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Killer of Sheep (hier der Trailer), das Debüt des afroamerikanischen Regisseurs Charles Burnett aus den fruehen 70er Jahren, gehörte mit zu den größten Entdeckungen des letzten Festivaljahrgangs. Auf Grund nicht eingeholter Rechte für den Soundtrack konnte dieses Meisterwerk des US-Independentkinos jahrelang nicht gezeigt werden. Die großzügige Unterstützung Steven Soderberghs machte diesem Zustand gottlob ein Ende. Mit My Brother's Wedding ist dieses Jahr erneut ein lange Zeit nicht greifbarer Film des Regisseurs im Forum vertreten.

Los Angeles, 1981: Im Mittelpunkt steht Pierce, zweiter Sohn einer Familie, die von einer kleinen Wäscherei lebt. Im Gegensatz zum älteren Bruder, der gerade als Rechtsanwalt reüssiert und bald in eine Familie gehobenen Stands heiratet, ist er wenig karrierefixiert, sondern lebt mit jovialer Leichtfüßigkeit in den Tag hinein, etwa wenn er mit dem Vater spielerisch herumtollt oder mit Lederjacke durch die Straßen zieht. Als sein Freund „Soldier“ aus dem Knast kommt, versucht er dem frisch Entlassenen einen Job zu vermitteln, erfolglos. Als „Soldier“ bei einem Autounfall ums Leben kommt, steht Pierce vor der Wahl, entweder die Hochzeit seines Bruders oder die Beerdigung seines Freundes zu besuchen.

Die Spielhandlung ist beinahe nebensächlich, erst in der letzten Viertelstunde steht der Plot im Vordergrund; wichtiger sind die am Rande eingeschobenen Details, Eindrücke aus dem Alltagsleben, kleine Zeichen. Pistolen etwa, die hie und da schnell aus Schubladen oder unter dem Tresen hervorgezogen werden: My Brother's Wedding setzt einen kulturellen Wandel ins Bild. Von der Gewaltseligkeit früherer Blaxploitation- und späterer Gangsta-Filme ist hier noch nichts zu spüren, aber die Straßen- und Waffengewalt schiebt sich merklich ins Alltagsleben dieser Leute. Fast en passant fächert Burnett die Lebensrealität jenseits klischierter Bilder auf. Den Familien, die hier gestreift werden (und eben wirklich nur gestreift – immer hat man den Eindruck, dass hier nicht der Film etwas strukturiert, sondern dass die Leute jenseits von Filmbild und Montage ein Eigenleben führen), bieten sich mehrere Möglichkeiten, mit ihren Lebensbedingungen zurecht zu kommen. Das brave Erdulden im Gottesglauben von Pierce' Eltern etwa, mit einem versonnenen Blick auf den Reichtum der emporgestiegenen Schwarzen, für die das Elternhaus von Pierce' Schwägerin steht. Eben dieses Karrieredenken gibt es als Option und schließlich, was sich immer wieder und eben auch nur andeutet, die Eskalation von Gewalt im Straßenleben.

Das alles entwickelt Burnett ungemein entspannt. Die teils etwas hölzern agierenden Schauspieler – man darf mutmaßen, dass es sich um Amateure handelt, ihr Spiel erinnert mitunter an das aus typischen 70s B-Movies – sind Träger eines lakonischen Humors, der sich auch in den immer wieder das Geschehen aufbrechenden, verspielten Episoden findet. Das Elendspathos des Ghetto-Films bleibt aus, auch wenn es keinem der Hauptfiguren wirklich gut geht; aber auch die Romantisierung verarmter Zustände ist die Sache des Filmes nicht.

Großartig auch der Einsatz des Academy Bildformats. Burnett inszeniert seine Welt beengt, von vertikalen Linien geprägt. Wenn Pierce an einer Stelle von Soldiers Tod erfährt, rennt er durch die Stadt – Burnett zeigt dies frontal mit weitem Schärfebereich, was eine ungemeine Flächigkeit des lange durchrannten, also tiefen Raums ergibt: You can run, but you can't escape, scheint dies zu sagen. Pierce rennt, und kommt doch nicht vom Fleck: Stadt als Falle.


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