Thema: radio
Egg City Radio ist ein neuer Podcast [feed], der aus dem Projekt Post Punk Junk hervorgegangen ist. Sehr toll ist die zweite Sendung, die sich ganz der Filmmusik von John Carpenter widmet, deren stringenten und atmosphärischen Minimalismus ich schon immer sehr bewundert habe. Dazu passt, dass ich Carpenter als Regisseur in den letzten Tagen des vergangenen Jahres in einer kleinen 'Privat-Retro' wieder für mich entdeckt habe. Schon leicht jenseits der Schwelle zu seiner Post-Klassik ergab sich dazumal, in den 80er Jahren, nochmals eine Art dialektisches Straucheln des klassischen Kinos mit sich selbst. Ein eigenartiges, nicht zuletzt auch höchst unterhaltsames Vexierbild, das mir Carpenter retrospektiv als einen meiner liebsten Regisseure Hollywoods erschloss.
Aber egal, wie gesagt, zweite Folge, John Carpenter als Komponist.
° ° °
kommentare dazu:
franz fuchs,
Montag, 26. März 2007, 22:20
Danke für diesen Link! Ich schätze Carpenter sehr, vielleicht sogar wider besseren Wissens, denn in meinen schwächeren Momenten kommt es mir frustrierenderweise vor, als würde man bei ihm Genre, Genre und noch einmal nur Genre bekommen (ohne inhaltlichen Mehrwert). Meine Lieblingsaspekte an seinen Filmen sind seine klassischen, ausgeklügelten Bildkompositionen und - erraten - die Filmmusik. Aus dieser Sicht ist es besonders schade, daß Carpenter in den letzten Jahren gerade die visuelle Könnerschaft irgendwie abhanden gekommen zu sein scheint. Ich denke da zB an seinen Vampir-Film von (IIRC) 1997, der über weite Strecken sogar ungeschickt wirkt, was die Bildsprache betrifft. (Vielleicht wird diese Grundtendenz durch illegitime Schnitte bei der TV-Ausstrahlung verstärkt?)
Vor kurzen habe ich für einen Freund einige Seiten aus Frank Schnelles "Suspense Schock Terror. John Carpenter und seine Filme" (Verlag Robert Fischer 1991) exzerpiert und hier ist nun eine gute Gelegenheit, einige Passagen zu zitieren (Seiten 39-40 und 48). Gute Gelegenheit, weil es eine durchaus diskutierenswerte Theorie ist, daß Carpenter sich nie mehr von den weiter unten angesprochenen Mißerfolgen erholt hat.
---
Die großen Hoffnungen Universals, mit THE THING einen Sommerhit des Jahres
1982 zu landen, erwiesen sich bald nach dem Start am 23. Juni als
unbegründet. Nur Dank der hohen Kopienzahl spielte der Film innerhalb der
ersten drei Wochen immerhin 13,8 Millionen Dollar ein, verschwand dann aber
schnell aus den Kinos. Da Filme sich für die Produktionsgesellschaften in
der Regel erst dann rentieren, wenn sie mehr als das Dreifache ihrer Kosten
einspielen, bedeutete dies für Universal einen gigantischen Flop, Carpenters
erstes kommerzielles Desaster war perfekt. Die meisten Kritiker hatten die
ungewöhnlich expliziten Spezialeffekte zum Anlaß genommen, den Film
hemmungslos zu verreißen, einhellig vertraten sie die Meinung, Carpenter sei
diesmal zu weit gegangen. Einen weiteren Faktor für das Desinteresse des
Publikums an Carpenters düsterer Horror-Arbeit erläutert Stuart Cohen:
"Womit niemand gerechnet hatte, war ein E.T.-'Leerlauf'. THE THING ist die
Rückseite von E.T., und die Reaktion auf Stevens (Spielbergs) Film schwächte
uns. Ich glaube nicht, daß irgendjemand in Amerika in diesem Sommer die
Rückseite sehen wollte. Das Timing hätte nicht schlechter sein können."
