29.03.2004, Kino Intimes

Ich bin mit meinem Latein am Ende. Nachdem ich diesen Film gestern in der Tat (selten war diese Floskel passender) über mich habe ergehen lassen, rechnete ich eigentlich damit, bei einer Nacharbeit der Filmkritiken des Feuilletons auf ähnliche Ablehnung zu stoßen. Doch, Pustekuchen! Wie man hier nachlesen kann herrschte einhellige Begeisterung für den Film. Was habe ich falsch gemacht? Welche stimulierenden Drogen waren im gratis Kaffee bei den Pressevorführungen? God knows ...

Wie auch immer. Dass mit diesem Film irgendwas nicht stimmt, wird eigentlich schon schnell ersichtlich. Wer seinen Film mit einer derart verkrampft lässigen Weck-Szene beginnen lässt, wird wohl auch im weiteren Verlauf nur wenig Geschick haben, sowas wie Esprit entstehen zu lassen. Wer derart aufdringlich den Charme heruntergekommener East-Village-Kleinstwohnungen mit Bohème-Appeal für seinen Film ausbeutet, hat in der Regel was zu verbergen (und wenn es nur eklatanter Mangel ist). Wer dann wiederum, als Gegenentwurf, die (im Vergleich relativ) bürgerliche Familie der New Yorker Ausreißerin derart verkrampft auf skurril, bzw. "mit Macke" inszeniert hat damals nicht Roseanne im Fernsehen gesehen und hat die Vorführung von Wes Andersons The Royal Tenenbaums (USA 2001) geschwänzt. Oder schlimmer noch: Beides wurde gesehen, aber nicht verstanden, geschweige denn verinnerlicht. Wie auch immer: Schlechte Kopie, aufdringliche Kopie, peinliche Kopie.

Und dann der Look. Hallo, Independentfilm! Und die anderen Bewohner dieses Miethauses. Hallo, Independentfilm! Beziehungsweise: Hallo, Zutaten für einen Independentfilm! Alles, wirklich alles in diesem Film ist mühsam zusammengeklaubt, irgendwie untergebracht, aber weder charmant verflochten noch gewinnbringend eingesetzt. Ein großer Reigen an Möchtegern-Skurrilität und Mid-90er-Arthouse-Verve, der noch nichtmal genug Talent mitbringt, seine Zitationen und Anlehnungen souverän zu handlen. Alles wird ins Bild gezerrt, kurz gezeigt, ein wenig Revue, dann aber wieder schnell weg damit: Der dicke Schwarze einen Stock tiefer brummelt etwas, weil er Fertigsuppen nicht mag. Dann die Öko-Schickse im Stock drüber: "Nein, ich bin Veganerin, hier kannst Du keinen Truthahn braten!", Tür knallt zu, Chance vergeben, ein paar Aufkleber an der Tür - "Save the whales!", "Nader for President!" - hallen etwas nach, weiter zum nächsten, allerdings behäbig, nicht etwa im Screwball-Takt: Das ist dann ein analer Spießer, wie er im Buche steht, der macht für zwei, drei Minuten etwas Stimmung und ist dann auch schon wieder vergessen. Alles äußerst egal.

Und am Ende dann große Versöhnlichkeit. Mit der Familie, mit dem Haus, mit dem verzogenen Kinde und dessen schwarzen Boyfriend. Passenderweise im Schnappschuß-Look vorgetragen. Mehr als ein durchkalkulierter Schnellschuß ist dieser durch und durch langweilige Film auch nicht.

imdb | mrqe | angelaufen.de | filmz.de


° ° °




kommentare dazu:



argh, Samstag, 3. April 2004, 22:40
falls es dich beruhigt:
ich hab' das ding zwar nicht ganz durchgehalten, kann insofern nicht wirklich kompetent und legitim kritik äußern, aber - die erste halbe stunde war schon so unerträglich, daß ich mich bereits da gefragt habe, woher die überschwenglichen vorbesprechungen kamen. deine rezension bestärkt mich aber endlich darin, nicht noch einen weiteren ansehversuch zu starten. danke. :-)


thgroh, Montag, 5. April 2004, 18:49
Das beruhigt mich in der Tat. :-))



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