Thema: Berlinale 2005
18. Februar 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Der Film läuft in der Retrospektive.
Gezeigt wird die jüngst restaurierte Fassung des Films. Der Supervisor der Restauration erklärt vor der Vorführung ein wenig den Hintergrund der Produktion und warum der Film nicht originalgetreu restauriert wurde (und im Nachhinein redete er darüber noch mehr, da musste ich aber schon weg). Karim Asif wirkte in dieser Geschichte ein wenig wie ein indischer Howard Hughes, der jahrelang mit diesem "größten indischen Film aller Zeiten" schwanger ging und ihn schließlich, nach vielen Jahren, umsetzte. Zu einem Preis, der das übliche Budget damaliger Tage um ein zehnfaches sprengte und schon allein deshalb keinen Rupee Gewinn in Aussicht stellte. Während der Dreharbeiten kam der Farbfilm nach Indien, da war ein Großteil aber schon in Schwarzweiß geschossen. Karim Asif nutzte die neue Technologie und schoß die jeweils abschließenden Filmrollen des Films (vor der Pause, am Ende) in einem atemberaubend buntem Set, durch das er wahre Wirbeltänze ziehen ließ. Am liebsten aber hätte er den ganzen Film neu in Farbe gedreht, was die Produzenten ihm aber untersagten; sie sahen ihr Geld eh schon dahingeflossen.
Die Restauration dieses Bollywoodklassikers holt diesen Traum des Regisseurs nun nach. Es wurde ein digitales Verfahren erarbeitet, das es ermöglichte, die schwarzweißen Sequenzen - also den Großteil des Films - nachträglich zu colorieren. Wo man schon dabei war, hat man auch gleich die musikalische Untermalung einer Schönheitskur unterzogen und weite Teile des Scores neu, aber auf den originalen Kompositionen basierend, eingespielt. Zahlreiche neue diegetische Geräusche kamen dabei offensichtlich auch dazu.
Eine deutlich ambivalente Sache. Das sah auch die Dame von der Retrospektive so, die in ihren einleitenden Worten darauf hinwies, dass auch die Sektion selbst diese Arbeitsweise als "politically not correct" ansieht, aber dennoch nicht umhin kam, den Film in dieser Fassung zu zeigen. Zum einen ist es natürlich toll und eine Fügung des Schicksals, wenn ein langgehegter Traum eines sichtlich ambitionierten Künstlers endlich, wenn auch nach seinem Ableben, in Erfüllung geht. Andererseits aber fällt es schwer, das fertige Ergebnis als Entsprechung dieses Traums anzuerkennen.
Dies fängt bei der Farbgebung selbst an, die offenbar technisch bedingt eher an Postkarten aus dem 19. Jahrhundert erinnert und zudem einen äußerst flächigen Bildeindruck ergibt. Dieser wird noch durch den Umstand bestärkt, dass vor allem für Großaufnahmen der Protagonisten der Bildhintergrund nicht selten als statisches Bild angelegt wurde. Die charakteristischen Alterserscheinungen alten Filmmaterials spielen sich dann zwar auf den Personen im Vordergrund ab, der Hintergrund aber ist davon nicht betroffen. Ferner umgibt die Figuren dann meist auch eine Art "digitale Aura", eine Zone am Rande ihrer Konturen, wo durch die Kompression ein leichtes Rauschen mit dem Bildhintergrund stattfindet. Solche Momente gibt es ärgerlich häufig und man hat, durch die seltsam fremden Farben zusätzlich bedingt, nicht selten das Gefühl, in einem der ersten CD-Rom-Spiele der 90er Jahre gelandet sein, wo ähnlich vorgegangen wurde. Ferner irritiert ein teilweise nervös zuckendes Bildrauschen in größeren Farbflächen, wie man es etwa auch von eher mäßigen DVD-Umsetzungen kennt - Rückbestände der digitalen Bearbeitung. Der neue Soundtrack tut ein übriges, um den Film auf Distanz zu halten: Der authentisch und klangqualitativ seiner Entstehungszeit deutlich verhaftet gebliebene Gesang reibt sich am kristallklaren Sound der musikalischen Untermalung. Generell wirkt die Musik übergepropft, bleibt dem Film oft fremd.
Eine diegetische Versunkenheit will sich da kaum einstellen. In der Tat bleibt der Blick auffällig oft nur auf der Fläche des Bildes haften und fühlt sich von den digitalen Rückständen fast magisch angezogen. Gerade dies aber, dieses Verweilen in der Distanz, ist für einen Bollywoodfilm schlicht tödlich. Er braucht es, dass man sich in ihn fallen lässt, das Spiel lustvoll mitspielt und für eine meist nicht geringe Weile ganz in seiner Welt aufgeht. Dem steht die Restaurierung, in dieser Form, deutlich im Wege.
