Thema: Filmtagebuch
04.02.2005, Heimkino
Ich habe auf diese Sichtung fast zwei Jahre gewartet. Erwartungen: keine. Die beste Haltung, einem Film zu begegnen, dessen man lange nicht habhaft wurde. Hoffnungen? Zugegeben, viele. Ich halte Buffalo '66 für ein begnadetes Stück eigenbrötlerisches Independent-Kino und Gallo selbst, bei allen politischen Differenzen, für eines der letzten exzentrischen Künstlerwesen, die sich diesen Status noch erlauben dürfen. Natürlich waren da die Kontroversen in Cannes. Die waren abzusehen und an sich auch nicht aussagekräftig. Dann kam eine begeisterte Kritik eines geschätzten Filmfreundes zur letzten Berlinale, wo der Film nur im mir nicht zugänglichen Filmmarkt zu sehen war, und dann natürlich tauchte der Film auf vielen, geschätzten Top-2004-Listen auf. Sogar auf denen mancher Kritiker, die sich in Cannes nicht einkriegen konnten mit ihren Schmähreden. Gestern dann, endlich, war es soweit.
*

Langverweilende Bilder und Einstellungen. Nicht so sehr erzählende, eher zeigende. Understatementhaft, zumal nach dem ästhetisch hoch- und durchkonzipierten Buffalo '66. Eine Leere, die sich in der Weite und oft Relieflosigkeit der Landschaft spiegelt und, wie zu sehen sein wird, mit der im Protagonisten, Gallo selbst, korresondiert. Eine Leere, die schuldzerfressen ist.
*

Bud Clay ist Motorradrennfahrer. Er zieht durch's Land, von Rennen zu Rennen. Versuche von Affären am Straßenrand. Charisma und höllisch gutes Aussehen (der Mann ist 41!) hat er für zwei. Küsse, dann Tränen. Die Intimitäten zerbrechen, bevor sie überhaupt beginnen. Weiter durch's Land. Am Ende der Verlust, "mono-dialogisch" gezeigt, eine Rückblende noch darin selbst. Standbild, aus.
*

Lichtstrahlen fallen ins Bild, ergeben Flächen, Punkte, Spiele im Bild. Immer wieder der Blick nach vorne aus dem Buick, durch die Scheibe, auf der sich Schmutz und tote Insekten ausmachen lassen. Die Sonne blitzt noch kurz auf, bevor sie hinter dem Berg verschwindet. Karge Landschaften, Musik wie aus anderen Zeiten (und natürlich geht es auch hier, wie bei Buffalo '66 immer um das, was nicht mehr im Nostalgiebild zu fassen zu kriegen ist, wie also das Bild, das von Vergangenheit durchtränkt ist, Wesentliches der Vergangenheit eigentlich verdrängt, ungreifbar macht. Es ist ein instinktiv kluger, kein konzeptionell-intellektueller Umgang mit dem Bild in der Geschichte seines Protagonisten, den Gallo hier an den Tag legt.). Man könnte kurz an einen Western denken, dem Genre, das von der Landschadt maßgeblich lebt. Doch wo im Western die Landschaft und die Frau bezwungen werden muss, ist Gallos Held kein Westerner. Er ist vielmehr einer, der die bereits endlos durchmessene, unendlich oft eroberte Landschaft einmal mehr durchreist, immer auf der Suche nach dem, was noch jenseits dessen liegen könnte, dabei aber immer in der Landschaft, im Bild, in seinem Leben bleiben muss. Ein Tableauartiges Bild in der Salzwüste, bestimmt von der Horizontlinie, davor der Buick, das Motorrad, Gallo, dessen Kopf milimetergenau die Horizontlinie tangiert, wie auch die Oberkante des Wagens dies tut. Er fährt hinaus in das Weiß der Wüste, verschwimmmt, wird Teil von ihr, erreicht aber nichts Neues. Melancholisches Folgebild: Der Wagen, wie er enttäuscht sich von dieser Sphäre abwendet, nicht aber verlässt.

*
Narzismus, Moralität? Nein. Und wenn schon.