Und Carpenter über die neue Erfahrung, die Kritiker und das Publikum gegen
sich zu haben: "Es ware eine rauhe Zeit. Ich war sehr verbittert. Ich mußte
mich und meine Arbeit neu bewerten. (...) THE THING war einfach zu stark für
diese Zeit. (...) Unglücklicherweise habe ich den Geschmack des Publikums
nicht in Betracht gezogen.Für mich hatte der Film viele wichtige Dinge über
das Leben zu sagen, aber vielleicht ist das für einige Leute nicht so
unterhaltsam wie für andere."
Hollywood duldet alles, nur nicht den Mißerfolg. Universal Vertrauen in
Carpenters Fähigkeiten war nach dieser Schlappe erschöpft. Plötzlich
erschien dem Studio die fest geplante nächste Zusammenarbeit, die Verfilmung
des Stephen-King-Romans "Firestarter", zu riskant. Bill Lancaster hatte das
Drehbuch bereits geschrieben; das Budget sollte mit 17 Millionen Dollar noch
höher liegen als bei THE THING. Die Begründung des Studios lautete schlicht
und einfach, das Projekt sei zu teuer. Zwar bestritt man einen Zusammenhang
mit Carpenters Fehlschlag, doch das gehört in solchen Fällen wohl zum guten
Ton.
Carpenter, der sein vertraglich zugesichertes Gehalt (nach einer Notiz der
Zeitschrift "Cinema" immerhin 850.000 Dollar) komplett einstreichen konnte,
reagierte verletzt. Er spielte vorübergehend mit dem Gedanken, sich aus dem
Filmgeschäft zurückzuziehen, und verweigerte, von einer Ausnahme für die
"Cahiers Du Cinema" abgesehen, der Presse für nahezu drei Jahre jegliches
Interview. 1985 resümierte er über diese Phase: "Ich hinterfragte meine
Fähigkeiten, meine Vorstellungen und was ich mit meinem Leben tun wollte.
Ich wußte nicht, ob ich weiter Regie führen wollte, weil ich so verletzt
war. Es gibt andere Dinge, die mir wichtig sind. Ich wußte, ich könnte
genauso gut mit etwas anderem meinen Lebensunterhalt bestreiten."
[...]
(S. 48)
Über die Ursachen für Carpenters unübersehbaren Niedergang, der mit THE
THING begann und mit BIG TROUBLE IN LITTLE CHINA seinen ästhetischen und
kommerziellen Tiefpunkt erreichte, ist viel spekuliert worden. War er ein
weiteres Beispiel für den klassischen Fall des jungen, unabhängigen
Regisseurs, den das Hollywood-System für sich vereinahmen und domestizieren
konnte? Hatte sein kreatives Potential sich bereits mit seinen ersten Filmen
erschöpft? Oder hemmte ihn die Rolle des Auftragshandwerkers, der einerseits
unter bestmöglichen finanziellen Bedingungen arbeitet, andererseits dabei
aber die vielbeschworene kreative Kontrolle verliert? Bei BIG TROUBLE IN
LITTLE CHINA setzte ihn das Studio nach Beendigung der fünfzehnwöchigen
Dreharbeiten unter enormen Druck, die _post production_ in nur zehn Wochen
zu absolvieren - für einen Film dieser Größenordnung ein lächerlich kurzer
Zeitraum. Der Grund dafür war, daß Michael Ritchie fast gleichzeitig das
Eddie-Murphy-Vehikel THE GOLDEN CHILD (Auf der Suche nach dem goldenen Kind, 1986) für Paramount drehte und darin ein ähnliches Sujet behandelte. Die Fox bestand daher auf einem Start in Juli 1986, um dem für die Weihnachtszeit
angekündigten und für kommerziell vielversprechender gehaltenen Murphy-Film
an den Kinokassen zuvorzukommen. Diese Rechnung ging allerdings nicht auf.