Auch eine andere Qualität des Films wird nivelliert: Die authentischen Farbsequenzen sind ganz und gar Rausch. Emotional wie ästhetisch. Sie sind klirrend bunt - kilo-, ja zentnerweise Mosaiksteine und bunte Scherben wurden angeschafft, um ein bonbonfarben delirierendes Set zu gestalten, das zudem atemberaubend in Szene gesetzt wurde. Mit zahlreichen Spiegelinszenierungen und -verfremdungen entsteht in beiden Farbsequenzen ein direkter Sog in eine reine Kinematografie, deren euphorisierender Charakter durch den Sprung vom Schwarzweiß ins grell Bunte seinerzeit kaum vergleichbare Elekrisierungen nach sich gezogen haben musste. Zwar lassen sich die beiden "Sphären" des Films deutlich voneinander differenzieren, doch wird dieser dramaturgischen Wirkung deutlich der Schub genommen.
Der Film selbst? Nun. Die Geschichte eines Königs und seines Sohnes, der sich gegen den König schon in Jungenjahren auflehnt und mit Front bestraft wird. Erwachsen geworden und an den Hof zurückgekehrt, verliebt er sich in eine junge Magd. Dies darf nicht sein und im Konflikt zwischen Vater und Sohn lässt man ganze Heere gegeneinander antreten. Wahrlich ausladend vollgestopft mit Dekors und Tand und Schmuck, mit melodramatischen Dialogen und großen Gefühlen, sieht man ihm seine hohen Produktionskosten in jeder Einstellung deutlich an. Es mag zum einen wirklich an der unvorteilhaften Projektion liegen, dass dieses "Mehr" an Aufwand sich nicht im Gefühl niederschlägt. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass der Film in der Tat sehr skizzenhaft strukturiert ist - zugegeben, das ist in anderen Bollywoodfilmen, meines Wissens, nicht viel anders - und dass das viele Fleisch, das der Struktur aufgelegt wird, über das eben doch sehr gemächliche Tempo, mit der die Anordnung durchschritten wird, nur wenig hinwegtäuschen kann. Sicher keineswegs ein schlechter oder langweiliger Film. Aber insgesamt eben doch eher aus musealischen Gründen interessant.
imdb
Gezeigt wird die jüngst restaurierte Fassung des Films. Der Supervisor der Restauration erklärt vor der Vorführung ein wenig den Hintergrund der Produktion und warum der Film nicht originalgetreu restauriert wurde (und im Nachhinein redete er darüber noch mehr, da musste ich aber schon weg). Karim Asif wirkte in dieser Geschichte ein wenig wie ein indischer Howard Hughes, der jahrelang mit diesem "größten indischen Film aller Zeiten" schwanger ging und ihn schließlich, nach vielen Jahren, umsetzte. Zu einem Preis, der das übliche Budget damaliger Tage um ein zehnfaches sprengte und schon allein deshalb keinen Rupee Gewinn in Aussicht stellte. Während der Dreharbeiten kam der Farbfilm nach Indien, da war ein Großteil aber schon in Schwarzweiß geschossen. Karim Asif nutzte die neue Technologie und schoß die jeweils abschließenden Filmrollen des Films (vor der Pause, am Ende) in einem atemberaubend buntem Set, durch das er wahre Wirbeltänze ziehen ließ. Am liebsten aber hätte er den ganzen Film neu in Farbe gedreht, was die Produzenten ihm aber untersagten; sie sahen ihr Geld eh schon dahingeflossen.
Die Restauration dieses Bollywoodklassikers holt diesen Traum des Regisseurs nun nach. Es wurde ein digitales Verfahren erarbeitet, das es ermöglichte, die schwarzweißen Sequenzen - also den Großteil des Films - nachträglich zu colorieren. Wo man schon dabei war, hat man auch gleich die musikalische Untermalung einer Schönheitskur unterzogen und weite Teile des Scores neu, aber auf den originalen Kompositionen basierend, eingespielt. Zahlreiche neue diegetische Geräusche kamen dabei offensichtlich auch dazu.
Eine deutlich ambivalente Sache. Das sah auch die Dame von der Retrospektive so, die in ihren einleitenden Worten darauf hinwies, dass auch die Sektion selbst diese Arbeitsweise als "politically not correct" ansieht, aber dennoch nicht umhin kam, den Film in dieser Fassung zu zeigen. Zum einen ist es natürlich toll und eine Fügung des Schicksals, wenn ein langgehegter Traum eines sichtlich ambitionierten Künstlers endlich, wenn auch nach seinem Ableben, in Erfüllung geht. Andererseits aber fällt es schwer, das fertige Ergebnis als Entsprechung dieses Traums anzuerkennen.
