Thema: Filmtagebuch
13. April 05 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
12.04.2005, Kino Intimes; Inhalt
Es stirbt sich schön, im neuen Film von Jean-Pierre Jeunet. Und über allem schweben Badalamentis traurige Weisen, nur um wieder aufs Neue glaubhaft zu versichern, dass dies hier Melancholie sei, das große Drama und, nicht zu vergessen, die große Liebe. Was für's Herz (und immer: was für's, ach was, was aufs Auge).
Das steinere Gefühl, das einen bespringt, wenn man in einen saftig einladenden Apfel zu beißen meint und es stellt sich heraus: Er ist aus Wachs. In Mathilde ist alles Wachs. Und dann stapft Jodie Foster durch's Bild - "Aber das ist doch..."-Getuschel im Saal begleitet den Auftritt -, dann wird sie irgendwann besprungen und ist wieder weg. Und so verhält sich das mit jedem Stück nostalgischer Klebrigkeit, das Jeunet hier in zähe Langeweile packt: Eine Ausschmückerei noch bis ins Pittoreske hinein, aber alles so wurscht, abgespult, reines Programm. Und Audrey Tatous Hintern zerren wir auch noch ins Bild. Wie niedlich er ist. So müde nach dem Film.
Ich bin nun weiß Gott keiner, den im Kino zu sentimentalen Emotionen hinzumobilisieren es viel Aufwands benötigte. Dass ich am Ende nur ein verwirrtes So where's the beef? im Kopf hatte ist vor diesem Hintergrund bezeichnend. Mathilde schaut und schaut und schaut. Diesseits des Bildes ich im Saal und mach's genauso. Und schaue und schaue und schaue. Vektoren, die ins Nichts führen, in geschmolzenes Wachs allenfalls.
imdb ~ filmz.de ~ angelaufen.de
Es stirbt sich schön, im neuen Film von Jean-Pierre Jeunet. Und über allem schweben Badalamentis traurige Weisen, nur um wieder aufs Neue glaubhaft zu versichern, dass dies hier Melancholie sei, das große Drama und, nicht zu vergessen, die große Liebe. Was für's Herz (und immer: was für's, ach was, was aufs Auge).
Das steinere Gefühl, das einen bespringt, wenn man in einen saftig einladenden Apfel zu beißen meint und es stellt sich heraus: Er ist aus Wachs. In Mathilde ist alles Wachs. Und dann stapft Jodie Foster durch's Bild - "Aber das ist doch..."-Getuschel im Saal begleitet den Auftritt -, dann wird sie irgendwann besprungen und ist wieder weg. Und so verhält sich das mit jedem Stück nostalgischer Klebrigkeit, das Jeunet hier in zähe Langeweile packt: Eine Ausschmückerei noch bis ins Pittoreske hinein, aber alles so wurscht, abgespult, reines Programm. Und Audrey Tatous Hintern zerren wir auch noch ins Bild. Wie niedlich er ist. So müde nach dem Film.
Ich bin nun weiß Gott keiner, den im Kino zu sentimentalen Emotionen hinzumobilisieren es viel Aufwands benötigte. Dass ich am Ende nur ein verwirrtes So where's the beef? im Kopf hatte ist vor diesem Hintergrund bezeichnend. Mathilde schaut und schaut und schaut. Diesseits des Bildes ich im Saal und mach's genauso. Und schaue und schaue und schaue. Vektoren, die ins Nichts führen, in geschmolzenes Wachs allenfalls.
