Donnerstag, 15. Februar 2007

Ein Fallschirmkandidat ist einer, der im Wahlkampf für einen Posten einspringt, der in letzter Sekunde frei geworden ist. Der Tokioter Yamauchi Kazuhiko beispielsweise: In Kawasaki herrscht Wahlkampf und die Liberale Demokratische Partei hat keinen Kandidaten organisieren können. Politisch so unerfahren wie unbeholfen zieht er binnen kürzester Zeit samt Gattin in die neue Stadt. Sein Studienfreund Kazuhiro Soda, der Regisseur des Films, nutzt die Chance - und drehte einen Dokumentarfilm über den teils haarsträubenden Wahlkampf: Campaign.

Zwischen Irrsinn und menschlicher Tragödie scheint in diesem ungemein dicht gefilmten Dokument alles möglich: Yamauchi Kazuhiko stresst sich menschenmöglichst - und erhält dennoch Tadel von den "sensei", den Parteioberen, die seinen Wahlkampf von der Warte herab steuern, kaum zu glauben ist der Elan, mit der der eigentlich gar nicht mehr so junge - immerhin 40 Jahre alte - Kandidat ausnahmslos jedem Menschen auf der Straße die Hände schüttelt und finanziell seine ganze Existenz aufs Spiel setzt. Am Abend bleibt der Gang in die eigene Wohnung, die trostlos eingerichtet ist: Mit seiner Gattin teilt er sich geschätzte 12 Quadratmeter.

Man kann das Forum für Dokumentarfilme solcher Art eigentlich nicht genug preisen: Mit erstaunlicher Konsequenz und Beharrlichkeit bugsiert die Sektion alljährlich mindestens einen höchstspannenden asiatischen Dokumentarfilm in sein Programm, der ungeahnte Ansichten der alltäglichen Welt des fernen Kontinents ermöglicht. War es im letzten Jahr Dear Pyongyang, so gestattet nun Campaign diese ganz eigene Erfahrung. "And it's funny", sagt der (ungemein sympathische) Regisseur vor der Vorführung, "so you can laugh, it's a movie!"

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Ein Geheimnis liegt in diesem Film. Nicht in seinen Bildern, die klar bleiben, präzise. Aber der Ton schlägt oft schrecklich hart ins Bild, von Außen. Der Donnerschlag eines Düsenjägers als Schock, der die Welt entrückt. Die Welt ist hier, zunächst, das Umland um Magdeburg, Wittenberge, sozusagen eine "Petzold-Gegend" (Petzold drehte hier auch schon früher): flach, mehr oder weniger profillos, man kann sich in ihr zurechtfinden. Der Schlag des Düsenjägers straft dies Lügen.

Eine Frau, Yella, zieht von Wittenberge nach Hannover. Ein neuer Job ist in Aussicht, Probezeit. Und sie flieht vor ihrem Gatten, den wir gleich zu Beginn als aggressives Arschloch kennenlernen. Er fängt sie ab, nimmt sie im Auto mit - Unfall an der Brücke, Sturz in den Fluss. Yella steigt aus dem Wasser, rennt zum Bahnhof: Weiter.

In Hannover stellt sich die Situation anders dar: Das Unternehmen ist in Auflösung. Yella lernt einen anderen Mann kennen, ein neuer Job winkt. Man lernt sich kennen, lernt zu arbeiten, bald auch Sex. Doch an Yella nagt's: Die Welt ist seit dem Sturz ins Wasser nicht mehr dieselbe. Das Geheimnis nimmt sich Raum.

Mit Yella dringt Petzold in die Welt der melancholischen Romantik vor - und dreht doch keinen Film, der im klassischen Sinne 'romantisch' wäre. Das sich säuselnd Phantasmen hingebende ist ihm als Geste völlig fremd. Keine Schatten durchziehen Yella: So farbig, so hell ausgeleuchtet, so satt an Detail war ein Petzold-Film bislang noch nie.

Mit ungeheurer Präzision lässt Petzold das Unheimliche in diese Räumlichkeiten dringen. Was auf der Tonspur stattfindet ist schlicht fabelhaft. Auch mise-en-scène und Kadrierung sind auf der Höhe der Kunst, Nina Hoss als Darstellerin ohnehin über jeden Zweifel erhaben: Sie verleiht der Figur der Yella, die mit dem Leben davonkommt und doch darüber im Zweifel ist, mit unglaublicher Präsenz und Intensität.