Dies fängt bei der Farbgebung selbst an, die offenbar technisch bedingt eher an Postkarten aus dem 19. Jahrhundert erinnert und zudem einen äußerst flächigen Bildeindruck ergibt. Dieser wird noch durch den Umstand bestärkt, dass vor allem für Großaufnahmen der Protagonisten der Bildhintergrund nicht selten als statisches Bild angelegt wurde. Die charakteristischen Alterserscheinungen alten Filmmaterials spielen sich dann zwar auf den Personen im Vordergrund ab, der Hintergrund aber ist davon nicht betroffen. Ferner umgibt die Figuren dann meist auch eine Art "digitale Aura", eine Zone am Rande ihrer Konturen, wo durch die Kompression ein leichtes Rauschen mit dem Bildhintergrund stattfindet. Solche Momente gibt es ärgerlich häufig und man hat, durch die seltsam fremden Farben zusätzlich bedingt, nicht selten das Gefühl, in einem der ersten CD-Rom-Spiele der 90er Jahre gelandet sein, wo ähnlich vorgegangen wurde. Ferner irritiert ein teilweise nervös zuckendes Bildrauschen in größeren Farbflächen, wie man es etwa auch von eher mäßigen DVD-Umsetzungen kennt - Rückbestände der digitalen Bearbeitung. Der neue Soundtrack tut ein übriges, um den Film auf Distanz zu halten: Der authentisch und klangqualitativ seiner Entstehungszeit deutlich verhaftet gebliebene Gesang reibt sich am kristallklaren Sound der musikalischen Untermalung. Generell wirkt die Musik übergepropft, bleibt dem Film oft fremd.
Eine diegetische Versunkenheit will sich da kaum einstellen. In der Tat bleibt der Blick auffällig oft nur auf der Fläche des Bildes haften und fühlt sich von den digitalen Rückständen fast magisch angezogen. Gerade dies aber, dieses Verweilen in der Distanz, ist für einen Bollywoodfilm schlicht tödlich. Er braucht es, dass man sich in ihn fallen lässt, das Spiel lustvoll mitspielt und für eine meist nicht geringe Weile ganz in seiner Welt aufgeht. Dem steht die Restaurierung, in dieser Form, deutlich im Wege.
Auch eine andere Qualität des Films wird nivelliert: Die authentischen Farbsequenzen sind ganz und gar Rausch. Emotional wie ästhetisch. Sie sind klirrend bunt - kilo-, ja zentnerweise Mosaiksteine und bunte Scherben wurden angeschafft, um ein bonbonfarben delirierendes Set zu gestalten, das zudem atemberaubend in Szene gesetzt wurde. Mit zahlreichen Spiegelinszenierungen und -verfremdungen entsteht in beiden Farbsequenzen ein direkter Sog in eine reine Kinematografie, deren euphorisierender Charakter durch den Sprung vom Schwarzweiß ins grell Bunte seinerzeit kaum vergleichbare Elekrisierungen nach sich gezogen haben musste. Zwar lassen sich die beiden "Sphären" des Films deutlich voneinander differenzieren, doch wird dieser dramaturgischen Wirkung deutlich der Schub genommen.
Der Film selbst? Nun. Die Geschichte eines Königs und seines Sohnes, der sich gegen den König schon in Jungenjahren auflehnt und mit Front bestraft wird. Erwachsen geworden und an den Hof zurückgekehrt, verliebt er sich in eine junge Magd. Dies darf nicht sein und im Konflikt zwischen Vater und Sohn lässt man ganze Heere gegeneinander antreten. Wahrlich ausladend vollgestopft mit Dekors und Tand und Schmuck, mit melodramatischen Dialogen und großen Gefühlen, sieht man ihm seine hohen Produktionskosten in jeder Einstellung deutlich an. Es mag zum einen wirklich an der unvorteilhaften Projektion liegen, dass dieses "Mehr" an Aufwand sich nicht im Gefühl niederschlägt. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass der Film in der Tat sehr skizzenhaft strukturiert ist - zugegeben, das ist in anderen Bollywoodfilmen, meines Wissens, nicht viel anders - und dass das viele Fleisch, das der Struktur aufgelegt wird, über das eben doch sehr gemächliche Tempo, mit der die Anordnung durchschritten wird, nur wenig hinwegtäuschen kann. Sicher keineswegs ein schlechter oder langweiliger Film. Aber insgesamt eben doch eher aus musealischen Gründen interessant.
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° ° °
Thema: Berlinale 2005
Der Film läuft in der Reihe "Carte Blanche" des Internationalen Forums des jungen Films.
Carte Blanche für Erika Gregor. Und die hat uns etwas mitgebracht. Aus Fernost, wo sie im letzten Jahr mit ihrem Gatten Ulrich, ebenfalls kein Unbekannter, auf dem Tokioter "FilmEx"-Filmfestival (ein offenbar erfrischend unabhängiges, das mit keinerlei öffentlichen Mitteln gestemmt wird und zum nunmehr 5. Male stattfand) gewesen ist und dort auf der Retrospektive Uchida Tomu für den Westen entdeckt hat. In der aktuellen Ausgabe von epdFilm lässt sich nachlesen, wie dort, seitens ihres Gatten, nur in höchsten Tönen von diesem japanischen Regisseur gesprochen wird. Und Erika Gregor war von Uchidas The Mad Fox so begeistert, dass sie sich gleich um eine Kopie für das Arsenal bemühte und das Forum den Film als Wunschfilm aufführen lässt (weitere langjährige Mitarbeiter des Forums haben ebenfalls einen Programmplatz zur freien Auswahl erhalten).