imdb ~ filmz.de ~ angelaufen.de
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Thema: Alltag, medial gedoppelt
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Ewigkeit her, war irgendwann kurz vor letztem Silvester: Eine Frau am Zeitungsregal im Edeka. "Das Lesen der Zeitschriften verpflichtet zum Kauf"-Schild gleich vor ihrer Nase hat sie ganz offensichtlich nicht weiter beachtet. Manchmal, wenn mir gerade blöd zumute ist, mache ich daraus 'nen dummen Spruch von hinten kommend und feixe, nach dem Schreck, vondannen. Kurz bevor ich in diesem Falle zu diesem gewiss wunderlichen Projekt anheben kann, bemerke ich, dass die, nun, rein äußerlich eher etwas herausgeforderte Dame in den für diese Jahreszeit üblicherweise recht dicken Horoskopteil versunken ist. So von wegen "Was bringt das nächste Jahr?". Sie liest, ganz und gar versunken, beinahe schon andächtig, die Rubrik "Liebe und Leidenschaft". Eine Ernsthaftigkeit spricht aus ihrem Gesichtsausdruck, beim Studium dieser Zeilen, dass ich perplex stehenbleibe. Was hier im Leben schief gegangen ist, dass sich beim Edeka-Einkauf Trost am Zeitungsregal versprochen wird, vielleicht sogar etwas Hoffnung für die kommenden Monate, übersteigt für einen Moment lang mein Fassungsvermögen (bis heute eigentlich).
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Thema: Alltag, medial gedoppelt
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Keine gute Idee: Sich sonntagabends online durch den Katalog des Verbunds der Berliner Stadtbibliotheken auf der Suche nach schon immer mal gelesen haben wollender Comics zu begeben. Dabei kann es nämlich gut geschehen, dass sich in der Tat nahezu alle Titel ausfindig machen und zudem auch noch - Zauberwort "verfügbar" - allesamt in zahllosen Regalen der Stadt gerade entleihen lassen. Dies hat dann nämlich zur Folge, dass man sich am Montag, mit Rucksack, Tragetasche und einer langen Liste mit Adressen und Signaturen bewaffnet, auf eine haarsträubende Tour mit den Berliner Verkehrsbetrieben einlässt, um alle Titel fröhlich einzusammeln. Spätestens nach zwei Bibliotheken gibt man dann bereits eine mal eher lächerliche Erscheinung ab, denn natürlich stößt man beim fröhlichen Einsammeln auf so manche bislang nicht in Augenschein genommene Bibliothek mit einer ganz und gar exzellenten Comiczusammenstellung. Frommen Charakters möge da sein, wer sich auf die vorab notierten Titel beschränken kann, nur ist das ein Charakterzug, der für meine Person so richtig gar keine Geltung besitzt. Also richtet man sich sein Kreuz nicht nur mit den ohnehin schon gut 5 bis 6 Kilo an eigentlich gesuchter Kost zugrunde, man packt auch noch pro Bibliothek 'ne gute Handvoll Bücher mit dazu. Nach einem langen Nachmittag, der einen die groteskesten Kieze dieser Stadt ansichtig werden lässt, bricht man dann abends, endlich zuhause angekommen, unter der Last zusammen, hat aber immerhin genügend Lesestoff für das kommende Semester parat, um auch ja genügend Gründe zu haben, sich mit der vorgegebenen Literatur nicht zu befassen.
Ein Glück immerhin, dass ich ohnehin fast ausschließlich Vorlesungen zu besuchen gedenke (nachdem ich mich im letzten Semester mit einem beinahe ausschließlich aus Seminaren bestehenden Stundenplan gelungen geschunden habe) und auch mein Antrieb, Scheine zu machen, beschränkt sich diesmal aufs Notwendigste (anvisiert sind zwei). Und immerhin möchte ich ein Seminar zur Ästhetik des Comics besuchen. Von daher ist das alles Arbeitsmaterial im Namen der Wissenschaft, mit dem ich jetzt meine freien Nachmittage auf dem Balkon verbringen werde ...
Ein Glück immerhin, dass ich ohnehin fast ausschließlich Vorlesungen zu besuchen gedenke (nachdem ich mich im letzten Semester mit einem beinahe ausschließlich aus Seminaren bestehenden Stundenplan gelungen geschunden habe) und auch mein Antrieb, Scheine zu machen, beschränkt sich diesmal aufs Notwendigste (anvisiert sind zwei). Und immerhin möchte ich ein Seminar zur Ästhetik des Comics besuchen. Von daher ist das alles Arbeitsmaterial im Namen der Wissenschaft, mit dem ich jetzt meine freien Nachmittage auf dem Balkon verbringen werde ...