*
An einer Stelle erinnert mich der Film an Two-Lane Blacktop. Und natürlich an Gerry. Auch wenn alle drei nur wenig eint, streichen ihre Membrane an manchen Stellen aneinander.
*
Keine Geschichte im klassischen Sinne. Und vor allem: Keine Psychologie. Zumindest nicht im Narrativ. Wohl aber in den Bildern und ihrer Organisation. Die Leerstelle, das Trauma, ist anwesend durch Abwesenheit. Die mangelnde pathologische Ebene des Films ist dabei klarer Vorteil, ein weiteres Indiz für seine Klugheit.
*
Ich liebte es, diesen schönen Film im großen Kino zu sehen. Das ist mein Wunsch für die nächsten Jahre.
imdb | offizielle Website | vincentgallo.com | galloappreciation.com

Ich habe auf diese Sichtung fast zwei Jahre gewartet. Erwartungen: keine. Die beste Haltung, einem Film zu begegnen, dessen man lange nicht habhaft wurde. Hoffnungen? Zugegeben, viele. Ich halte Buffalo '66 für ein begnadetes Stück eigenbrötlerisches Independent-Kino und Gallo selbst, bei allen politischen Differenzen, für eines der letzten exzentrischen Künstlerwesen, die sich diesen Status noch erlauben dürfen. Natürlich waren da die Kontroversen in Cannes. Die waren abzusehen und an sich auch nicht aussagekräftig. Dann kam eine begeisterte Kritik eines geschätzten Filmfreundes zur letzten Berlinale, wo der Film nur im mir nicht zugänglichen Filmmarkt zu sehen war, und dann natürlich tauchte der Film auf vielen, geschätzten Top-2004-Listen auf. Sogar auf denen mancher Kritiker, die sich in Cannes nicht einkriegen konnten mit ihren Schmähreden. Gestern dann, endlich, war es soweit.
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Langverweilende Bilder und Einstellungen. Nicht so sehr erzählende, eher zeigende. Understatementhaft, zumal nach dem ästhetisch hoch- und durchkonzipierten Buffalo '66. Eine Leere, die sich in der Weite und oft Relieflosigkeit der Landschaft spiegelt und, wie zu sehen sein wird, mit der im Protagonisten, Gallo selbst, korresondiert. Eine Leere, die schuldzerfressen ist.
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Bud Clay ist Motorradrennfahrer. Er zieht durch's Land, von Rennen zu Rennen. Versuche von Affären am Straßenrand. Charisma und höllisch gutes Aussehen (der Mann ist 41!) hat er für zwei. Küsse, dann Tränen. Die Intimitäten zerbrechen, bevor sie überhaupt beginnen. Weiter durch's Land. Am Ende der Verlust, "mono-dialogisch" gezeigt, eine Rückblende noch darin selbst. Standbild, aus.
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Lichtstrahlen fallen ins Bild, ergeben Flächen, Punkte, Spiele im Bild. Immer wieder der Blick nach vorne aus dem Buick, durch die Scheibe, auf der sich Schmutz und tote Insekten ausmachen lassen. Die Sonne blitzt noch kurz auf, bevor sie hinter dem Berg verschwindet. Karge Landschaften, Musik wie aus anderen Zeiten (und natürlich geht es auch hier, wie bei Buffalo '66 immer um das, was nicht mehr im Nostalgiebild zu fassen zu kriegen ist, wie also das Bild, das von Vergangenheit durchtränkt ist, Wesentliches der Vergangenheit eigentlich verdrängt, ungreifbar macht. Es ist ein instinktiv kluger, kein konzeptionell-intellektueller Umgang mit dem Bild in der Geschichte seines Protagonisten, den Gallo hier an den Tag legt.). Man könnte kurz an einen Western denken, dem Genre, das von der Landschadt maßgeblich lebt. Doch wo im Western die Landschaft und die Frau bezwungen werden muss, ist Gallos Held kein Westerner. Er ist vielmehr einer, der die bereits endlos durchmessene, unendlich oft eroberte Landschaft einmal mehr durchreist, immer auf der Suche nach dem, was noch jenseits dessen liegen könnte, dabei aber immer in der Landschaft, im Bild, in seinem Leben bleiben muss. Ein Tableauartiges Bild in der Salzwüste, bestimmt von der Horizontlinie, davor der Buick, das Motorrad, Gallo, dessen Kopf milimetergenau die Horizontlinie tangiert, wie auch die Oberkante des Wagens dies tut. Er fährt hinaus in das Weiß der Wüste, verschwimmmt, wird Teil von ihr, erreicht aber nichts Neues. Melancholisches Folgebild: Der Wagen, wie er enttäuscht sich von dieser Sphäre abwendet, nicht aber verlässt.