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Vor kurzen habe ich für einen Freund einige Seiten aus Frank Schnelles "Suspense Schock Terror. John Carpenter und seine Filme" (Verlag Robert Fischer 1991) exzerpiert und hier ist nun eine gute Gelegenheit, einige Passagen zu zitieren (Seiten 39-40 und 48). Gute Gelegenheit, weil es eine durchaus diskutierenswerte Theorie ist, daß Carpenter sich nie mehr von den weiter unten angesprochenen Mißerfolgen erholt hat.
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Die großen Hoffnungen Universals, mit THE THING einen Sommerhit des Jahres
1982 zu landen, erwiesen sich bald nach dem Start am 23. Juni als
unbegründet. Nur Dank der hohen Kopienzahl spielte der Film innerhalb der
ersten drei Wochen immerhin 13,8 Millionen Dollar ein, verschwand dann aber
schnell aus den Kinos. Da Filme sich für die Produktionsgesellschaften in
der Regel erst dann rentieren, wenn sie mehr als das Dreifache ihrer Kosten
einspielen, bedeutete dies für Universal einen gigantischen Flop, Carpenters
erstes kommerzielles Desaster war perfekt. Die meisten Kritiker hatten die
ungewöhnlich expliziten Spezialeffekte zum Anlaß genommen, den Film
hemmungslos zu verreißen, einhellig vertraten sie die Meinung, Carpenter sei
diesmal zu weit gegangen. Einen weiteren Faktor für das Desinteresse des
Publikums an Carpenters düsterer Horror-Arbeit erläutert Stuart Cohen:
"Womit niemand gerechnet hatte, war ein E.T.-'Leerlauf'. THE THING ist die
Rückseite von E.T., und die Reaktion auf Stevens (Spielbergs) Film schwächte
uns. Ich glaube nicht, daß irgendjemand in Amerika in diesem Sommer die
Rückseite sehen wollte. Das Timing hätte nicht schlechter sein können."
Und Carpenter über die neue Erfahrung, die Kritiker und das Publikum gegen
sich zu haben: "Es ware eine rauhe Zeit. Ich war sehr verbittert. Ich mußte
mich und meine Arbeit neu bewerten. (...) THE THING war einfach zu stark für
diese Zeit. (...) Unglücklicherweise habe ich den Geschmack des Publikums
nicht in Betracht gezogen.Für mich hatte der Film viele wichtige Dinge über
das Leben zu sagen, aber vielleicht ist das für einige Leute nicht so
unterhaltsam wie für andere."
Hollywood duldet alles, nur nicht den Mißerfolg. Universal Vertrauen in
Carpenters Fähigkeiten war nach dieser Schlappe erschöpft. Plötzlich
erschien dem Studio die fest geplante nächste Zusammenarbeit, die Verfilmung
des Stephen-King-Romans "Firestarter", zu riskant. Bill Lancaster hatte das
Drehbuch bereits geschrieben; das Budget sollte mit 17 Millionen Dollar noch
höher liegen als bei THE THING. Die Begründung des Studios lautete schlicht
und einfach, das Projekt sei zu teuer. Zwar bestritt man einen Zusammenhang
mit Carpenters Fehlschlag, doch das gehört in solchen Fällen wohl zum guten
Ton.
Carpenter, der sein vertraglich zugesichertes Gehalt (nach einer Notiz der
Zeitschrift "Cinema" immerhin 850.000 Dollar) komplett einstreichen konnte,
reagierte verletzt. Er spielte vorübergehend mit dem Gedanken, sich aus dem
Filmgeschäft zurückzuziehen, und verweigerte, von einer Ausnahme für die
"Cahiers Du Cinema" abgesehen, der Presse für nahezu drei Jahre jegliches
Interview. 1985 resümierte er über diese Phase: "Ich hinterfragte meine
Fähigkeiten, meine Vorstellungen und was ich mit meinem Leben tun wollte.
