Thema: Hoerspiele
24. Juni 04 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
gehört am 24.06.2004 auf Bayern 2, per Stream
Michael Farin bearbeitet seit einiger Zeit Hörspielremakes deutscher Filmklassiker der Weimarer Republik, mit Hauptaugenmerk auf die Werke Fritz Langs. Neben Dr.Mabuse wurde so auch schon Metropolis für den Hörfunk aufbereitet. Seine jüngste Arbeit verdichtet erfolgreich historische Dokumente über Serienkiller und Triebtäter jener Zeit mit Samples aus dem Film und neuinszenierten Szenen mit namhaften Sprechern. Als musikalische Grundierung dienen wabernde Soundscapes aus der Welt der Clicks'n'Cuts und des Ambients.
Farin zeichnete auch als Drehbuchautor von Karmakars höchst intensivem Film Der Totmacher verantwortlich und gibt demnächst im eigenen Verlag Belleville den Band Die Haarmann-Protokolle heraus, der die Karmakars Film zugrunde liegenden Dokumente über den Serienmörder Fritz Haarmann versammelt. Farin weiß deshalb, dass ein Projekt wie dieses Hörspiel immer auch Kommentar zur Rezeptionsgeschichte des Serienmörder-Phänomens ist: Die ist schon seit langer Zeit durchdrängt von Pulp- und True-Crime-Kultur, archivierendem "Fan-Wissen", naiven Psychologisierungen, Alltagsmythen und soziopolitischen Anknüpfungspunkten, wie beispielsweise die Frage nach der Handhabe solcher Menschen. Fiktionalisierendes, fiktives, authentisches durchmischt sich bis zur Ununterscheidbarkeit, der Blick auf das authentische Phänomen erscheint selbst entsprechend verzerrt.
Farin skizziert nun mit seiner Arbeit einen Versuch, dieses Geflecht aufzudröseln, seine "Zutaten" voneinander zu separieren, ohne dabei aber das Geflecht an sich zu zerteilen: Samples aus Fritz Langs Film, der eindeutig schon zur Rezeption des Falls Haarmanns und vergleichbarer Fälle zu zählen ist, bilden das narrative Gerüst, das Skelett, auf dem Fleisch aus historischen Aktenbergen aufgetragen wird und das durch weitreichende Ergänzungen gestützt wird. Klangästhetisch ist das alles deutlich voneinander separiert: Der knarzige Ton der Filmszenen beißt sich beinahe schon auf klangfarblicher Ebene mit den fiktionalen Szenen, die neueingesprochen wurden. Doch beides vermischt sich, wenn Filmdialog mit Hörspieldialog zu interagieren beginnt: Die Filmsamples sind Klangillustration und Dokumentation der Rezeption gleichermaßen. Darüber ein nüchterner, beinahe schon schmerzlich unbeteiligter Erzähler, der mit sachlicher, emotionsloser Simme Details der Bewegungen erläutert und deren Raum erschließt: Hände, die sich auf Schultern bewegen. Beifall, der in den aufwallendsten Momenten gegeben wird (ohne dass wir den an sich hören würden, nur ihn, den Erzähler, monoton, beinahe schon im Reportagenstil). Kleinste Verschiebungen im Gesichtsausdruck. Oft sind es nur Details im Millimeterbereich, auf die der Zuhörer verwiesen wird, die zum einen Souveränität über die Situation vortäuschen, zum anderen aber, da sie ausschließlich Äußerlichkeiten wiedergeben, ohne diese durchdringen oder gar in eine sinnstiftende Ordnung einpflegen zu können, als Eingeständnis mangelnder Souveränität zu lesen sind. Schon fast nebendran: Das knarzige Hörspiel, das sich auf die Ermittler konzentriert und beinahe schon Hard boiled ist, und, natürlich, das monotone Vorlesen von grausigen Autopsieberichten.
Immer im Hintergrund, aber stets präsent: Das monotone Pulsen und Wabern des Sounds, hier und da unterbrochen von abgehakten Rhythmen. Eine schaurige Atmosphäre, die sich dadurch bildet, die im Kontrast zum allgemein sezierenden Charakter des Hörspiels eine dramatische Einheit vorzugeben scheint. Ein Grundgefühl hinter dem Begriff "Serienkiller", ein gruseliger Punkt in den Diskursen, wo das Authentische und das Fiktive mit erschauderndem Effekt aufeinandertreffen. Der Sound bildet zum einen die Kulisse, vor der der Serienkillerdiskurs aufgedröselt wird, zum anderen aber markiert sie auch, parallel zum Ineinanderübergehen der einzelnen Bausteine, das Scheitern einer solchen Vorgehensweise, das sich schon in der Betitelung selbst abzeichnet, wenn ein fiktiver Stoff als Bezugspunkt gewählt wird, um das Verhältnis von Authentischem und Fiktiven zu untersuchen. Dieses Eingeständnis, dieses Wissen, macht das Hörspiel, neben allem gelungenen Effekt, zu einem klugen noch dazu.
Michael Farin bearbeitet seit einiger Zeit Hörspielremakes deutscher Filmklassiker der Weimarer Republik, mit Hauptaugenmerk auf die Werke Fritz Langs. Neben Dr.Mabuse wurde so auch schon Metropolis für den Hörfunk aufbereitet. Seine jüngste Arbeit verdichtet erfolgreich historische Dokumente über Serienkiller und Triebtäter jener Zeit mit Samples aus dem Film und neuinszenierten Szenen mit namhaften Sprechern. Als musikalische Grundierung dienen wabernde Soundscapes aus der Welt der Clicks'n'Cuts und des Ambients.