The Mad Fox ist sicherlich eine der großen filmhistorischen Entdeckungen, die man dieses Jahr auf dem Festival machen konnte. Formal zunächst sehr streng, dann aber zunehmend experimentell erzählt er die verwinkelte Wege beschreitende Geschichte von Yasuna, dem Lehrling des Astronoms Tomonori. Angesiedelt ist sie vor etwa 1000 Jahren. Nach einer Mondfinsternis, die als böses Omen gedeutet wird, herrscht Unruhe im Land. Tomonori soll im Auftrag des Kaisers eine chinesische Schriftrolle deuten, um darüber Erkenntnisse über das Omen zu gewinnen. Doch die Verhältnisse im Hause Tomonori liegen quer: Doman, der zweite Schüler des Gelehrten, intrigiert mit der Geliebten des Meister gegen diesen und bringt ihn um. Yasuna und Sakaki, Tomonoris Adoptivtochter, die mit Yasuna angebändelt hat, werden ebenfalls Opfer der Intrige: Sakaki stirbt unter Folter, Yasuna verfällt dem Wahnsinn, stiehlt dann aber die Rolle und tötet Tomonoris Geliebte.
Yasuna macht sich nun im Wahn auf der Suche nach Sakaki zu deren Geburtsort auf. Doch stößt er nur auf Kuzunoha, deren Zwillingsschwester, zu der er sich aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit Sasaki umgehend hingezogen fühlt. Auf der Jagd nach einer weißen Füchsin kommt Aku no Uemnon, der Doman unterstützt hatte, in die Gegend. Er entführt Kazunoha, nachdem Yasuna der weißen Füchsin (in Menschengestalt) das Leben gerettet hat. Zum Dank verwandelt sich die Füchsin in ein Ebenbild von Kazunoha, lebt fortan mit Yasuna zusammen und zeugt mit ihm einen Jungen. Eines Tages steht Kazunoha samt Familie vor der Tür ...
The Mad Fox ist eine Studie in Erzählformen. In Japan, wo man traditionell wenig Scheu davor hatte, Erzähl- und Kunstformen miteinander zu kreuzen, zu kombinieren oder sich gegenseitig zu bereichern, ist das, wie man auch auf dieser Berlinale nachvollziehen konnte (Retrospektive: Yukinojos Rache; Forum: Into the Picture Scroll – The Tale of Yamanaka Tokiwa), nichts ungewöhnliches. Der Film beginnt sogar ähnlich wie Into the Picture Scroll, mit einer Aufnahme einer Bildrolle, die langsam entrollt wird. Die Kamera folgt dem sich entfaltenden Bild (das jedoch ein "mehrzeitiges" und kein zeitlich in sich einheitliches) in einer langen Kamerafahrt. Verdeutlicht wird die Vorgeschichte - wie Sasaki an Tomonoris Haus kam - und das Initialmoment des Films: Als der Fuji-San ins Bild rückt, verfärbt es sich dunkelrot, so dass der ehrwürdige japanische Berg für einen Moment lang einem Vulkan gleicht. Die Kamera zieht weiter und zeigt den blutroten Mond und ohne wirklichen Bruch springen wir von der Bildrolle in die diegetische Wirklichkeit des Films.
Diese nun ist eine Sphäre, die lange nicht verlassen wird und aufgrund der immer neuen Wege, die die Handlung einschlägt, zum Teil auch etwas Geduld für sich beansprucht. Eine Übung im karg inszenierten Historiendrama; lange, leicht distanzierte Einstellungen. Doch dann, als Yasuna dem Wahnsinn verfällt (der hier nun eben nicht reißerisch vermittelt wird, sondern einfach einen anderen, etwas entrückten Zustand meint, der sich an die Membrane der eigentlichen Wirklichkeit nurmehr von außen anschmiegt), wechselt der Tonfall und ähnlich wie seine Handlung klappt nun auch die inszenatorische Gestaltung des Films von einem Modus zum nächsten über. Wir bewegen uns durch ein örtlich nicht gebundenes Blumenmeer - ein inneres Bild. Die weißen Füchse - shapeshifter - werden oft durch Zeichentrickanimationen dargestellt, die schnell durch das Bild huschen. Oder sie sind kleine Flämmchen, die sich durch die Physik des Bildes schmeicheln. Und irgendwann wird ein Vorhang zurückgezogen und wir schauen auf eine Bühne, reine Holzkulisse ringsum.
Das Schöne daran ist, dass auch hier nicht geheischt, sondern einer beinahe schon wieder asketischen Ökonomie des Wechsels gefolgt wird. Bemerkenswerterweise schnippt die Instanz des Films immer passgenau in jenem Moment mit dem Zauberfinger, wenn man sich in der "neuen" Welt eingerichtet hat (oder sich vielleicht auch ob des gemächlichen Tempos zu langweilen beginnt - am Tag 9 eines Festivalmarathons sei dies verziehen). Und da jede Idee die vorangegangene um Nuancen toppt, ist man dann wieder plötzlich hellauf begeistert und ganz mittendrin. Die Konsequenz dieses Umklappens bringt das Theaterbild schließlich zum Höhepunkt, wenn das ganze Set in sich ein- und umstürzt, kontrolliert natürlich und an den richtigen Fäden gezogen, so dass ein Neues entsteht.