Ich wußte nicht, ob ich weiter Regie führen wollte, weil ich so verletzt
war. Es gibt andere Dinge, die mir wichtig sind. Ich wußte, ich könnte
genauso gut mit etwas anderem meinen Lebensunterhalt bestreiten."
[...]
(S. 48)
Über die Ursachen für Carpenters unübersehbaren Niedergang, der mit THE
THING begann und mit BIG TROUBLE IN LITTLE CHINA seinen ästhetischen und
kommerziellen Tiefpunkt erreichte, ist viel spekuliert worden. War er ein
weiteres Beispiel für den klassischen Fall des jungen, unabhängigen
Regisseurs, den das Hollywood-System für sich vereinahmen und domestizieren
konnte? Hatte sein kreatives Potential sich bereits mit seinen ersten Filmen
erschöpft? Oder hemmte ihn die Rolle des Auftragshandwerkers, der einerseits
unter bestmöglichen finanziellen Bedingungen arbeitet, andererseits dabei
aber die vielbeschworene kreative Kontrolle verliert? Bei BIG TROUBLE IN
LITTLE CHINA setzte ihn das Studio nach Beendigung der fünfzehnwöchigen
Dreharbeiten unter enormen Druck, die _post production_ in nur zehn Wochen
zu absolvieren - für einen Film dieser Größenordnung ein lächerlich kurzer
Zeitraum. Der Grund dafür war, daß Michael Ritchie fast gleichzeitig das
Eddie-Murphy-Vehikel THE GOLDEN CHILD (Auf der Suche nach dem goldenen Kind, 1986) für Paramount drehte und darin ein ähnliches Sujet behandelte. Die Fox bestand daher auf einem Start in Juli 1986, um dem für die Weihnachtszeit
angekündigten und für kommerziell vielversprechender gehaltenen Murphy-Film
an den Kinokassen zuvorzukommen. Diese Rechnung ging allerdings nicht auf.
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tschill,
Dienstag, 27. März 2007, 19:38
"...eine Art dialektisches Straucheln des klassischen Kinos mit sich selbst..." Öh, wie jetzt genau?
Lustig. Gerade letzte Woche zum ersten Mal den Soundtrack von *The Fog* gehört und mir ist da, nach etlichen Sichtungen des Films, zum ersten Mal, aufgefallen, wie wunderbar die Musik die Bilder in sich trägt. Bei aller Verehrung für Carpenters Umgang mit dem Cinemascopeformat, die Bilder ohne Ton funktionieren nicht. Aber die schauerliche Abgeschiedenheit Antonio Bays, das von den Geistern der Vergangenheit durchflutet wird, ja, das spürt man auch in der Musik.
Und Carpenter mag vielleicht sein Gespür für Inszenierung verloren haben, aber der richtige Spirit, der ihn zum Outlaw in Amerika machte, den hat er nie verloren. Der scheint selbst bei den grottigeren Filmen am Ende seiner Karriere durch.
Lustig. Gerade letzte Woche zum ersten Mal den Soundtrack von *The Fog* gehört und mir ist da, nach etlichen Sichtungen des Films, zum ersten Mal, aufgefallen, wie wunderbar die Musik die Bilder in sich trägt. Bei aller Verehrung für Carpenters Umgang mit dem Cinemascopeformat, die Bilder ohne Ton funktionieren nicht. Aber die schauerliche Abgeschiedenheit Antonio Bays, das von den Geistern der Vergangenheit durchflutet wird, ja, das spürt man auch in der Musik.
Und Carpenter mag vielleicht sein Gespür für Inszenierung verloren haben, aber der richtige Spirit, der ihn zum Outlaw in Amerika machte, den hat er nie verloren. Der scheint selbst bei den grottigeren Filmen am Ende seiner Karriere durch.
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