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Narzismus, Moralität? Nein. Und wenn schon.

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An einer Stelle erinnert mich der Film an Two-Lane Blacktop. Und natürlich an Gerry. Auch wenn alle drei nur wenig eint, streichen ihre Membrane an manchen Stellen aneinander.
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Keine Geschichte im klassischen Sinne. Und vor allem: Keine Psychologie. Zumindest nicht im Narrativ. Wohl aber in den Bildern und ihrer Organisation. Die Leerstelle, das Trauma, ist anwesend durch Abwesenheit. Die mangelnde pathologische Ebene des Films ist dabei klarer Vorteil, ein weiteres Indiz für seine Klugheit.
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Ich liebte es, diesen schönen Film im großen Kino zu sehen. Das ist mein Wunsch für die nächsten Jahre.
imdb | offizielle Website | vincentgallo.com | galloappreciation.com

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Thema: FilmKulturMedienwissenschaft
05. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Im heutigen Tagesspiegel findet sich ein Artikel über "mein" filmwissenschaftliches Institut, Getrud Koch und Hermann Kappelhoff, die beiden Lehrstuhlinhaber, standen zudem für einige Statements zur Verfügung.
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Thema: Filmtagebuch
05. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
In About Schmidt (filmz.de) warf Alexander Payne einen kompromittierenden Blick auf Jack Nicholsons Hinterteil und ließ – zur Belustigung der Insassen diverser Internetforen – Kathy Bates nackend zu Nicholson in den Pool steigen. Die Reise, die dem Film das narrative Rückgrat bot, war, nicht nur dahingehend, eine hinter die Fassaden des bürgerlichen Lebens, die einen Blick ermöglichte hinter die nur vorgeblich sinnstiftenden Strukturierungen der absurden Zustände, unter denen der ins Alter gekommene Mensch des frühen 21. Jahrhunderts sein Dasein einrichtet. Das buchstäblich „pein-liche“ dieser Ansichten und Begebenheiten regulierte About Schmidt durch einen Gestus der liebenswerten Schrulligkeit und eine Lakonie, die auch das würdelose Sterben von Schmidts Frau während Küchenarbeiten – und eben die dargebotenen Nuditäten – dem Zuschauer erträglich machten. Sideways, Paynes neuer Film und nach sehr euphorischen Kritiken in den USA nun auch einer der großen Oscarfavoriten des Jahres, erscheint da als in mancherlei Hinsicht deckungsgleich. Wieder steht eine Reise im Mittelpunkt des Geschehens, wieder geht es um Menschen, die ihre Blüte schon hinter sich gelassen haben und, natürlich, darf man auch wieder einen peinlich entblößten Arsch sehen, diesmal noch narrativ verdoppelt ertappt: Beim Vögeln durch einen unversehens ins Geschehen Hineinplatzenden erwischt. Ein Unterschied ist diesmal doch gegeben: Payne macht das pein-liche der Bilder diesmal oft schmerzhaft spürbar, der Blick, so scheint es zumindest zunächst, ist diesmal schärfer (doch der Schein ist oft trügerisch).
