Freitag, 25. März 2005
Moonraker (Lewis Gilbert, GB 1979)
In schöner Regelmäßigkeit bezeichnet Georg Seeßlen die Phase des Kinos seit den 70er Jahren als "Implosion der Genres". Star Wars dient in der Regel als Kronzeuge: Hier fielen zahlreiche Genres ineinander und ergaben vielleicht soetwas wie die Essenz des Genrefilms. Moonraker entstand kurz nach George Lucas' Weltraum-Western-Märchen-Action-Fantasy-Nibelungen-Tolkien-Saga und ist als deutlicher Versuch, an diese anzuschließen, zu erkennen.
Will man nun die Rede von den implodierten Genres als gültig ansehen, ist Moonraker vielleicht soetwas wie der Beweis der allgemeinen Verwirrung, den diese Entwicklung in ihrer Frühzeit ausgelöst haben mag: Ganz und gar unbeholfen und geradewegs erstaunlich hilflos manövriert sich da ein Film, durch diverse Genrewelten und schielt dabei auf die neue Blockbuster-Form wie die eigenen Implikationen gleichermaßen. Dazu passt die vollkommen delirierende Story, die sich mit Kohärenz schon gar nicht mehr aufhält: Roger Moore springt als, mal genau besehen, sensationell ahnungsloser Horst durch eine internationale Kulisse, ohne dass die Sprünge als solche noch irgendwie in ein sinnstiftendes Gefüge eingepflegt würden. Ähnlich springt man von einer stupiden Westernszene, in der Moore als Eastwood als namenloser Leone-Held zu Pferde reichlich dämlich ausschauen darf, über Agentengimmick-Trash hin zu einer gnadenlos dümmlichen Space-Opera in den letzten Minuten, in der selbst Beißer noch eine trashige Liebesbeziehung eingehen und einer von den Guten werden darf.
Als Film für sich genommen ist das allenfalls inakzeptabel. Noch nicht einmal zum unterhaltsamen Trash - Marke: Gurke zwar, aber amüsant gegen die Wand gefahren - hat es hingereicht. Aber auf einer zweiten Ebene, filmgeschichtlich besehen, ist dieser Film dann doch bemerkenswert: Als Symptom einer Konfusion im Zeitalter des frühen Blockbusters.
Immerhin sehr bemerkenswert: Ken Adams Set-Arbeiten, die, zwischen üblicher Moderne-Gigantonomie und Pulp-Geekiness, sicherlich zu seinen besten gezählt werden dürfen, und eine sensationell inszenierte Actionszene über den Wolken recht früh im Film: Deren komplizierte Produktion wird im Bonusmaterial der DVD genau erläutert. [imdb ~ mrqe]

Wir (Martin Gypkens, Deutschland 2003)
Kennen Sie die peinliche Berührung des Mitschämens? Anhand von Wir kann man die sehr gut nachvollziehen: Da wird eine Art Zustandsbeschreibung versucht, die dann auch noch, nicht unbescheiden, über den Titel zum Bild einer ganzen Generation stilisiert wird: Das also, das sind "wir". Wir, die wir in den 90ern nach Berlin und dann noch durch die Bars zogen, gefangen in schlechten Callcenter-Jobs, die wir uns abgrenzen wollten, von alten Freunden und alter Provinz. Neue Stadt, neue Leute, neue Probleme. Es klappt mit dem alten Freundeskreis nicht mehr so ganz. Man will künstlerisch aktiv sein, einen Film drehen. Das ist der Spirit von Prenzlberg '96. Bars und Clubs in Mitte. Liebesaffären. Retro-Wohnungen.
Ein Film, der sich mit Trivialitäten aufhält: Ja, der Umzug in die große Stadt ist ein großer Einschnitt in jede Biografie. What else is new? Ja, man kann unter den zahlreichen Eindrücken schon schnell einen Großstadtkoller erleiden. Where is the fuckin' beef in all of this? Was bleibt ist das Portrait einer heillos neurotischen, ungemein langweiligen selbsternannten "Generation Berlin", die schon in den 90ern nach einer postmodernen Wiederkehr der öden 80er roch. Warum sollte ich mir Deppen im Film anschauen, die ich privat noch nicht mal meiden müssen will, um dann auch noch plump vereinnahmt werden zu müssen? "Wir", allein dieses Wort schon: "Wir" - abschaffen bitte! "Wir" das hat Freddie Quinn penetrant im Refrain gesungen, als er gegen die "Gammler" lyrisch in den Krieg zog, und "wir" das singen heutzutage die spackdumme 2raumwohnung und das Duo Infernale der Popmusik, Heppner und Dyk. Kurzum: "Wir", das ist grundsätzlich dumme Scheiße und erinnert in diesem Fall sträflich an das "Kinder vom Bahnhof Zoo"-Gewese: Im Jugendalter kiffen und währenddessen das "Kinder"-Buch lesen, das strackdumme "Wir"-Gefühl eben... [imdb ~ filmz.de]

