Durchaus hübsche Cop-Serie, die man sich natürlich nicht in der (allerdings wohl von BBC für den internationalen Markt selbst) verhunzten Fassung im deutschen Fernsehen anschauen sollte. Vorzuziehen wäre die britische DVD-Box, die die erste Staffel ungeschnitten bringt und natürlich mit dem wunderbaren Originalton - feinstes British English - kommt.

Die narrative Prämisse ist fast schon unverschämt naiv - aber eben auch auf effektive Weise simpel: Ein Cop in der Jetzt-Zeit jagt einen Serienkiller. Dabei kommt es zu einem fiesen Autounfall. Der Cop wacht im Jahr 1973 auf - und darf nun rätseln, ob er tatsächlich einen Zeitsprung gemacht hat oder im Koma liegt. (letzteres wird durch regelmäßige, innerdiegetisch durch mediale Übermittlung motivierte Einschübe auf der Tonspur zumindest sehr deutlich nahegelegt)

Selbstverständlich bringt dies, zumal in der ersten Folge, muntere Turbulenzen mit sich ("Where's my mobile...?" - "Mobile what?" - "... Phone!" - "What??"), auf die die Serie regelmäßig zu sprechen kommt; allerdings beschränkt sich Life on Mars - im übrigen wirklich nach David Bowies wundervollem Song benannt - dankenswerterweise nicht darauf. Im Gegenteil rückt der Zeitsprung-Komplex auffallend deutlich an den Rand des Geschehens und ist eher als Mystery-Kolorit zu verstehen.

Vielleicht lässt sich dieser Aspekt aber auch einfach als (dann aber schon fast erfrischend unverschämtes) Zugeständnis auffassen: Eine Copserie, die im Jahr 1973 spielt, dürfte - trotz allem Reiz, den das mit sich bringt - wohl nicht ohne weiteres Selbstverständlichkeit für sich beanspruchen; dennoch ist Life on Mars vor allem eben dieses: Eine Copserie, die im Jahr 1973 spielt. Das Hauptaugenmerk liegt deutlich auf den (in sich abgeschlossenen) kriminalistisch motivierten Plots um Geiselnehmer, Totschlag und Serienkiller. Denn auch im Jahr 1973 ist unsere Hauptfigur ein Cop - der sich allerdings erst in die ihm völlig fremde "Ermittlungskultur" der frühen 70er einfühlen muss. Sein 'Gegenspieler' in der Polizeieinheit ist "Guv", ein widerwärtiger - aber eben sympathisch widerwärtiger - versoffener Cop, der am Tatort eher draufhaut als nach der Forensik zu rufen. Aus dem Widerstreit der Methoden, Ansichten und Ehtiken bezieht Life on Mars ein Gutteil seines narrativen Reizes; zumal, da sich mit Fortschreiten der Serie nicht nur Annäherungen der beiden untereinander ergeben, sondern auch Marotten liebgeworden werden: Wenn "Guv" einen Verdächtigen festnehmen lassen will, delegiert er das barsch an einen Beamten weiter unten in der Rangliste. Als der fragt, für was, antwortet "Guv" einfach nur: "Make something up on your way!"

Daneben gibt es für den Retro- und Vintagefreund ordentlich was zu schauen: Kleidung, Frisuren, Einrichtungsgegenstände und Autos ergeben ein ungemein stylishes Bild, dem aber ein interessanter Spagat gelingt: Freilich ist da bildoptische Faszination für den Stil vergangener Dekaden zu spüren, ein bloßes Nostalgie-Pastiche im Sinne eines Film gewordenen coffee table books für Geschmacksmenschen oder gar eines 70er Katalogs ist Life on Mars indes nicht geworden: Häufig spielt die Serie in den Hintergassen und Nebenstraßen Manchesters, nahe der Fabriken, und unter sozial eher schlecht gestellten Bevölkerungsschichten. Im Bonusmaterial der DVD erläutert der Regisseur der ersten Folgen denn auch, dass es ihm nicht darum gegangen sei, die 70er gewissermaßen als Boutique zu etablieren; dass die 70er vor allem auch eine sozial sehr problematische Zeit gewesen sind, in denen eben nicht jeder mit schicken Retro-Lederjacken durch's Leben stolzierte, sei eine seiner Vorgaben für's Drehen gewesen. Im Verbund mit der höchst aktuellen Inszenierungsweise ergibt sich ein stark vitaler Eindruck, der postmodernen style zwar nicht explizit verneint, sich aber auch nicht blindlings in dessen Fallen verirrt.

Von höchst ambitionierten Entwürfen wie Lost oder Battlestar Galactica ist Life on Mars sicher ein gutes Stück entfernt; eher ist die Serie als gute Unterhaltung auf recht ordentlichem Niveau einzuschätzen. Man muss sich erst ein wenig mit ihr anfreunden, ihre Figuren kennenlernen und sich in dieser Welt orientieren, bevor sich wirklicher Reiz ergibt (bei mir ergab sich das etwa in der dritten oder vierten Folge); dann aber ist es eine große Freude, den sorgfältig gezeichneten Figuren, den liebevoll in Szene gesetzten Sets und den gut konstruierten Einzelplots beim Sich-Entfalten zuzuschauen.

Achtmal rund eine Stunde Fernsehspaß mit Gimmick - geht okay! Eine zweite, die Serie dann wohl auch abschließende Staffel ist in Großbritannien soeben gestartet.

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kommentare dazu:



goncourt, Sonntag, 25. Februar 2007, 17:20
Sympathisch daran finde ich, dass das eine raffinierte Möglichkeit ist, "Streets of San Francisco" o.ä. neu/weiter zu drehen. Was mir ein bisschen aufstößt, vielleicht bin ich da auch nur sehr empfindlich, ist manchmal der Subtext: wie fortschrittlich heutige Polizeimethoden seien - der moderne Cop, der als wissenschaftlich vorgehender Saubermann in eine grobschlächtige Vergangenheit gerät (changiert natürlich auch wieder: der Saubermann, der ruhig ein bisschen rustikalen Schliff vertragen könnte).

Kann natürlich sein - ich hab jetzt nur ein paar Folgen auf deutsch gesehen - dass darin umgekehrt nur Serien wie CSI parodiert werden, das hätte dann auch schon eine gewisse Komik (den CSI-Einsatzleiter in eine Haudegen-Truppe der 70er Jahre zu versetzen, bzw. den jungen Cop, der sich an CSI begeistert).


bogeyscigarette, Donnerstag, 1. März 2007, 02:20
Stimmt, so nicht ganz. Nicht immer hat des "modernen" Cops Methode die Oberhand. Die Serie zeigt wohl eher einen Mittelweg, als Königsweg an.


bogeyscigarette, Donnerstag, 1. März 2007, 02:21
Wobei ich auch nur die unsynchronisierte/geschnittene(?) Fassung kenne.



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