But my heart is busted now I'll die faster.
Her music's been done, her songs have been sung.
- The Van Pelt: His Saxophone is my Guitar.
Die SMS meiner Freundin erreichte mich vorhin auf Arbeit. So ich denn morgen früh Zeit hätte, solle ich vorbei kommen, schrieb sie, "unserm Mäuschen" - das ist unsere Ratte, genannt Radieschen - war es heute nicht so gut gegangen. Vielleicht nur falscher Alarm. Vielleicht ein Abschied.
Angefangen hatte es vor rund drei Wochen. Da entdeckten wir die erste Murmel an ihrem Hinterbeinchen. Innenseite. Tumor. Rattenschicksal, ab einem gewissen Alter. Unser Mäuschen ist nicht ganz zweieinhalb und bestätigt so die Statistik für solche Fälle. Natürlich war sie zuletzt auch älter geworden. Ein grauer Bart am Kinn. Es hüpft nicht mehr. Gemächlich geworden, ruht viel. Aber die Barthaare und Augen, beide witzig geblieben, neugierig auf alles. Und der Hunger erst, den unser kleiner Flatsch - wohlgenährt ist sie ja schon - immer und andauernd hat, wenn irgendwo geräuschvoll was zu essen ausgepackt wird.
Zunächst dachten wir: Das ist so klein, das kriegt man noch weg, operativ. Am nächsten Tag gab es keinen Tierarzt in Friedrichshain und Umgebung, der keinen Anruf von uns erhalten hätte. Allüberall dasselbe: In dem Alter, auch wenn sie rüstig ist, die Ratte, zwecklos. Entweder Quälerei oder das Tier wacht gar nicht mehr auf. Dann war da noch ein zweiter Tumor: Keine Murmel, eher ein Schwamm, am anderen Hinterbeinchen. Den kriegt man gar nicht weg, meinten die Experten. "Machen Sie dem Tier ein paar schöne letzte Wochen. Manche leben noch einige Monate mit einem Tumor. Und wenn es sich zu quälen beginnt, verabschieden Sie sich, ersparen Sie dem Tier das Schlimmste."
Nie hat ein Tier mein Herz derart erobert wie das Radieschen. Vom ersten Tag an, als es ganz frisch angekommen auf dem Küchentisch saß und scheu nach links und rechts schaute, hatte ich einen Narren daran gefressen. In meinem Bekannten- und Freundeskreis kam kaum einer drumrum, sich meine gesammelten Handyfotos anzukucken. Mein ganzer Stolz, das kleine Tier. Man macht sich ja gar keinen Begriff davon, was für ein Glück es ist, am Morgen davon geweckt zu werden, dass ein kleiner Fluff von einem Fellball hektisch an einem entlang wuselt (das Tier lebt frei in der Wohnung meiner Freundin, deshalb). Oder aber, wenn man Sonntag morgens bis mittags weder Drang noch Dringlichkeit verspürt, das Bett zu verlassen, weil man von der Sonne angestrahlt wird und die Augen noch gar nicht offen hat, und wenn dann, zu dieser Ruhe, sich plötzlich das emsige Trappsen kleiner Nagetierpfötchen auf Teppichboden hinzugesellt, weil der kleine Fratz gerade sein Nest verlassen hat und auf Nahrungssuche gegangen ist. Drippdrippdrippeldidripp-drippdripp drippldrippldrippld-dripp. Gefolgt vom Knusperknabbern, wenn der Futtertrog schließlich erreicht ist. Oder aber ein Kratzen und Ziehen, weil sich das Tier an der Matratze hochzieht und mit unter die warme Decke möchte. Guten Morgen, Maus, ja, ich bin auch schon wach, lass mich noch die Augen öffnen, dann bin ich da.
Sein verspieltestes Thema hat Ennio Morricone im Titellied von Mein Name ist Nobody untergebracht. Da steckt viel Witz und Neugier drin, wenn das Lied erst zu drippeln beginnt und schließlich die Flöten einsetzen. Ich kann nicht anders, als in diesem Lied nur noch das kleine Mäuschen zu sehen, wie es noch ganz jung war: Hallo, Welt, da bin ich, was hast Du für mich zu bieten, in Deinen Ecken und Winkeln? Dapp-dadapp-da-dapp-dada-dappdapp.
Radieschen hat mir eine kindliche Qualität von Freude zurückgegeben. Dafür bin ich ihm dankbar. Ich werde mich morgen verabschieden müssen, wahrscheinlich.
Es tut weh. Auf meinen Lippen der Geschmack von Salz. Mach's gut, kleine Maus.
Nachtrag: Heute nachmittag, so gegen halb vier, tat das Herz unseres Mäuschens seinen letzten Schlag. Es entschlummerte, dank einer Spritze, sanft in den Händen und unter den Liebkosungen meiner Freundin. Dem waren Stunden des Abschieds mit vielen Tränen und Zärtlichkeiten vorausgegangen. Ich hatte dem Mäuschen nochmals Sahne vom Vanillepudding mitgebracht, die es immer so gern mochte. Näschert wie eh und je hatte es mir diese von der Fingerkuppe geschleckt, da glomm nochmals der alte Eifer in seinen Augen auf.
kommentare dazu:
Wenn sie denn mal verschwunden sind, ist das nicht viel anders, als wenn ein Freund verschwindet. :-(
Ich drück euch drei die Daumen...
drip...
Auf den alten Eifer guter Freunde.
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