Dann hat der Film sein Ende gefunden und man ist froh, die von Erika Gregor im Begleittext angeratene Geduld mitgebracht zu haben. Ein schöner, entdeckenswerter Film; dass er nun auch in der "Magical History Tour" des Arsenals regelmäßig zu sehen sein wird, ist für die ambitionierte filmhistorische Reihe des Hauskinos der Deutschen Kinemathek ein großer Gewinn.
imdb | infos vom forum
Carte Blanche für Erika Gregor. Und die hat uns etwas mitgebracht. Aus Fernost, wo sie im letzten Jahr mit ihrem Gatten Ulrich, ebenfalls kein Unbekannter, auf dem Tokioter "FilmEx"-Filmfestival (ein offenbar erfrischend unabhängiges, das mit keinerlei öffentlichen Mitteln gestemmt wird und zum nunmehr 5. Male stattfand) gewesen ist und dort auf der Retrospektive Uchida Tomu für den Westen entdeckt hat. In der aktuellen Ausgabe von epdFilm lässt sich nachlesen, wie dort, seitens ihres Gatten, nur in höchsten Tönen von diesem japanischen Regisseur gesprochen wird. Und Erika Gregor war von Uchidas The Mad Fox so begeistert, dass sie sich gleich um eine Kopie für das Arsenal bemühte und das Forum den Film als Wunschfilm aufführen lässt (weitere langjährige Mitarbeiter des Forums haben ebenfalls einen Programmplatz zur freien Auswahl erhalten).
The Mad Fox ist sicherlich eine der großen filmhistorischen Entdeckungen, die man dieses Jahr auf dem Festival machen konnte. Formal zunächst sehr streng, dann aber zunehmend experimentell erzählt er die verwinkelte Wege beschreitende Geschichte von Yasuna, dem Lehrling des Astronoms Tomonori. Angesiedelt ist sie vor etwa 1000 Jahren. Nach einer Mondfinsternis, die als böses Omen gedeutet wird, herrscht Unruhe im Land. Tomonori soll im Auftrag des Kaisers eine chinesische Schriftrolle deuten, um darüber Erkenntnisse über das Omen zu gewinnen. Doch die Verhältnisse im Hause Tomonori liegen quer: Doman, der zweite Schüler des Gelehrten, intrigiert mit der Geliebten des Meister gegen diesen und bringt ihn um. Yasuna und Sakaki, Tomonoris Adoptivtochter, die mit Yasuna angebändelt hat, werden ebenfalls Opfer der Intrige: Sakaki stirbt unter Folter, Yasuna verfällt dem Wahnsinn, stiehlt dann aber die Rolle und tötet Tomonoris Geliebte.
Yasuna macht sich nun im Wahn auf der Suche nach Sakaki zu deren Geburtsort auf. Doch stößt er nur auf Kuzunoha, deren Zwillingsschwester, zu der er sich aufgrund ihrer Ähnlichkeit mit Sasaki umgehend hingezogen fühlt. Auf der Jagd nach einer weißen Füchsin kommt Aku no Uemnon, der Doman unterstützt hatte, in die Gegend. Er entführt Kazunoha, nachdem Yasuna der weißen Füchsin (in Menschengestalt) das Leben gerettet hat. Zum Dank verwandelt sich die Füchsin in ein Ebenbild von Kazunoha, lebt fortan mit Yasuna zusammen und zeugt mit ihm einen Jungen. Eines Tages steht Kazunoha samt Familie vor der Tür ...
The Mad Fox ist eine Studie in Erzählformen. In Japan, wo man traditionell wenig Scheu davor hatte, Erzähl- und Kunstformen miteinander zu kreuzen, zu kombinieren oder sich gegenseitig zu bereichern, ist das, wie man auch auf dieser Berlinale nachvollziehen konnte (Retrospektive: Yukinojos Rache; Forum: Into the Picture Scroll – The Tale of Yamanaka Tokiwa), nichts ungewöhnliches. Der Film beginnt sogar ähnlich wie Into the Picture Scroll, mit einer Aufnahme einer Bildrolle, die langsam entrollt wird. Die Kamera folgt dem sich entfaltenden Bild (das jedoch ein "mehrzeitiges" und kein zeitlich in sich einheitliches) in einer langen Kamerafahrt. Verdeutlicht wird die Vorgeschichte - wie Sasaki an Tomonoris Haus kam - und das Initialmoment des Films: Als der Fuji-San ins Bild rückt, verfärbt es sich dunkelrot, so dass der ehrwürdige japanische Berg für einen Moment lang einem Vulkan gleicht. Die Kamera zieht weiter und zeigt den blutroten Mond und ohne wirklichen Bruch springen wir von der Bildrolle in die diegetische Wirklichkeit des Films.
