kaum wahrgenommen.

Ein paar schöne, eigenartig entrückte Bilder hat der Film zu bieten, und viele skurrile Einfälle. Ganz wunderbar gelungen ist die musikalische Untermalung, soviel habe ich noch mitbekommen. Für einen konkreten Nachvollzug der sehr sprunghaften und offenbar ohnehin episodisch angelegten Handlung war ich dann aber doch zu matt. Plötzlich war der Vater tot - und ein anderer da? Hä?

Eines der Bilder, die mir die letzten Tage nicht aus dem Kopf gehen:Nach dem Fotoshooting vor der Pressekonferenz der Jury schlägt sich Mario Adorf an der offenen Türe das Gesicht an.

Im Kino läuft Willem Dafoe an mir vorbei und flachst mit Paul Schrader, der deshalb anscheinend wohl auch an mir vorbeigelaufen ist (wäre ja sonst komisch).

Der Skandal der Berlinale ist, dass es kein Wasser vom (offenbar abgesprungenen) Sponsor mehr für die Journalisten gibt. Das Thema - das Wasser ja leider nicht - ist in aller (Akkreditierten) Munde. Wer mit trocken' Maul in trocken' Forums-Filmkunst sitzt, wünscht sich glatt Birne-Maracuja und Ananas-Papaya (oder wie die ganzen - und dann auch noch angesüßten - Pastiche-Mixe der letzten Jahre genannt wurden) zurück.

Die Internet-Ticket-Schlangen werden immer länger. Ich erinnere mich dunkel an Zeiten, da holte ich mir die Tickets via Kreditkarte und Internet und holte das dann zügig bei unverschämt unterbeschäftigten Counter-Angstellten ab. Heute holt man sich den Kram im Internet - und wartet dann in den Arkaden nochmal zwei Stunden beim Abholen.

Stefan und Ekkehard laufen im CineMaxx aneinander dicht an dicht vorbei und es hätte ja doch keinen Zweck, beide davon verbal zu unterrichten. Zu weit weg.

Am Potsdamer Platz ist es abends nun arschkalt. Also doch noch Winter.

Thomas Vorberg von satt.org drückt mir endlich das Belegexemplar seines Fanzines in die Hand. Vor einem Jahr hatte ich zum Kritikerspiegel beigesteuert, das Heft ist denn auch kurz nach dem Festival erschienen. Er hätte ja gewusst, dass er mich irgendwann mal sieht, sagt er, als wir einander begegnen, und zieht es aus der Umhängetasche. Vielleicht sollte ich doch mal wieder auf eine Pressevorführung jenseits der Berlinale gehen.

Was ich auch nicht verstehe: Dass sich die Leute die Hacken blöde stehen - um sich eine Karte für einen Film von Robert De Niro zu ziehen, der ohnehin während des Festivalbetriebs regulär anläuft. Dafür lohnt sich das!

Die Leute vom ZDF wohnen in so seltsamen Wohnwägen unweit des Marlene-Dietrich-Platzes, die aussehen wie Alu-Dosen aus den 50er Jahren. Oder so. Hallo, Konservenfernsehen!

Die Gesänge der Zikaden, die mir letztes Jahr erstmals in Nobuo Nakagawas einem (Name vergessen) Samuraifilm als Hintergrund-Sound so wirklich aufgefallen sind, tauchen auch weiterhin in asiatischen, und vor allem japanischen Filmen auf. Wäk-Wäk-Wäk-Wääääk schnattern die Viecher. Eine seltsame Klang-Kartografie, hallo Weltkino.

Ansonsten ist das Festival von einer seltsamen Lässigkeit gezeichnet. Meine Filme widersprechen einander nicht im Zeitplan. Ich habe jeden Tag mindestens zwei zumindest vielversprechende und empfohlene Filme auf dem Schedule. Der Wettbewerb ist so schnurz, dass es mich nicht wundern täte, würde die Jury am letzten Tag klammheimlich abreisen, um der Schmach, öffentlich einzuräumen, dass sie die Bären lieber selbst behalten als solchen Filmen zu geben, zu entgehen. Das Gewese um den Wettbewerb ist so unglaublich weit weg, wenn man sich vor allem im Saal 5 des Cinemaxx tummelt.


° ° °




kommentare dazu:



orcival, Sonntag, 11. Februar 2007, 13:00
vielleicht troestet es dich ja zu hoeren, dass man "Ichijiku no kao" auch dann nicht plausibler fand, wenn man noch nicht ganz so durch war.

war irgendwie eher einer der filme bei denen man sich aergert in der mitte der reihe gelandet zu sein und nicht schon wieder alle zwingen will aufzustehen...

soralis, Sonntag, 11. Februar 2007, 15:38
Dazu fühl ich mich von deinen Beiträgen, wie auch denen des Perlentauchers, außerordentlich gut unterhalten und informiert.



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