Im Zentrum stehen zwei alte alte College-Freunde, Miles (Paul Giamatti, der bereits in dem wunderbaren American Splendor (filmz.de) den im Leben Gestrandeten bot), ein erfolgloser, weil unveröffentlichter Schriftsteller und Englischlehrer mitten in der schmerbäuchigen Midlife Crisis, der seine Scheidung vor zwei Jahren nicht verwinden kann, und der abgetakelte, dennoch fast schmerzlich lebensheitere und darin reichlich tumbe Fernsehseriendarsteller Jack (Thomas Haden Church), der in einer Woche heiraten wird. Die Zeit dahin nutzen die beiden für eine Junggesellenabschied in Form einer einwöchigen Autofahrt durch die kalifornischen Weinanbaugebiete: Während Miles, ganz Connaisseur, die Woche vor allem auf Weinverköstigungen zubringen und seinen Gaumen erfreuen möchte, steht Jack der Sinn in erster Linie nach billigem Vergnügen mit leichten Frauen, um die Zeit vor der Eheschließung noch effizient zu nutzen, wie er ganz unzweideutig zu erkennen gibt. Mit der melancholischen Schwermut seines Reisebegleiters kann er hingegen nichts anfangen. Ganz im Gegenteil will er Miles von dieser durch allerlei Animationen, es ihm doch gleich zu tun, kurieren.
Die Gelegenheit bietet sich, als beide Bekanntschaft mit der Kellnerin Maja (Virgina Madsen), die sich ebenfalls als respektable Weinkennerin entpuppt, und Stephanie (Sarah Oh) schließen. Während Miles’ Komplexe das Anbandeln mit Maja eigentlich schon sabotieren, vögelt sich Jack derweil mit Sarah quer durch die Hotelzimmer. Konflikte, weinschwangere Gespräche, allerlei Slapstick und Verwechslungen sind da vorprogrammiert.
Sideways entblößt ebenfalls nicht Maskeraden, sondern Eigentlichkeiten des Menschen. Wenn kurz vor Aufbruch zur Reise noch Miles’ Mutter – sie hat Geburtstag – besucht werden muss, wird die Glückwunschkarte wenige Meter von der Tür entfernt kurz und bündig beschrieben: Eine Farce, wenn man bedenkt, dass Miles Schriftsteller ist. Natürlich ist die Mutter – wie offenbar alle älteren Damen bei Payne – eine abgetakelte, eher skurrile Schnepfe mit vogelnestartigem Haarwuchs und morgenmantelfreigelegten blassen Hühnerbeinen, die zur Feier des Tages dann auch noch groteskes Make-Up auflegt. Selbstredend klaut Miles heimlich der Mutter Geld aus der Sparbüchse, wenn sie mit Jack konversiert. Eine Boshaftigkeit wie bei Todd Solondz, der regelmäßig menschliche Scheußlichkeiten aus- und bloßstellt, stellt sich hier hingegen nicht ein. Dafür wiederum will Sideways doch zu sehr die selbsternannten Connaisseurs jenseits der 40 im Publikum umschmeicheln, die sich selbst auf der Leinwand gespiegelt sehen wollen. Und weil ein Roadmovie immer auch eine Entwicklung der Hauptfigur zum Thema hat, ist es, auch wenn das Roadmovie als solches schon bald ins Stocken gerät, kein Wunder, dass nun Miles, der selbst eigentlich, trotz aller literarischer Tiefsinnigkeit (oder: vielleicht ja gerade deswegen), ein Unsympath ist, am Ende, nach allen Konflikten und Missverständnissen, in die vor allem Jacks frohselig-dumpfe Art ihn manövriert, sein Scheidungstrauma vermutlich überwindet und das ihm narrativ zugestandene Mädchen ergattern kann (der Film selbst impliziert’s jedenfalls). Gerade in dieser Versöhnlichkeit, in die der Film immer wieder, nachdem er manche menschliche Verfehlung bis zur Grenze an die physische Nachempfindbarkeit durchdekliniert hat, liegt letzten Endes auch seine Schwäche, die in der allgemein jubilatorisch ausgefallenen Kritik gerne unterschlagen wird: Er macht den Zuschauer zum Komplizen, bis dahin sogar – und das ist durchaus gruselig -, dass er Jacks Lebenswandel und dessen Konsequenzen derart mit Lust aufbauscht, dass sich regelrechte Rachegelüste einstellen, die auch prompt bedient werden, wenn er nun endlich, ja endlich seinen nicht zu knapp ausfallenden Rüffel erhält, unter johlendem Applaus des Publikums, versteht sich (und ich nehme mich da gar nicht aus).