Diese nun ist eine Sphäre, die lange nicht verlassen wird und aufgrund der immer neuen Wege, die die Handlung einschlägt, zum Teil auch etwas Geduld für sich beansprucht. Eine Übung im karg inszenierten Historiendrama; lange, leicht distanzierte Einstellungen. Doch dann, als Yasuna dem Wahnsinn verfällt (der hier nun eben nicht reißerisch vermittelt wird, sondern einfach einen anderen, etwas entrückten Zustand meint, der sich an die Membrane der eigentlichen Wirklichkeit nurmehr von außen anschmiegt), wechselt der Tonfall und ähnlich wie seine Handlung klappt nun auch die inszenatorische Gestaltung des Films von einem Modus zum nächsten über. Wir bewegen uns durch ein örtlich nicht gebundenes Blumenmeer - ein inneres Bild. Die weißen Füchse - shapeshifter - werden oft durch Zeichentrickanimationen dargestellt, die schnell durch das Bild huschen. Oder sie sind kleine Flämmchen, die sich durch die Physik des Bildes schmeicheln. Und irgendwann wird ein Vorhang zurückgezogen und wir schauen auf eine Bühne, reine Holzkulisse ringsum.
Das Schöne daran ist, dass auch hier nicht geheischt, sondern einer beinahe schon wieder asketischen Ökonomie des Wechsels gefolgt wird. Bemerkenswerterweise schnippt die Instanz des Films immer passgenau in jenem Moment mit dem Zauberfinger, wenn man sich in der "neuen" Welt eingerichtet hat (oder sich vielleicht auch ob des gemächlichen Tempos zu langweilen beginnt - am Tag 9 eines Festivalmarathons sei dies verziehen). Und da jede Idee die vorangegangene um Nuancen toppt, ist man dann wieder plötzlich hellauf begeistert und ganz mittendrin. Die Konsequenz dieses Umklappens bringt das Theaterbild schließlich zum Höhepunkt, wenn das ganze Set in sich ein- und umstürzt, kontrolliert natürlich und an den richtigen Fäden gezogen, so dass ein Neues entsteht.
Dann hat der Film sein Ende gefunden und man ist froh, die von Erika Gregor im Begleittext angeratene Geduld mitgebracht zu haben. Ein schöner, entdeckenswerter Film; dass er nun auch in der "Magical History Tour" des Arsenals regelmäßig zu sehen sein wird, ist für die ambitionierte filmhistorische Reihe des Hauskinos der Deutschen Kinemathek ein großer Gewinn.
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Thema: Berlinale 2005
Zwei Filme gestern nur, beide von Im Kwon-Taek, dem Altmeister aus Korea, der derzeit an seinem 100. Film arbeitet und im Rahmen der Berlinale mit einer sektionsübergreifenden Werkschau (und einer Goldenen Kamera) gewürdigt wird. Sie waren meine ersten Kwon-Taek-Filme und ich bin froh, dass ich sie im einigermaßen entspannten Umfeld von nur zwei Sichtungen am Tag sehen konnte.
Chukje, der erste der beiden, 1996 gedreht, nimmt den Tod einer Großmutter zum Anlass, die traditionellen Beerdigungsrituale Koreas genau vorzustellen. Daran knüpft er zahlreiche kleine Familiengeschichten und -charaktere an. Formal beinahe schon klassisch, wenn nicht fast schon "unsichtbar" inszeniert, ist der Film dennoch alles andere als altbackenes Kino. In der Darstellung der einzelnen, über mehrere Tage hinweg vollzogenen Rituale - die einzigen Szenen, die mit nicht-diegetischer Musik unterlegt sind - entwickelt der Film bisweilen dokumentarischen Charakter. Das geht soweit, dass dem westlichen Publikum in erklärenden Untertiteln die einzelnen Rituale, die im Bild nur präsentiert, aber nicht erläutert werden, nahegebracht werden. Dann aber wiederum ist der Film alles andere als ein Dokumentarfilm, auch wenn - was zuweilen irritiert, aber sehr positiv - man nie das Gefühl hat, Erzählkino beizuwohnen. Viele Menschen finden sich zur Beerdigung ein, Familiengeschichten breiten sich aus (ohne, dass es nostalgisch zugänge, eher ist alles einer gewissen Tradition des Realismus unterworfen), in denen die Großmutter immer auch dazuzählt, aber oft auch nur zum Detail am Rande gerät. Es ergibt sich ein "Patchwork", das mit unserem Begriff dessen nichts gemein hat. Eher scheint es um Zusammensetzungen zu gehen: Wie die einzelnen Rituale der Zeremonie, was die Untertitel erläutern, aus verschiedenen Traditionen zusammengesetzt sind (zum Teil sogar widersprüchlich), erscheint auch die Großmutter, ja die Familie aus widersprüchlichen Elementen zusammengesetzt. Gestützt wird der Eindruck auch durch die verschiedenen Erzähler, die der Film aufweist, am spannendsten darunter vielleicht die kleine Tochter des ältesten Sohnes, für deren Überlegungen über die Großmutter der Film eine eigens gestaltete Sphäre - eine kulissenhafte Kinderbuchwelt (was passt: ihr Vater ist Schriftsteller, am Ende wird er ein Kinderbuch geschrieben haben) - reserviert. Ein faszinierender Film, der vielleicht mein Favorit dieses Festivals werden könnte.