Anatomie / Anatomie 2 (Stefan Ruzowitzky, Deutschland 2000/2003)
Ruzowitzkys Siebtelbauern, den er vor diesen beiden Desastern der Horrorfilmgeschichte drehte, soll, dem Vernehmen nach, große Kunst sein. Diese beiden Filme sind nun allerdings nicht gerade geeignet, Lust auf ein Stöbern in dieser Filmografie zu machen.
Beide Filme sind so irgendwie "Filme von und für Mediengestalter": Jedes Bild sitzt, ist handwerklich perfekt. Das Licht stimmt genau, die Einstellungsgrößen sind prima, gute Bilder für den Schnitt - das freut jeden Azubi-Prüfer und im Fernsehen, wo solche Perfektion gefragt ist, können es alle Beteiligten, die nun ein perfektes Portfolio vorweisen können, bestimmt noch weit bringen. Doch ein Horrorfilm braucht in erster Linie keine handwerkliche Gelacktheit, sondern Seele. Und wenn die fehlt, dann ist alles andere hinfällig, samt und sonders für die Katz'. Über die sorgfältige, handwerkliche Gestaltung hat man - in beiden Auflagen des Stoffes - den Charme vergessen und spult stattdessen eine lieblose Ansammlung von üblichen Versatzstücken aus dem Arsenal ab, das die Welt der Groschenromane von Bastei Lübbe bildet: Etwas Verschwörungstheorie, ein unheimliches Institut, im zweiten Teil ein wenig Nazi-Trash, ein bisschen Krimi und unbeholfenes "Urangst"-Triggern. Dabei ist man sich, seitens der Produktion, nie ganz im Klaren, ob das jetzt "cool", "spannend", "pulpig" oder öd ironisch "albern" sein soll. Entsprechend irrlichtern beide Filme durch sich selbst, verweilen gelegentlich an Spannungsmomenten, die als solche nur behauptet werden, und sind, im wesentlichen, nur dafür da, eine Ansammlung handwerklich gut gemachter Bilder abzuliefern. Ein Horrorfilm von Leuten, die vom Horror nichts verstanden haben, für Leute, die Horrorfilme ansonsten nicht schauen, aber bei "uns Franka" mal fünfe gerade sein lassen. Ein liebloses Machwerk in doppelter Ausführung.
[imdb] ~ [imdb ~ filmz.de]

Catwoman (Pitof, USA 2004)
Pitof hatte zuvor in Frankreich den außerordentlich schönen Vidocq gedreht, früher hat er bei Jeunet die Visuals überwacht. Der Mann weiß also, wie "gut aussehen" geht. In Catwoman darf er dann auch mit der Kamera schnörkeln und schnörkeln und schnörkeln. Und in die Katzen, die heimlichen Hauptdarsteller, hat er sich augenscheinlich voll und ganz verliebt.
Bringt aber alles nichts, denn jenseits aller Künststückchen plätschert der Film uninspiriert durch eine mäßig spannende Story, die zudem - was fatal für einen Superheldenfilm ist, zumal für den ersten eines Franchise - langweilig wird, sobald sie erst in Fahrt kommt. Damit ist Catwoman wohl in der Tat die erste Origin Story, die vor der Heldenwerdung amüsanter ist als danach. Spannungsfreies Lack-und-Leder-Einerlei.
[imdb ~ mrqe ~ filmz.de ~ angelaufen.de]