Dies ist - neben der stellenweise arg übertriebenen Redseligkeit, die doch kaum zu was führt - eigentlich schade, denn auf der anderen Seite ist Sideways auch ein keineswegs schlechter oder scheußlicher Film. Vor allem die darstellerischen Leistungen sind bemerkenswert: Man nimmt sich zurück, grimassiert sich nicht, legt Wert auf Nuancen und Details und kann dieses Niveau auch im Zusammenspiel konsequent halten. Fernerhin gibt es selbstredend auch Momente, die bezaubern, nett anzusehen sind. Dass der Film dabei nie, in welche Richtung auch immer, konsequent bleibt, dass er den Kuchen essen und behalten will, ist indes ein trauriges Indiz für die, letzten Endes, Durchkalkuliertheit eines Films, der ganz offensichtlich mit Blick auf den Goldjungen hininszeniert wurde, zu Lasten anderer Ambitionen, leider.
imdb | mrqe | filmz.de | angelaufen.de

Im Zentrum stehen zwei alte alte College-Freunde, Miles (Paul Giamatti, der bereits in dem wunderbaren American Splendor (filmz.de) den im Leben Gestrandeten bot), ein erfolgloser, weil unveröffentlichter Schriftsteller und Englischlehrer mitten in der schmerbäuchigen Midlife Crisis, der seine Scheidung vor zwei Jahren nicht verwinden kann, und der abgetakelte, dennoch fast schmerzlich lebensheitere und darin reichlich tumbe Fernsehseriendarsteller Jack (Thomas Haden Church), der in einer Woche heiraten wird. Die Zeit dahin nutzen die beiden für eine Junggesellenabschied in Form einer einwöchigen Autofahrt durch die kalifornischen Weinanbaugebiete: Während Miles, ganz Connaisseur, die Woche vor allem auf Weinverköstigungen zubringen und seinen Gaumen erfreuen möchte, steht Jack der Sinn in erster Linie nach billigem Vergnügen mit leichten Frauen, um die Zeit vor der Eheschließung noch effizient zu nutzen, wie er ganz unzweideutig zu erkennen gibt. Mit der melancholischen Schwermut seines Reisebegleiters kann er hingegen nichts anfangen. Ganz im Gegenteil will er Miles von dieser durch allerlei Animationen, es ihm doch gleich zu tun, kurieren.
Die Gelegenheit bietet sich, als beide Bekanntschaft mit der Kellnerin Maja (Virgina Madsen), die sich ebenfalls als respektable Weinkennerin entpuppt, und Stephanie (Sarah Oh) schließen. Während Miles’ Komplexe das Anbandeln mit Maja eigentlich schon sabotieren, vögelt sich Jack derweil mit Sarah quer durch die Hotelzimmer. Konflikte, weinschwangere Gespräche, allerlei Slapstick und Verwechslungen sind da vorprogrammiert.
Sideways entblößt ebenfalls nicht Maskeraden, sondern Eigentlichkeiten des Menschen. Wenn kurz vor Aufbruch zur Reise noch Miles’ Mutter – sie hat Geburtstag – besucht werden muss, wird die Glückwunschkarte wenige Meter von der Tür entfernt kurz und bündig beschrieben: Eine Farce, wenn man bedenkt, dass Miles Schriftsteller ist. Natürlich ist die Mutter – wie offenbar alle älteren Damen bei Payne – eine abgetakelte, eher skurrile Schnepfe mit vogelnestartigem Haarwuchs und morgenmantelfreigelegten blassen Hühnerbeinen, die zur Feier des Tages dann auch noch groteskes Make-Up auflegt. Selbstredend klaut Miles heimlich der Mutter Geld aus der Sparbüchse, wenn sie mit Jack konversiert. Eine Boshaftigkeit wie bei Todd Solondz, der regelmäßig menschliche Scheußlichkeiten aus- und bloßstellt, stellt sich hier hingegen nicht ein. Dafür wiederum will Sideways doch zu sehr die selbsternannten Connaisseurs jenseits der 40 im Publikum umschmeicheln, die sich selbst auf der Leinwand gespiegelt sehen wollen. Und weil ein Roadmovie immer auch eine Entwicklung der Hauptfigur zum Thema hat, ist es, auch wenn das Roadmovie als solches schon bald ins Stocken gerät, kein Wunder, dass nun Miles, der selbst eigentlich, trotz aller literarischer Tiefsinnigkeit (oder: vielleicht ja gerade deswegen), ein Unsympath ist, am Ende, nach allen Konflikten und Missverständnissen, in die vor allem Jacks frohselig-dumpfe Art ihn manövriert, sein Scheidungstrauma vermutlich überwindet und das ihm narrativ zugestandene Mädchen ergattern kann (der Film selbst impliziert’s jedenfalls). Gerade in dieser Versöhnlichkeit, in die der Film immer wieder, nachdem er manche menschliche Verfehlung bis zur Grenze an die physische Nachempfindbarkeit durchdekliniert hat, liegt letzten Endes auch seine Schwäche, die in der allgemein jubilatorisch ausgefallenen Kritik gerne unterschlagen wird: Er macht den Zuschauer zum Komplizen, bis dahin sogar – und das ist durchaus gruselig -, dass er Jacks Lebenswandel und dessen Konsequenzen derart mit Lust aufbauscht, dass sich regelrechte Rachegelüste einstellen, die auch prompt bedient werden, wenn er nun endlich, ja endlich seinen nicht zu knapp ausfallenden Rüffel erhält, unter johlendem Applaus des Publikums, versteht sich (und ich nehme mich da gar nicht aus).