Wangshibri, der älteste Film des Regisseurs, der auf dem Festival zu sehen ist, fühlt sich da ganz anders an, auch wenn an einer Stelle, wenn in einer Erinnerung an den Rand einer Beerdigung geblickt wird, sich eine Art "Wurmloch" im Werk des Regisseurs auftut, über das beide Filme für wenige Augenblicke miteinander, über die Zeit hinweg, verbunden scheinen. Wangshibri, von 1976, steht noch deutlich den Genrefilmen des Regisseurs nahe (wie man hört, hat Im Kwon-Taek seine Arbeit mit zahlreichen Actionfilmen begonnen, von denen er sich heute - leider - distanziert), was sich vor allem in der formalen Gestaltung niederschlägt: Wäre das kein wehmütiges Melodram, das - große Kunst - am Ende in ein etwas peinliches weepy movie umzuschlagen droht, dann aber, irritierend, in großes Gelächter auf der Leinwand mündet, könnte man, rein von der Inszenierung her gesehen, auch auf einen typischen Action/Gangsterfilm der 70er schließen. Es wird viel mit Zooms gearbeitet, die Dynamik des Scopebildes wird für spannungsreiche Kompositionen genutzt, alles ist angefüllt mit einem 70s chic, der mein Herz - ich bin Videokind der frühen 80er - schnell hoch schlagen lässt. Gelegentlich gibt es sogar einen recht funky score, mit typischen 70er-Instrumenten eingespielt, Rückblenden werden mit speziellen Farbfiltern, die nur in dieser Dekade wirklich gut aussahen, bewerkstelligt und in manchen Hotelzimmerszenen bestimmt ein dezent von der Seite hereinstrahlendes Rot die Konturen der Gesichter (diegetisch bedingt durch die Neonröhrenschrift vor dem Fenster - "Hotel" -, die in der ersten Szene in diesem Zimmer dezent am Rande glaubhaft eingeführt wird). Und in der Tat scheint die melancholische Hauptfigur, die nach 14 Jahren Exil in ihre Heimatstadt zurückkehrt, in der Zwischenzeit als Gangster zu einigem Wohlstand gekommen. Es geht im wesentlichen um seine unglücklich geendete Liebe zu einem jungen Mädchen: Er musste seinerzeit die Stadt verlassen, um einem innerfamiliären Rechtsstreit um eine große Erbschaft aus dem Weg zu gehen. Bald trifft er die - nun verheiratete - Frau wieder, doch als bekannt wird, dass sein Geldbeutel prall gefüllt ist, beginnt sie ihn in betrügerischer Absicht zu umschmeicheln. Parallel erzählt sich die Geschichte einer Prostituierten mit dem goldenen Herzen, die dem Zurückgekehrten liebevoll verfällt.
Wangshibri (d.i. der Name der Stadt, in die zurückgekehrt wird) ist eine elegant inszenierte Literaturverfilmung, wie sie dem Vernehmen nach für das koreanische Kino der 70er typisch ist. Es spricht eine hohe Meisterschaft aus diesen Bildern, was Inszenierung, Optik und Effizienz betrifft. Schon allein deshalb eine wahre Freude, diesem sich entspannt entfaltendem Film zuzusehen, den eine tiefe Wehmut durchzieht, die sich aber nie grüblerische Schwerfälligkeit übersetzt. Eher umschmeichelt ihn die Tristesse eines schneeüberdeckten Morgens und in der Tat spielen die schönsten Szenen des Films im Schnee. Ich war festivalbedingt zwar nicht für jedes Detail aufnahmefähig, aber ganz generell kann ich festhalten, einen ungemein schönen Film gesehen zu haben. Vor allem das Gespür für das kameratechnisch verfremdete "Genrebild" (wie ich es mal salopp nennen will) hat mich hier gepackt und es wäre wohl wirklich mal interessant, die früheren Arbeiten des Regisseurs zu Gesicht zu bekommen: Hier sind, da bin ich mir nun sicher, unter Garantie Schätze des kommerziellen Kinos zu heben.
Chukje, der erste der beiden, 1996 gedreht, nimmt den Tod einer Großmutter zum Anlass, die traditionellen Beerdigungsrituale Koreas genau vorzustellen. Daran knüpft er zahlreiche kleine Familiengeschichten und -charaktere an. Formal beinahe schon klassisch, wenn nicht fast schon "unsichtbar" inszeniert, ist der Film dennoch alles andere als altbackenes Kino. In der Darstellung der einzelnen, über mehrere Tage hinweg vollzogenen Rituale - die einzigen Szenen, die mit nicht-diegetischer Musik unterlegt sind - entwickelt der Film bisweilen dokumentarischen Charakter. Das geht soweit, dass dem westlichen Publikum in erklärenden Untertiteln die einzelnen Rituale, die im Bild nur präsentiert, aber nicht erläutert werden, nahegebracht werden. Dann aber wiederum ist der Film alles andere als ein Dokumentarfilm, auch wenn - was zuweilen irritiert, aber sehr positiv - man nie das Gefühl hat, Erzählkino beizuwohnen. Viele Menschen finden sich zur Beerdigung ein, Familiengeschichten breiten sich aus (ohne, dass es nostalgisch zugänge, eher ist alles einer gewissen Tradition des Realismus unterworfen), in denen die Großmutter immer auch dazuzählt, aber oft auch nur zum Detail am Rande gerät. Es ergibt sich ein "Patchwork", das mit unserem Begriff dessen nichts gemein hat. Eher scheint es um Zusammensetzungen zu gehen: Wie die einzelnen Rituale der Zeremonie, was die Untertitel erläutern, aus verschiedenen Traditionen zusammengesetzt sind (zum Teil sogar widersprüchlich), erscheint auch die Großmutter, ja die Familie aus widersprüchlichen Elementen zusammengesetzt. Gestützt wird der Eindruck auch durch die verschiedenen Erzähler, die der Film aufweist, am spannendsten darunter vielleicht die kleine Tochter des ältesten Sohnes, für deren Überlegungen über die Großmutter der Film eine eigens gestaltete Sphäre - eine kulissenhafte Kinderbuchwelt (was passt: ihr Vater ist Schriftsteller, am Ende wird er ein Kinderbuch geschrieben haben) - reserviert. Ein faszinierender Film, der vielleicht mein Favorit dieses Festivals werden könnte.