Farin zeichnete auch als Drehbuchautor von Karmakars höchst intensivem Film Der Totmacher verantwortlich und gibt demnächst im eigenen Verlag Belleville den Band Die Haarmann-Protokolle heraus, der die Karmakars Film zugrunde liegenden Dokumente über den Serienmörder Fritz Haarmann versammelt. Farin weiß deshalb, dass ein Projekt wie dieses Hörspiel immer auch Kommentar zur Rezeptionsgeschichte des Serienmörder-Phänomens ist: Die ist schon seit langer Zeit durchdrängt von Pulp- und True-Crime-Kultur, archivierendem "Fan-Wissen", naiven Psychologisierungen, Alltagsmythen und soziopolitischen Anknüpfungspunkten, wie beispielsweise die Frage nach der Handhabe solcher Menschen. Fiktionalisierendes, fiktives, authentisches durchmischt sich bis zur Ununterscheidbarkeit, der Blick auf das authentische Phänomen erscheint selbst entsprechend verzerrt.
Farin skizziert nun mit seiner Arbeit einen Versuch, dieses Geflecht aufzudröseln, seine "Zutaten" voneinander zu separieren, ohne dabei aber das Geflecht an sich zu zerteilen: Samples aus Fritz Langs Film, der eindeutig schon zur Rezeption des Falls Haarmanns und vergleichbarer Fälle zu zählen ist, bilden das narrative Gerüst, das Skelett, auf dem Fleisch aus historischen Aktenbergen aufgetragen wird und das durch weitreichende Ergänzungen gestützt wird. Klangästhetisch ist das alles deutlich voneinander separiert: Der knarzige Ton der Filmszenen beißt sich beinahe schon auf klangfarblicher Ebene mit den fiktionalen Szenen, die neueingesprochen wurden. Doch beides vermischt sich, wenn Filmdialog mit Hörspieldialog zu interagieren beginnt: Die Filmsamples sind Klangillustration und Dokumentation der Rezeption gleichermaßen. Darüber ein nüchterner, beinahe schon schmerzlich unbeteiligter Erzähler, der mit sachlicher, emotionsloser Simme Details der Bewegungen erläutert und deren Raum erschließt: Hände, die sich auf Schultern bewegen. Beifall, der in den aufwallendsten Momenten gegeben wird (ohne dass wir den an sich hören würden, nur ihn, den Erzähler, monoton, beinahe schon im Reportagenstil). Kleinste Verschiebungen im Gesichtsausdruck. Oft sind es nur Details im Millimeterbereich, auf die der Zuhörer verwiesen wird, die zum einen Souveränität über die Situation vortäuschen, zum anderen aber, da sie ausschließlich Äußerlichkeiten wiedergeben, ohne diese durchdringen oder gar in eine sinnstiftende Ordnung einpflegen zu können, als Eingeständnis mangelnder Souveränität zu lesen sind. Schon fast nebendran: Das knarzige Hörspiel, das sich auf die Ermittler konzentriert und beinahe schon Hard boiled ist, und, natürlich, das monotone Vorlesen von grausigen Autopsieberichten.
Immer im Hintergrund, aber stets präsent: Das monotone Pulsen und Wabern des Sounds, hier und da unterbrochen von abgehakten Rhythmen. Eine schaurige Atmosphäre, die sich dadurch bildet, die im Kontrast zum allgemein sezierenden Charakter des Hörspiels eine dramatische Einheit vorzugeben scheint. Ein Grundgefühl hinter dem Begriff "Serienkiller", ein gruseliger Punkt in den Diskursen, wo das Authentische und das Fiktive mit erschauderndem Effekt aufeinandertreffen. Der Sound bildet zum einen die Kulisse, vor der der Serienkillerdiskurs aufgedröselt wird, zum anderen aber markiert sie auch, parallel zum Ineinanderübergehen der einzelnen Bausteine, das Scheitern einer solchen Vorgehensweise, das sich schon in der Betitelung selbst abzeichnet, wenn ein fiktiver Stoff als Bezugspunkt gewählt wird, um das Verhältnis von Authentischem und Fiktiven zu untersuchen. Dieses Eingeständnis, dieses Wissen, macht das Hörspiel, neben allem gelungenen Effekt, zu einem klugen noch dazu.
M - Eine Stadt sucht einen Mörder (BR/DLF 2003)
nach Fritz Lang/Thea von Harbou; Bearbeitung: Michael Farin;
Komposition: Laar/Zeitblom; Regie: Bernhard Jugel
Mit Burchard Dabinnus, Eva Gosciejewicz, Gert Heidenreich, Pamina Füting, Alexandra Maetz, Axel Milberg und den Hauptdarstellern aus dem gleichnamigen Spielfilm.
Spielzeit: 55’35
nach Fritz Lang/Thea von Harbou; Bearbeitung: Michael Farin;
Komposition: Laar/Zeitblom; Regie: Bernhard Jugel
Mit Burchard Dabinnus, Eva Gosciejewicz, Gert Heidenreich, Pamina Füting, Alexandra Maetz, Axel Milberg und den Hauptdarstellern aus dem gleichnamigen Spielfilm.
Spielzeit: 55’35
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