Dies ist - neben der stellenweise arg übertriebenen Redseligkeit, die doch kaum zu was führt - eigentlich schade, denn auf der anderen Seite ist Sideways auch ein keineswegs schlechter oder scheußlicher Film. Vor allem die darstellerischen Leistungen sind bemerkenswert: Man nimmt sich zurück, grimassiert sich nicht, legt Wert auf Nuancen und Details und kann dieses Niveau auch im Zusammenspiel konsequent halten. Fernerhin gibt es selbstredend auch Momente, die bezaubern, nett anzusehen sind. Dass der Film dabei nie, in welche Richtung auch immer, konsequent bleibt, dass er den Kuchen essen und behalten will, ist indes ein trauriges Indiz für die, letzten Endes, Durchkalkuliertheit eines Films, der ganz offensichtlich mit Blick auf den Goldjungen hininszeniert wurde, zu Lasten anderer Ambitionen, leider.
imdb | mrqe | filmz.de | angelaufen.de
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Thema: Kinokultur
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05. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Sideways ist auch so ein Fall, wo ich mich frage: What's the fuzz all about? In braver Manier nicken hiesige Kritiker den Film ab, als espritvolles Meisterwerk, intellektuelles Fest für die Sinne und so weiter und so fort. Offenbar möchte man nicht aus dem Rahmen fallen, denn in den USA hatte der Film noch überwältigendere Kritiken bekommen. Und ist in zahlreichen wichtigen Kategorien für den Oscar nominiert. Verständlich, dass man da nicht der Nörgler sein will. Weiterhin gab es ja reichlich Wein während der Pressevorführung. Da wird der Blick getrübt und für ein spendiertes mittägliches Halbbesäufnis im Berliner Filmpalast lässt man auch mal fünfe gerade sein.
So zumindest mein Eindruck, denn der Film ist nun wirklich, ach, ich weiß nicht... abgeschmackt, hininszeniert, "skurril", verschroben und so. Keine Risiken eben. Sicher, manches ist nett, der Film auch in der Gänze nicht schlecht (meine Kritik, derzeit in Mache, eigentlich schon für letzte Woche geplant, kommt bald). Aber: This year's Lost in Translation? Also bitte!
Schön ist da die Kritik von Harald Fricke in der taz. Der ließ sich nämlich nicht vom ausgeschenktem Rebensaft umschmeicheln, sondern bewahrt die Contenance des Kritikers. Auch er findet den Film, wie ich, nicht schrecklich. Aber: Er relativiert doch zur Genüge die Lobeshymnen, die bei den Kollegen für den Film aus der Schublade geholt wurden.
So zumindest mein Eindruck, denn der Film ist nun wirklich, ach, ich weiß nicht... abgeschmackt, hininszeniert, "skurril", verschroben und so. Keine Risiken eben. Sicher, manches ist nett, der Film auch in der Gänze nicht schlecht (meine Kritik, derzeit in Mache, eigentlich schon für letzte Woche geplant, kommt bald). Aber: This year's Lost in Translation? Also bitte!
Schön ist da die Kritik von Harald Fricke in der taz. Der ließ sich nämlich nicht vom ausgeschenktem Rebensaft umschmeicheln, sondern bewahrt die Contenance des Kritikers. Auch er findet den Film, wie ich, nicht schrecklich. Aber: Er relativiert doch zur Genüge die Lobeshymnen, die bei den Kollegen für den Film aus der Schublade geholt wurden.
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