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Thema: Berliner Filmgeschehen
Kultursenator Thomas Flierl will das Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz offensichtlich an die K&K Kino- und Konzerte GmbH mit Timothy Grossman an der Spitze vermieten. Die Kulturverwaltung bestätigt den Namen nicht, aber Protest hat sich trotzdem schon formiert. Mitbewerber um das mit 320 000 Euro jährlich subventionierte Filmtheater - darunter die Hackeschen Höfe, das EYZ Kino, das Central Kino und der Babylon e.V. - werfen dem Senator vor, Grossman unbegründet zu bevorzugen.
Die ganze Meldung hier bei der Berliner Zeitung. (das "offensichtlich" im ersten Satz wäre meiner Meinung nach allerdings durch das journalistisch wohl probatere "offenbar" zu ersetzen - eine "Offensichtlichkeit" scheint aus den vorliegenden Quellen jedenfalls bislang noch nicht hervorzugehen, nur so meine 5 Cent am Rande...)
Die ganze Meldung hier bei der Berliner Zeitung. (das "offensichtlich" im ersten Satz wäre meiner Meinung nach allerdings durch das journalistisch wohl probatere "offenbar" zu ersetzen - eine "Offensichtlichkeit" scheint aus den vorliegenden Quellen jedenfalls bislang noch nicht hervorzugehen, nur so meine 5 Cent am Rande...)
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Thema: Filmtagebuch
11.04.2005, Heimkino
Ein Offizier von Rang und Namen (Ed Harris) – seine Karriere ließ ihn die Tet-Offensive ebenso miterleben wie den Desert Storm (von zahlreichen Geheimmissionen jenseits offizieller Verlautbarungen ganz abgesehen) – sucht Rache an den Vereinigten Staaten, welche seinen im Dienst für die Nation dahingegangenen Kameraden noch nicht mal ein offizielles Militärbegräbnis (von Entschädigungen für die Hinterbliebenen ganz zu schweigen) haben zukommen lassen. Zu diesem Zweck bringt er mit gleichgesinnten Soldaten mehrere mit tödlichen Chemikalien bestückte Raketen in seinen Besitz, nimmt eine Gruppe Touristen auf der legendären, nunmehr stillgelegten Gefängnisinsel Alcatraz zur Geisel, um von dort aus die Raketen auf San Francisco zu richten. Seine Forderung: 100 Millionen Dollar, davon je eine Million als Entschädigung für 83 Familien, den Rest für ihn zur freien Verfügung, und freies Geleit in ein Land ohne Auslieferungsverfahren für ihn und seine Kameraden. Die Regierung ruft den Chemikalienexperten Goodspeed (Nicolas Cage) auf den Plan, der alleine die Raketen entschärfen könnte. Um die Insel überhaupt einnehmen zu können, bedarf es indes der Dienste eines seit Jahr und Tag namenlos in Gewahrsam der us-amerikanischen Regierung einsitzenden britischen Geheimdienstagenten (Sean Connery), der einzige, dem in der Geschichte von Alcatraz je die Flucht von dort gelang. Der zeigt sich, aus naheliegenden Gründen, nicht unbedingt kooperationswillig, vielmehr ist er an einer möglichst bedingungslos wiedererlangten Freiheit interessiert. Unterdessen verrinnt die knappe Zeit bis zum Ende des Ultimatums: 24 Stunden nach Einnahme der Gefängnisinsel sollen die ersten todbringenden Raketen abgefeuert werden ...