Was Petzold gelingt, ist großartig: Eine Gespenstergeschichte, die ihre Ursprünge gleichermaßen im 19. Jahrhundert wie in Herk Herveys großartigem B-Movie Carnival of Souls findet, die von beiden Quellen die Präzision in der Subvertierung vertrauter Koordinaten übernimmt, und doch ganz here and now ist. Im Transferpunkt zwischen West und Ost - Petzold drehte den Film letztes Jahr während der WM und wollte dem, wie er auf der Pressekonferenz sagt, "etwas entgegen setzen" - entsteht eine flirrende interzone, die zumindest mir den Atem raubte.

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Die ersten Bilder: Ansichten des Parlamentgebäudes in Idaho - Repräsentation von Politik und Demokratie. Die Fotografie einer Fabrik aber, sagte Brecht, bietet noch kein Verständnis dessen, was eine Fabrik, zumal im Kapitalismus, ist. Was ist Demokratie? Was Politik? State Legislature wagt den Schritt über die Schwelle an der Tür.

Eine Schulklasse besucht das Regierungsgebäude, ein Abgeordneter heißt sie willkommen. Er erklärt, dass die Volksvertreter hier nur wenige Monate im Jahr regieren, also Gesetzesentwürfe diskutieren und verabschieden. Jeder von ihnen ist "ein ganz normaler Bürger von Idaho", es ergebe sich ein Querschnitt der Bevölkerung. Die 105 Politiker könnten unmöglich "von allem" Ahnung haben, es entwickeln sich Experten und Expertisen, das Fundament bildet das politische Vertrauen untereinander.

Schrittweise nähert sich State Legislature den politischen Diskussions- und Entscheidungsprozessen an. Lobbyisten melden sich zu Wort, Bürger aus der Bevölkerung. Allenthalben wägt man ab. Man merkt schnell, wie wichtig die Rhetorik ist und wie stark auf die Geschichte der USA geachtet wird, als welcher historisch erkämpfte Wert die constitution betrachtet wird: Kaum eine Ansicht, die nicht mit ihr argumentiert wird - ob nun pro oder contra ein bestimmtes Anliegen. Zwar kann man kann sich wohl sicher sein, dass Wiseman den Akzent auch gerade auf inhaltlich spannende Debatten gelegt hat - es geht um das Einspruchsrecht der Anwohner wider neue Molkereien, um Rauchverbot in öffentlichen Plätzen und Video-Voyeurismus mithilfe neuester Medien- und Distributionstechnologien -, doch ist schnell offenkundig, dass diese Debattenkultur, so kleinteilig sie zuweilen scheint, nicht das geringste mit denen zu tun hat, die in heimischen Gefilden von Phoenix aus dem Bundestag übertragen werden.

Allzu europäisch dünkelnde Kollegen lachen deshalb während der Pressevorführung an einigen Stellen mit aller Arroganz der Opfer hiesiger autokratischer Politkultur auf. Zum Beispiel an jener Stelle, als ein besorgter Bürger - offenbar ausgebildeter Historiker -, sich in einer öffentlichen Anhörung in der Sache um ein Denkmal für das us-amerikanische Kulturerbe zu Wort meldet: Das Denkmal beinhaltet offenbar auch eine Textsammlung, und der Historiker mahnt nicht berücksichtigte, aber grundlegende Texte an: Dazu gehören nicht nur zahlreiche Stichwortgeber der founding fathers, sondern auch, führt er weiterhin aus, Texte aus der griechischen und römischen Antike. Wie vollkommen richtig dieser Mann liegt, offenbart sich gerade im Nachvollzug der politischen Einzeldiskussionen - jede Abwägung wird historisch und rhetorisch artikuliert -, der Journalistendünkel kennt hier indes nur den Spott; der Rabbi, der sich zuvor zu Wort gemeldet und in den Diskurs eingebracht hat, dass die Zehn Gebote nicht mit aller Selbstverständlichkeit in christlicher Reihenfolge aufgeführt werden sollten, wurde im Kinosaal von denselben ähnlich belächelt. Vielleicht offenbart sich gerade an dieser Schnittstelle der entscheidende Unterschied zwischen amerikanischen und europäischen Politikverständnis.

