Ein Beichtstuhl auf einer Theaterbühne. Billige Kulisse. Zu dessen linken Flügel einige Mülltonnen, die obszön mit Plastiksäcken überquellen, von denen wir lieber nicht wissen wollen, was in ihnen ist (vermutlich Babywindeln oder alte Lockenwickler mit ranzigem Fett, vielleicht aber auch nur die verklebten, schwulen Pornohefte, die von Elternhand entsorgt wurden). Zum rechten Flügel steht dort ein lächerliches Gewächs mit violetten Blüten. Ringsum dann alles billiges Satin-Imitat, Mehr als all das braucht es nicht für einen guten Film und vielleicht den witzigsten des ganzen Festivals. Früher brauchte man schließlich auch keine Drehgenehmigungen, um in den Wäldern ringsum Baltimore einen Wohnwagen abzufackeln. Aus dem Beichstuhl tritt John Waters, und er spricht zur Gemeinde.

Sein Anzug ist schwarz, dessen Kanten weiß nachgefahren. Sein Kinderschänder-Schnauzer - eine feinste Linie über der Oberlippe, kein Härchen darüber hinaus - ist so akkurat rasiert wie eh und je. John Waters' Metier ist der "purposeful bad taste" - und dieser will durch Stilbewusstsein errungen werden; eine eiserne Disziplin bildet die Grundlage.

John Waters also spricht - und darin erschöpft sich This Filthy World denn auch. Weder Ausschnitte aus seinen Filmen, keine Gäste, kein footage und auch sonst nichts jenseits reinster Funktionalität, die nur das gesprochene Wort transportiert.

Zum Glück! Denn Waters ist vielleicht der begnadetste Entertainer, den man sich derzeit wünschen kann. Und seine Bio- und Filmografie bilden einen Fundus, aus dem sich lustvoll schöpfen lässt; ob man nun zu den bereits in die schmutzige Welt des John Waters Eingeweihten zählt - oder hier erst seine Initiation erlebt.

Waters erzählt Anekdoten aus all seinen Filmen, erwähnt Personen, spricht aus seiner Jugend und den ersten Versuchen, Filme zu drehen. In seinem ersten Kurzfilm findet auf dem Dach seiner Eltern eine 'gemischtrassige' Hochzeit statt, wobei einer der beiden Eheleute zugleich auch dem Ku-Klux-Klan angehört. Er hätte ja gar nicht gewusst, dass es so etwas wie Montage gibt, sagt Waters, man filmt halt, und am Ende kommt aus der Kamera der Film. Was dann auch so in etwa der Fall war, fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu.

Waters' Filme waren immer Auslotungen des Limits - und von Limits erzählt er allenthalben. Mal wurden sie überschritten, mal hält er eisern an ihnen fest. Singende Arschlöcher und Scheißefressen zählen noch zu den ikonischsten Momenten in seinem Werk; am bizarrsten aber ist sicher die Vergewaltigung von Divine in einem Film - der Vergewaltiger wird ebenfalls von dem fettleibigen Transvestiten gespielt, Montage macht es möglich.

Wer auf sowas nicht kann, hat bei Waters schon verloren. Sein understatement in This Filthy World sucht dabei nie das bloß Grelle und Stumpfe. Waters' ist ein Gentleman und Onkel - ein Gentleman mit dirty pictures aber, und ein Onkel, der Kindern böse Wörter beibringt.

Natürlich andern sich die Zeiten. Die Lesben, die seinerzeit einen Feldzug gegen seinen Film über Lesben führten, zeigen den selben Film heute auf ihren Veranstaltungen, bemerkt Waters süffisant. Heute sind die Zeiten politisch korrekter denn je, vielleicht gerade deshalb, weil Transgression als Markenoutfit in jedem H&M erhältlich und also zu öder Pomade für gelangweilte Mittelschichtler geronnen ist. Die anarchischen Qualitäten vor allem des frühen (und, mit etwas Abstrich, des späten) John Waters weisen indes bis heute einen shock value auf, der beißt - und dabei hämisch grinst. Eine ordentliche Dosis davon täte allen gut - genauso wie die lesbian butches, die Waters zu seinen Freunden zählt, in verantwortlicher Position: "They would find Bin Laden!"

Inmitten des oft so unerträglich kulturbeflissenen Festivals mit seinem sozialdemokratisch abgehangenen PC-Sloganeering ist dieses punk movie in Charade eine Oase für den Freund des bösen Scherzes. Und damn funny obendrein: Ehrlich, ich habe Tränen gelacht.

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» John Waters - Backlinks
Pink Flamingos - Trailer



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