The Rock lässt sich umstandslos als höchst gelungener Vertreter des typischen Blockbuster-Kinos der 90er Jahre einsortieren. Seine Ziele erreicht er ohne weiteres mit Bravour. Diese mögen, im Sinne eines künstlerisch avancierten Kinos, nicht hoch angesetzt sein, doch besitzen auch sie, in der Tradition wiederum einer Geschichte des Kinos als Spielfeld für neue und vor allem angewandte Technologien, Gültigkeit. Nun setzen viele Regisseure (und noch mehr Filme) auf die Mischung einer dynamisch angehenden Geschichte mit viel technologischem Rabatz, doch ist es eben vor allem immer wieder das Team Bay/Bruckheimer, das nicht nur die nötigen finanziellen Mittel, sondern auch das nötige Wissen um diese Ader des Kinobetriebs mitbringt, um solchen (ebenfalls an sich nicht zu gering einzuschätzenden) Ansprüchen voll und ganz zu entsprechen. Hier erweist sich Kommerzialität ausnahmsweise als unbedingter Hauptgewinn: Während die unzähligen Actionklopper, die direct to video in die Filmwelt geblasen werden, für gewöhnlich an mehreren Stellen kranken – sei es ein für diese Ansprüche noch mangelhaft konstruierter narrativer Rahmen oder aber sichtliche handwerkliche wie finanzielle Mängel in der Gestaltung der Hauptattraktionen -, stellt ein Film wie The Rock, natürlich noch bis in Detail aus kulturindustriellen Überlegungen heraus konzipiert, ein in jeder Hinsicht perfektes Paket dar, das sein Publikum immerhin in jeder Hinsicht zufrieden zu stellen vermag. Wenn schon Action-Blockbusterkino – ein Kino also, das seine Grandezza vor allem im tadellosen Handwerk entwickelt -, dann auf diese Weise, wo das Gefüge aus Charakterentwicklungen, dem grundlegenden Szenario und die darauf abhebende Action ein wohlaustariertes Gesamtergebnis zeitigen.
Dabei steht The Rock auch deutlich in einer Tradition, wie sie das Autokino der 50er und 60er Jahre mitbegründete. Eine reißerische, sensationalistische Geschichte, die sich unter Rückgriff auf vulgärstmögliches Wissenschaftsbla begründet, einigermaßen im Zweidimensionalen verhaften bleibende Figuren und ein deutliches Augenmerk auf strukturell Jahrmarktsattraktion entsprechender Sensationsinseln innerhalb des narrativen Gefüges, das selbst nur den möglichst flexiblen Rahmen eines solchen Zwecken dienliches Ablaufprogramms stellt. Es ist von daher kein Zufall, dass in Armageddon - ebenfalls von Bay/Bruckheimer inszeniert (und hierzulande, wo man seit jeher mit allzu profanen Gütern der Unterhaltungskultur seine dünkelhaften Reserven hat, ebenfalls belächelt) – die Kraterlandschaft des Kometen, der die Erde bedroht, einer modernen Version einer Planetenlandschaft aus einem beliebigen Science Fiction Reißer aus den Hallen der American International Pictures, jener legendären B-Movie-Schmiede von Samuel Arkoff, wo auch Roger Corman seine ersten Gehversuche wagte, entspricht, wie es ebenso wenig vom Zufall bestimmt ist, dass der MacGuffin in The Rock, die beinahe schon legendär tödliche Chemikalie in den Raketen, schummrig-grün glitzert und in kleinen, beinahe magisch anmutenden Kugeln gelagert wird, die sich nur mit bedeutungsschwangerer Geste den Raketen wieder entnehmen lassen. Hier trifft die Welt aus Vintage Comics und Autokino im technologisch aufgemotzten Rahmen des 90er Jahre Blockbusterkinos zusammen und nur von dieser Perspektive aus lassen sich die (meisten) Filme von Bay/Bruckheimer adäquat verstehen (und genau deshalb sind auch die Vorwürfe eines übertriebenen Patriotismus in deren Filmen so dermaßen abgehangen; zwar mag er attestierbar sein, doch ist dies die bequemste Haltung, die man als Kritiker aus der Zunft alteuropäischer Vernunftsheischerei einnehmen kann: sich am einen schon fast schmerzhaft anspringenden Offensichtlichsten aufhalten, um sich anhand dessen als weitsichtig zu gerieren, während man doch nur zu vertuschen gedenkt, dass hinter das Offensichtlichste einen Blick zu werfen die eigene Perspektive einem vor lauter Dünkel und Selbstzufriedenheit schon gar nicht mehr gestattet).