Wangshibri, der älteste Film des Regisseurs, der auf dem Festival zu sehen ist, fühlt sich da ganz anders an, auch wenn an einer Stelle, wenn in einer Erinnerung an den Rand einer Beerdigung geblickt wird, sich eine Art "Wurmloch" im Werk des Regisseurs auftut, über das beide Filme für wenige Augenblicke miteinander, über die Zeit hinweg, verbunden scheinen. Wangshibri, von 1976, steht noch deutlich den Genrefilmen des Regisseurs nahe (wie man hört, hat Im Kwon-Taek seine Arbeit mit zahlreichen Actionfilmen begonnen, von denen er sich heute - leider - distanziert), was sich vor allem in der formalen Gestaltung niederschlägt: Wäre das kein wehmütiges Melodram, das - große Kunst - am Ende in ein etwas peinliches weepy movie umzuschlagen droht, dann aber, irritierend, in großes Gelächter auf der Leinwand mündet, könnte man, rein von der Inszenierung her gesehen, auch auf einen typischen Action/Gangsterfilm der 70er schließen. Es wird viel mit Zooms gearbeitet, die Dynamik des Scopebildes wird für spannungsreiche Kompositionen genutzt, alles ist angefüllt mit einem 70s chic, der mein Herz - ich bin Videokind der frühen 80er - schnell hoch schlagen lässt. Gelegentlich gibt es sogar einen recht funky score, mit typischen 70er-Instrumenten eingespielt, Rückblenden werden mit speziellen Farbfiltern, die nur in dieser Dekade wirklich gut aussahen, bewerkstelligt und in manchen Hotelzimmerszenen bestimmt ein dezent von der Seite hereinstrahlendes Rot die Konturen der Gesichter (diegetisch bedingt durch die Neonröhrenschrift vor dem Fenster - "Hotel" -, die in der ersten Szene in diesem Zimmer dezent am Rande glaubhaft eingeführt wird). Und in der Tat scheint die melancholische Hauptfigur, die nach 14 Jahren Exil in ihre Heimatstadt zurückkehrt, in der Zwischenzeit als Gangster zu einigem Wohlstand gekommen. Es geht im wesentlichen um seine unglücklich geendete Liebe zu einem jungen Mädchen: Er musste seinerzeit die Stadt verlassen, um einem innerfamiliären Rechtsstreit um eine große Erbschaft aus dem Weg zu gehen. Bald trifft er die - nun verheiratete - Frau wieder, doch als bekannt wird, dass sein Geldbeutel prall gefüllt ist, beginnt sie ihn in betrügerischer Absicht zu umschmeicheln. Parallel erzählt sich die Geschichte einer Prostituierten mit dem goldenen Herzen, die dem Zurückgekehrten liebevoll verfällt.
Wangshibri (d.i. der Name der Stadt, in die zurückgekehrt wird) ist eine elegant inszenierte Literaturverfilmung, wie sie dem Vernehmen nach für das koreanische Kino der 70er typisch ist. Es spricht eine hohe Meisterschaft aus diesen Bildern, was Inszenierung, Optik und Effizienz betrifft. Schon allein deshalb eine wahre Freude, diesem sich entspannt entfaltendem Film zuzusehen, den eine tiefe Wehmut durchzieht, die sich aber nie grüblerische Schwerfälligkeit übersetzt. Eher umschmeichelt ihn die Tristesse eines schneeüberdeckten Morgens und in der Tat spielen die schönsten Szenen des Films im Schnee. Ich war festivalbedingt zwar nicht für jedes Detail aufnahmefähig, aber ganz generell kann ich festhalten, einen ungemein schönen Film gesehen zu haben. Vor allem das Gespür für das kameratechnisch verfremdete "Genrebild" (wie ich es mal salopp nennen will) hat mich hier gepackt und es wäre wohl wirklich mal interessant, die früheren Arbeiten des Regisseurs zu Gesicht zu bekommen: Hier sind, da bin ich mir nun sicher, unter Garantie Schätze des kommerziellen Kinos zu heben.
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