Dieselben europäischen Kritiker werden wohl auch darauf insistieren, dass Wiseman hier eine "Kritik" des us-amerikanischen Poltikverständnisses gefilmt habe; dem ist keineswegs so. Vielmehr zeigt Wiseman mit ruhigem, unaufgeregten Blick die Welt der demokratischen Entscheidungsprozesse mit allen Stärken und Schwächen, ohne sich aber irgendeine Seite zueigen zu machen. Der Pauken- und Trompetenstil jüngster Polit-Dokumentarfilme, denen Meinung und Propaganda schon von vorneherein wichtiger ist als Erhebung und Analyse eines Sachverhaltes, könnte von der Wiseman'schen Innenbetrachtung einer gesellschaftlichen Institution nicht weiter entfernt sein. Die fast dreieinhalb Stunden Spielzeit, die State Legislature seinem Zuschauer abverlangt, vergehen dabei wie im Fluge und lassen das ganze apparative Setting des Kinobesuchs vergessen, so konzentriert und präzise arbeitet sein Regisseur: Nichts ist spannender als die Wirklichkeit. Ihrem seit mittlerweile fast 40 Jahren tätigen und vielleicht wichtigsten Chronisten kann man für solche Dokumente nur unendlich dankbar sein.

Doch was wird durch Anschauung einer Institution erkannt, wenn deren Strukturen auch im vorliegenden Film in erster Linie durch Personen und deren politisch-rhetorisches Handeln repräsentiert werden? Wiseman scheint diese Frage nicht direkt zu stellen, aber er lässt sie einfließen: Immer wieder rückt das eigentliche Rückgrat einer solchen Institution für einige konzentrierte Einstellungen in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit: Eine Angstellte sortiert vor einem ganz physischen Nachrichtenverteiler Communiqués und Bulletins ein, eine andere bedient einen Kopierer. Immer wieder kommen Nachrichtenboten in die Sitzungen und verteilen - mal gelbe, mal weiße - Papierblätter. Sekretärinnen sitzen vor Windows-betriebenen Rechnern. Ein derart umfassender, oft im kleinlichen und kleinlichsten sogar notwendig sich artikulierender Apparat, der auf abstrahierte Wirklichkeit Zugriff benötigt und sich auf diese, in seinen Entscheidungen, bezieht, muss notwendigerweise auf ein ausgeklügeltes Nachrichten- und Kommunikationssystem basieren. Dies, vielleicht, ist die eigentliche Wirklichkeit und Basis der Entscheidungsprozesse, die hier in Ausschüssen, Nebenräumen und offiziellen Büros vonstatten gehen. Nicht zuletzt ist auch auffallend, dass sich hier die eklatanteste Grenze zwischen den Geschlechtern ziehen lässt. Wiseman ist sich zumindest der Existenz dieser beiden Sphären im hinreichenden Maße bewusst, um sie als stumme Hinweise einzuschieben: Den Nachrichtenverteilern bleibt man zwar fern in diesem Film, aber ein zweiter Film schimmert in diesen Momenten durch.

State Legislature schließt mit einem doppelten Höhepunkt: Der eine ist eine Auseinandersetzung um die gleichgeschlechtliche Ehe, welche die Institution der Volksvertretung selbst an ihre eigenen prinzipiellen Schranken treibt - man spürt die Ernsthaftigkeit, das institutionelle Bewusstsein jedem Moment, jedem Beitrag ab: Ein Demokratie-Krimi, der gefangen nimmt. Der zweite schließlich ist ein Nachruf auf eine Abgeordnete, die an Krebs verstorben ist. Ein Dudelsackspieler tritt auf und spielt ein Trauerstück. Seine Füße setzen sich in Bewegung, er läuft durch den Plenarsaal, aus der Türe hinaus, diese wird geschlossen, Schwarzblende: Directed, Edited and Produced By Frederick Wiseman, Arte France, erfahren wir noch vor der Pressevorführung im Statement, das auf deren Drängern verlesen werden muss, hat den Film zwar ko-produziert, in dieser Fassung aber nicht angenommen.