Die Filme von Bay/Bruckheimer mögen künstlerisch kaum weitsichtigen Charakter haben. Sie gehören keiner Tradition eines Kinos an, das etwas über die Welt und den Menschen aussagen will (allenfalls auf zweiter Ebene und auch dann nur über den Menschen im Medien- und Zeichenpark des ausgehenden 20. Jahrhunderts). Aus ihnen etwas zu lernen hieße vor der Komplexität der Welt zu kapitulieren (wie es im Umkehrschluss das selbe hieße, sie als Hauptschuldige einer allgemeinen Verdummung anzuklagen). Aber sie bedienen einen, meiner Ansicht nach höchst legitimen, Wunsch (auch) nach einem Kino der technologischen Möglichkeiten und bieten diesem einen Rahmen, in dem es sich auf beste, weil befreiteste Weise entfalten kann. Ein solches Kino in Ausschließlichkeit wäre die Hölle auf Erden, aber von Zeit zu Zeit in guten Dosen verabreicht: Ja bitte, sehr gerne.
imdb ~ mrqe
Ein Offizier von Rang und Namen (Ed Harris) – seine Karriere ließ ihn die Tet-Offensive ebenso miterleben wie den Desert Storm (von zahlreichen Geheimmissionen jenseits offizieller Verlautbarungen ganz abgesehen) – sucht Rache an den Vereinigten Staaten, welche seinen im Dienst für die Nation dahingegangenen Kameraden noch nicht mal ein offizielles Militärbegräbnis (von Entschädigungen für die Hinterbliebenen ganz zu schweigen) haben zukommen lassen. Zu diesem Zweck bringt er mit gleichgesinnten Soldaten mehrere mit tödlichen Chemikalien bestückte Raketen in seinen Besitz, nimmt eine Gruppe Touristen auf der legendären, nunmehr stillgelegten Gefängnisinsel Alcatraz zur Geisel, um von dort aus die Raketen auf San Francisco zu richten. Seine Forderung: 100 Millionen Dollar, davon je eine Million als Entschädigung für 83 Familien, den Rest für ihn zur freien Verfügung, und freies Geleit in ein Land ohne Auslieferungsverfahren für ihn und seine Kameraden. Die Regierung ruft den Chemikalienexperten Goodspeed (Nicolas Cage) auf den Plan, der alleine die Raketen entschärfen könnte. Um die Insel überhaupt einnehmen zu können, bedarf es indes der Dienste eines seit Jahr und Tag namenlos in Gewahrsam der us-amerikanischen Regierung einsitzenden britischen Geheimdienstagenten (Sean Connery), der einzige, dem in der Geschichte von Alcatraz je die Flucht von dort gelang. Der zeigt sich, aus naheliegenden Gründen, nicht unbedingt kooperationswillig, vielmehr ist er an einer möglichst bedingungslos wiedererlangten Freiheit interessiert. Unterdessen verrinnt die knappe Zeit bis zum Ende des Ultimatums: 24 Stunden nach Einnahme der Gefängnisinsel sollen die ersten todbringenden Raketen abgefeuert werden ...
The Rock lässt sich umstandslos als höchst gelungener Vertreter des typischen Blockbuster-Kinos der 90er Jahre einsortieren. Seine Ziele erreicht er ohne weiteres mit Bravour. Diese mögen, im Sinne eines künstlerisch avancierten Kinos, nicht hoch angesetzt sein, doch besitzen auch sie, in der Tradition wiederum einer Geschichte des Kinos als Spielfeld für neue und vor allem angewandte Technologien, Gültigkeit. Nun setzen viele Regisseure (und noch mehr Filme) auf die Mischung einer dynamisch angehenden Geschichte mit viel technologischem Rabatz, doch ist es eben vor allem immer wieder das Team Bay/Bruckheimer, das nicht nur die nötigen finanziellen Mittel, sondern auch das nötige Wissen um diese Ader des Kinobetriebs mitbringt, um solchen (ebenfalls an sich nicht zu gering einzuschätzenden) Ansprüchen voll und ganz zu entsprechen. Hier erweist sich Kommerzialität ausnahmsweise als unbedingter Hauptgewinn: Während die unzähligen Actionklopper, die direct to video in die Filmwelt geblasen werden, für gewöhnlich an mehreren Stellen kranken – sei es ein für diese Ansprüche noch mangelhaft konstruierter narrativer Rahmen oder aber sichtliche handwerkliche wie finanzielle Mängel in der Gestaltung der Hauptattraktionen -, stellt ein Film wie The Rock, natürlich noch bis in Detail aus kulturindustriellen Überlegungen heraus konzipiert, ein in jeder Hinsicht perfektes Paket dar, das sein Publikum immerhin in jeder Hinsicht zufrieden zu stellen vermag. Wenn schon Action-Blockbusterkino – ein Kino also, das seine Grandezza vor allem im tadellosen Handwerk entwickelt -, dann auf diese Weise, wo das Gefüge aus Charakterentwicklungen, dem grundlegenden Szenario und die darauf abhebende Action ein wohlaustariertes Gesamtergebnis zeitigen.