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Groovy Age of Horror

Sehr schönes und vor allem lesenswertes (!) Blog, das sich mit dem Horror der 70er Jahre beschäftigt. Hauptsächlich dem literarischen, wohlgemerkt. Für so etwas sind Weblogs da! Für literarische Magazine jenseits aller Aktualität, die die Nischen und Grotten der Kultur vergangener Dekaden nach in Vergessenheit geratenen Schatzkisten durchsuchen. [via]


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Thema: good news


MovieWeb.com präsentiert ein erstes Review zu The Devil's Rejects, dem herbeigesehnten Sequel zu House of 1000 Corpses von Rob Zombie. House ist einer der besten (und unterhaltsamsten und klügsten) Neo-Terrorfilme der letzten Jahre und stellt eine kunterbunte Achterbahnfahrt durch das bizarre Archiv des modernen Horrorfilms dar. Das euphorische Review lässt jedenfalls darauf hoffen, dass der zweite Teil dem ersten in nichts nachsteht (wobei solche super-frühen Reviews natürlich meistens over the top ausfallen, wer würde schon "hey, ich war bei der allerallerersten Vorführung von XY dabei und es saugte Arsch galore!" schreiben, wenn man so irre wichtig ist?).

Hier die offizielle Website mit weiteren, freudig stimmenden Eindrücken.


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kino casablanca | wagstraße 4a | 97199 ochsenfurt | tel 09 331 54 41

offiziell

Diese Aufnahme in die etwas vernachlässigte Kategorie "Lieblingskinos" bedarf eventuell einer Erläuterung, als Wahlberliner bin ich schließlich nur sehr selten im fränkischen Ochsenfurt anzutreffen: Das Casablanca ist eine echte Oase für Filmfreunde in einer Gegend, die ansonsten kaum mit einem anspruchsvollen und interessanten Kinoprogramm jenseits üblicher Produktionen aufwarten kann. Der Geist, dass ein gutes Kino auch jenseits der großen Städte möglich ist, durchdringt dieses schöne Spielstätte ganz und gar: Neben aktuellem Arthaus- und Autorenkino zeigt man auch in schöner Regelmäßigkeit alte Filme oder organisiert kleine Werkschauen. Kurzfilme vor dem eigentlichen Programm sind obligatorisch. Man gibt ein sehr schön gestaltetes Monatsprogramm heraus und hat am Tresen alle relevanten Filmzeitschriften im Angebot. Im Kinosaal leuchten an der Decke die Sterne des Himmels, zwischen den Sitzen ist auch für Berufsriesen wie mich genügend Beinfreiraum, die Steigung der Reihen ergibt mit der etwas erhöht angebrachten Leinwand optimale Sichtverhältnisse und als besonderen Clou kann man seine Füße auch auf einer durchläufigen Stange, die unter den Vordermannsitzen untergebracht ist, abstellen: Klingt banal, ist aber im Effekt ein enormer Gewinn an Gemütlichkeit. Kurzum: Hier wurde bis ins Detail mitgedacht, um auch in der Peripherie des Kinobetriebs eine echte Alternative für bessere Kinokultur anzubieten.

Im Verbund mit dem sorgfältig zusammengestellten Programm und der in jedem Detail erspürbaren Lust am Kino ergibt dies einen heimeligen Ort für Filmfreunde, von dem sich sogar manches Hauptstadtkino eine kleine Scheibe abschneiden könnte. Ich nutze die Möglichkeit jedenfalls gerne, so sie sich, wenn ich in der fränkischen Heimat weile, ergibt, das Casablanca zu besuchen. Auch ansonsten ist das Casablanca in der Region unter Filmfreunden ein Begriff: Manch einer nimmt regelmäßig ein bis zwei Stunden Autofahrt in Kauf, um dort einen Film sichten zu können, den es in der ganzen weiteren Umgebung ansonsten nicht zu sehen gibt. Wen es ins Fränkische verschlägt, sei dieser Ort deshalb dringend - und deshalb auch an dieser Stelle - empfohlen.


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