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In der taz von morgen gibt's ein Interview mit Charles Burnett, dessen im Forum als Spezialvorführung terminierten Killer of Sheep ich herausragend fand. Der Film stammt aus den 70ern und wird nun als restaurierte Fassung gezeigt; die Chancen auf eine DVD-Veröffentlichung stehen vermutlich eher schlecht - ungeklärte Musiktitelrechte - , deshalb sollten Sie den noch in Erwägung ziehen, es lohnt sich.

Und dann noch eines: Die annähernd vier Stunden lange Dokumentation State Legislature von Frederick Wiseman am Abend, sie war großartig, nichts weniger. Wenn Sie noch ein Ticket kriegen können (die Chancen, den Film in diesem Leben jenseits des Festivals nochmal sehen zu können, stehen, naja, nicht unbedingt bei 0, aber schon sehr, sehr tief), dann sollten Sie sich das nicht entgehen lassen! Mehr hierzu vermutlich morgen.


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Dienstag, 13. Februar 2007
Vielleicht auch lohnenswert mag der schnelle Klick zum Blog des Internationalen Forums sein. Hier posten zahlreiche Regisseure der in der Sektion vertretenen Filme Notizen zum Festival, zu ihren Filmen usw.


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Für morgen steht Christian Petzolds herbeigesehnter Yella auf dem Wettbewerbsprogramm - und damit der erste für mich (im Sinne eines Filmwettbewerbs) wirklich interessante Film der Sektion.

Man hat es ja munkeln hören, dass Yella ein Remake des großartigen B-Horrorklassikers Carnival of Souls sei, bzw. von diesem Film im entscheidenden Maße beeinflußt. Wer mag, kann alte Erinnerungen vor der Sichtung auffrischen:



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Zu den großen Schmankerln der Berlinale, bzw. des Internationalen Forums, zählt die kleine Übersichtsschau über das Schaffen des japanischen Regisseurs Okamoto Kihachi. Während des Festivals ist nicht daran zu denken, die Filme zu sehen (sie werden entweder im weitentfernten Delphi oder zu vorgerückter Stunde im CineStar gezeigt), weshalb ich froh darüber bin, dass alle Filme nach dem 18. Februar nochmals regulär im Arsenal aufgeführt werden.

Bis dahin besteht die Möglichkeit, das Artwork zu den Filmen des Regisseurs im Filmhaus am Potsdamer Platz in einer kleinen Ausstellung einzusehen. Weitere Informationen dazu hier.



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Ein Beichtstuhl auf einer Theaterbühne. Billige Kulisse. Zu dessen linken Flügel einige Mülltonnen, die obszön mit Plastiksäcken überquellen, von denen wir lieber nicht wissen wollen, was in ihnen ist (vermutlich Babywindeln oder alte Lockenwickler mit ranzigem Fett, vielleicht aber auch nur die verklebten, schwulen Pornohefte, die von Elternhand entsorgt wurden). Zum rechten Flügel steht dort ein lächerliches Gewächs mit violetten Blüten. Ringsum dann alles billiges Satin-Imitat, Mehr als all das braucht es nicht für einen guten Film und vielleicht den witzigsten des ganzen Festivals. Früher brauchte man schließlich auch keine Drehgenehmigungen, um in den Wäldern ringsum Baltimore einen Wohnwagen abzufackeln. Aus dem Beichstuhl tritt John Waters, und er spricht zur Gemeinde.

Sein Anzug ist schwarz, dessen Kanten weiß nachgefahren. Sein Kinderschänder-Schnauzer - eine feinste Linie über der Oberlippe, kein Härchen darüber hinaus - ist so akkurat rasiert wie eh und je. John Waters' Metier ist der "purposeful bad taste" - und dieser will durch Stilbewusstsein errungen werden; eine eiserne Disziplin bildet die Grundlage.

John Waters also spricht - und darin erschöpft sich This Filthy World denn auch. Weder Ausschnitte aus seinen Filmen, keine Gäste, kein footage und auch sonst nichts jenseits reinster Funktionalität, die nur das gesprochene Wort transportiert.

Zum Glück! Denn Waters ist vielleicht der begnadetste Entertainer, den man sich derzeit wünschen kann. Und seine Bio- und Filmografie bilden einen Fundus, aus dem sich lustvoll schöpfen lässt; ob man nun zu den bereits in die schmutzige Welt des John Waters Eingeweihten zählt - oder hier erst seine Initiation erlebt.