Dabei steht The Rock auch deutlich in einer Tradition, wie sie das Autokino der 50er und 60er Jahre mitbegründete. Eine reißerische, sensationalistische Geschichte, die sich unter Rückgriff auf vulgärstmögliches Wissenschaftsbla begründet, einigermaßen im Zweidimensionalen verhaften bleibende Figuren und ein deutliches Augenmerk auf strukturell Jahrmarktsattraktion entsprechender Sensationsinseln innerhalb des narrativen Gefüges, das selbst nur den möglichst flexiblen Rahmen eines solchen Zwecken dienliches Ablaufprogramms stellt. Es ist von daher kein Zufall, dass in Armageddon - ebenfalls von Bay/Bruckheimer inszeniert (und hierzulande, wo man seit jeher mit allzu profanen Gütern der Unterhaltungskultur seine dünkelhaften Reserven hat, ebenfalls belächelt) – die Kraterlandschaft des Kometen, der die Erde bedroht, einer modernen Version einer Planetenlandschaft aus einem beliebigen Science Fiction Reißer aus den Hallen der American International Pictures, jener legendären B-Movie-Schmiede von Samuel Arkoff, wo auch Roger Corman seine ersten Gehversuche wagte, entspricht, wie es ebenso wenig vom Zufall bestimmt ist, dass der MacGuffin in The Rock, die beinahe schon legendär tödliche Chemikalie in den Raketen, schummrig-grün glitzert und in kleinen, beinahe magisch anmutenden Kugeln gelagert wird, die sich nur mit bedeutungsschwangerer Geste den Raketen wieder entnehmen lassen. Hier trifft die Welt aus Vintage Comics und Autokino im technologisch aufgemotzten Rahmen des 90er Jahre Blockbusterkinos zusammen und nur von dieser Perspektive aus lassen sich die (meisten) Filme von Bay/Bruckheimer adäquat verstehen (und genau deshalb sind auch die Vorwürfe eines übertriebenen Patriotismus in deren Filmen so dermaßen abgehangen; zwar mag er attestierbar sein, doch ist dies die bequemste Haltung, die man als Kritiker aus der Zunft alteuropäischer Vernunftsheischerei einnehmen kann: sich am einen schon fast schmerzhaft anspringenden Offensichtlichsten aufhalten, um sich anhand dessen als weitsichtig zu gerieren, während man doch nur zu vertuschen gedenkt, dass hinter das Offensichtlichste einen Blick zu werfen die eigene Perspektive einem vor lauter Dünkel und Selbstzufriedenheit schon gar nicht mehr gestattet).
Die Filme von Bay/Bruckheimer mögen künstlerisch kaum weitsichtigen Charakter haben. Sie gehören keiner Tradition eines Kinos an, das etwas über die Welt und den Menschen aussagen will (allenfalls auf zweiter Ebene und auch dann nur über den Menschen im Medien- und Zeichenpark des ausgehenden 20. Jahrhunderts). Aus ihnen etwas zu lernen hieße vor der Komplexität der Welt zu kapitulieren (wie es im Umkehrschluss das selbe hieße, sie als Hauptschuldige einer allgemeinen Verdummung anzuklagen). Aber sie bedienen einen, meiner Ansicht nach höchst legitimen, Wunsch (auch) nach einem Kino der technologischen Möglichkeiten und bieten diesem einen Rahmen, in dem es sich auf beste, weil befreiteste Weise entfalten kann. Ein solches Kino in Ausschließlichkeit wäre die Hölle auf Erden, aber von Zeit zu Zeit in guten Dosen verabreicht: Ja bitte, sehr gerne.
imdb ~ mrqe
° ° °