Waters erzählt Anekdoten aus all seinen Filmen, erwähnt Personen, spricht aus seiner Jugend und den ersten Versuchen, Filme zu drehen. In seinem ersten Kurzfilm findet auf dem Dach seiner Eltern eine 'gemischtrassige' Hochzeit statt, wobei einer der beiden Eheleute zugleich auch dem Ku-Klux-Klan angehört. Er hätte ja gar nicht gewusst, dass es so etwas wie Montage gibt, sagt Waters, man filmt halt, und am Ende kommt aus der Kamera der Film. Was dann auch so in etwa der Fall war, fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu.

Waters' Filme waren immer Auslotungen des Limits - und von Limits erzählt er allenthalben. Mal wurden sie überschritten, mal hält er eisern an ihnen fest. Singende Arschlöcher und Scheißefressen zählen noch zu den ikonischsten Momenten in seinem Werk; am bizarrsten aber ist sicher die Vergewaltigung von Divine in einem Film - der Vergewaltiger wird ebenfalls von dem fettleibigen Transvestiten gespielt, Montage macht es möglich.

Wer auf sowas nicht kann, hat bei Waters schon verloren. Sein understatement in This Filthy World sucht dabei nie das bloß Grelle und Stumpfe. Waters' ist ein Gentleman und Onkel - ein Gentleman mit dirty pictures aber, und ein Onkel, der Kindern böse Wörter beibringt.

Natürlich andern sich die Zeiten. Die Lesben, die seinerzeit einen Feldzug gegen seinen Film über Lesben führten, zeigen den selben Film heute auf ihren Veranstaltungen, bemerkt Waters süffisant. Heute sind die Zeiten politisch korrekter denn je, vielleicht gerade deshalb, weil Transgression als Markenoutfit in jedem H&M erhältlich und also zu öder Pomade für gelangweilte Mittelschichtler geronnen ist. Die anarchischen Qualitäten vor allem des frühen (und, mit etwas Abstrich, des späten) John Waters weisen indes bis heute einen shock value auf, der beißt - und dabei hämisch grinst. Eine ordentliche Dosis davon täte allen gut - genauso wie die lesbian butches, die Waters zu seinen Freunden zählt, in verantwortlicher Position: "They would find Bin Laden!"

Inmitten des oft so unerträglich kulturbeflissenen Festivals mit seinem sozialdemokratisch abgehangenen PC-Sloganeering ist dieses punk movie in Charade eine Oase für den Freund des bösen Scherzes. Und damn funny obendrein: Ehrlich, ich habe Tränen gelacht.

» imdb ~ YouTube
» John Waters - Backlinks
Pink Flamingos - Trailer



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... schreibt Sulgi Lie ausführlich in dem neuen, ebenfalls viel von der Berlinale berichtenden Blog Solange es Menschen gibt (äh, nich so guter Name, find ich, aber egal, is ja content wo wichtig)

Auf der Berlinale ist Hongs Woman on the Beach im Panorama zu sehen.


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Keine Ahnung, ob es daran liegt, dass heutige Kameras/heutiges Filmmaterial eine höhere Bildauflösung erreichen. Oder dass man heute einfach näher an den Figuren filmt.

Jedenfalls: Pickel. Pickel sind das Stilmittel dieses Festivaljahrgangs. In jedem zweiten Film sind sie zu sehen. In den Close-Ups. Wie Markierungen der Authentizität. "Dies ist das echte Leben" soll das sagen. Weil: So ein Pickel würde ja weggemacht werden, von der Maske. Also bewusste Entscheidung? Oder einfach nur kein Geld, um einen Drehtag zu vergeuden, bis die Pubertätszierde wieder verschwunden ist?

Dieses Jahr aber sind sie in voller Pracht zu sehen: Manche mit weißen Kuppen, manche nur ekel rot. Mal nur kleine, aber vorhandene Renitenzen wider die ebenmäßige Gesichtsfläche. Mal im Winkel zwischen Wange und Nase, mal im unteren Bereich des Dreitagebarts. Und alle Welt hat Pickel dieser Tage: Man sieht sie im deutschen Film, im amerikanischen Film, im koreanischen Film.

Ob es einen Sonderbären für den prächtigsten Pickel geben wird, wird sich gegen Ende des Festivals weisen. Die offiziellen Stellen halten sich dahingehend bislang bedeckt.


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lol