Thema: Filmtagebuch: e.f.
18. Juli 04 | Autor: e.f. | 0 Kommentare | Kommentieren
gesehen auf DVD
Ein unbedarfter Mann, meist noch Junggeselle, wird unverschuldet in dubiose Geschehnisse hineingezogen und muss auf eigene Faust seinen diskreditierten Ruf wiederherstellen. "Ja, ja - Seit Hitchcock alles altbekannt!" hört man da schon das cinephile Lumpenproletariat aufschreien. "De Palma? Reiner Stilist , der nur ein Rip-Off nach dem anderen runterdreht. Völlig Überschätzt!"
Von wegen...
Jake ist ein vagabundierender Schauspieler, der sich mit mittelmäßigen Rollen - in noch viel mittelmäßigeren Filmen -, mehr schlecht als Recht über Wasser halten kann. Hat man schon kein Glück, kommt noch das Pech dazu: Eines Tages erwischt er seine Freundin beim Fremdgehen in der gemeinsamen Bleibe. Doch leider ist es ihre Wohnung und Jake sitzt im Handumdrehen auf der Strasse. Mittellos und ziemlich runter mit den Nerven. Als ihm eines Tages ein neuer Bekannter von der Schauspielschule eine luxuriöse Wohnung zur Überbrückung anbietet, scheint sich das Blatt zu wenden. Der Clou: In der Wohnung befindet sich ein Teleskop, mit dem Jake, auf Anraten seines neuen Freundes, eine Frau namens Gloria im Haus gegenüber bei ihren abendlichen Entblätterungen beobachtet. Immer zur gleichen Urzeit.
Eines Abends wird er dabei auf einen verdächtig wirkenden Mann - einen Indianer - aufmerksam, der seine Blicke ebenfalls mächtig schweifen lässt. Jake, der durch seine Spannereien mittlerweile ein immer obsessiveres Verhältnis zu Gloria entwickelt hat, kommt die Sache spanisch vor und beginnt ihr nachzustellen. Dabei stellt er sich leider nicht sonderlich geschickt an und erweckt zu allem Überfluss noch den Anschein ein freakiger Perverser zu sein. Sein Herumstromern an Geschäften für Damenunterwäsche zwecks Observation trägt auch nicht gerade dazu bei diesen Eindruck zu zerstreuen. Am Strand wird Gloria vom Indianer plötzlich die Handtasche entrissen. Jake nimmt die Verfolgung auf, kann ihn aber nicht stoppen.
Am nächsten Abend muss er über Teleskop mit ansehen, wie sie von dem Indianer auf grausame Art und Weise ermordet wird...
Klingt in der Tat noch alles etwas konventionell nach Schema Hitchcock. Sicher, es tummeln sich auch auffällig viele formale und inhaltliche Elemente im Film, die diesen Schluss zulassen. Technisch unzureichende Rückprojektionen, der Protagonist muss sich aus ominösen Verstrickungen befreien etc etc. Und dann noch die offensichtlichen Anlehnungen an Vertigo oder Das Fenster zum Hof. Kommt einem doch alles sehr bekannt vor. Auf den ersten Blick. Und dieser täuscht bei de Palma ja bekanntermaßen sowieso meist. Tatsächlich dient Brian de Palma dieses Konjugieren bekannter Klischees nur dazu, seine Vorstellung von Kino paradigmatisch auf den Punkt zu bringen. Und das bedeutet Illusion und Fassade. Nichts ist wie es scheint. Eine Thematik, die sich wie ein roter Faden durch de Palmas Filmographie zieht, aber in keinem seiner Werke eine derartige Zuspitzung erfährt, wie in Body Double.
Relativ zu Beginn des Films sieht man eine staubige Wüstenlandschaft. Sie entspricht genau dem Bild, das man von solch einem Ort im Kopf hat. Plötzlich neigt sich das Panorama, fluchtet gegen jede natürliche Perspektive. Es war eine Attrappe. Ein ordinärer Hintergrund für eine Studioproduktion. Trotzdem hätte es auch eine wirkliche Wüste sein können. Wirklich im Sinne einer innerfilmischen Realität. Was es anfänglich - bevor die Illusion kippte - ja auch war. Die Personen, die die Szenerie des Films bevölkern, sind nur die fleischgewordene Fortführung dieses Prinzips. Ein netter, verständnisvoller Regisseur tauscht ohne mit der Wimper zu Zucken klammheimlich seinen Hauptdarsteller aus. Eine ach so abgebrühte Pornodarstellerin fällt auf einen abgebrannten Schauspieler herein, der sie mit einem Lächeln und ein paar leeren Versprechungen um den Finger wickelt. Der eigentliche Fall ist zwar sehr spannend, aber auf rührende Weise völlig unerheblich. Auch Jake, der Mann mit dem Teleskop - bei Hitchcock eine gottgleiche Figur, die sieht, ohne selbst gesehen zu werden - ist ein Getriebener. Im Gegensatz zu James Steward wird er gesehen, wird er manipuliert, wird er benutzt. Und alles was er sieht entpuppt sich als großer Schwindel.
Meta-Kino in Formvollendung.
Dann, ganz am Ende, - der Mord ist nun endlich aufgeklärt - produziert Hollywood weiter Illusionen, als ob nichts gewesen wäre. Und ich freue mich. Begierig darauf von neuem getäuscht zu werden.
Die Kamera belügt mich, betrügt mich. Immer wieder hintergeht sie mich. Und wieder und wieder verzeihe ich ihr. Denn ich will es ja so. Kino ist ein tröstlicher Masochismus. Ein magisches Paradox. Verlässlich im Unzuverlässigen. Ehrlich noch in der Zweideutigkeit. Und dann doch wieder ganz anders.
Ich liebe es von ganzem Herzen.
De Palmas bester Film.
imdb | mrqe
Ein unbedarfter Mann, meist noch Junggeselle, wird unverschuldet in dubiose Geschehnisse hineingezogen und muss auf eigene Faust seinen diskreditierten Ruf wiederherstellen. "Ja, ja - Seit Hitchcock alles altbekannt!" hört man da schon das cinephile Lumpenproletariat aufschreien. "De Palma? Reiner Stilist , der nur ein Rip-Off nach dem anderen runterdreht. Völlig Überschätzt!"
Von wegen...
Jake ist ein vagabundierender Schauspieler, der sich mit mittelmäßigen Rollen - in noch viel mittelmäßigeren Filmen -, mehr schlecht als Recht über Wasser halten kann. Hat man schon kein Glück, kommt noch das Pech dazu: Eines Tages erwischt er seine Freundin beim Fremdgehen in der gemeinsamen Bleibe. Doch leider ist es ihre Wohnung und Jake sitzt im Handumdrehen auf der Strasse. Mittellos und ziemlich runter mit den Nerven. Als ihm eines Tages ein neuer Bekannter von der Schauspielschule eine luxuriöse Wohnung zur Überbrückung anbietet, scheint sich das Blatt zu wenden. Der Clou: In der Wohnung befindet sich ein Teleskop, mit dem Jake, auf Anraten seines neuen Freundes, eine Frau namens Gloria im Haus gegenüber bei ihren abendlichen Entblätterungen beobachtet. Immer zur gleichen Urzeit.
Eines Abends wird er dabei auf einen verdächtig wirkenden Mann - einen Indianer - aufmerksam, der seine Blicke ebenfalls mächtig schweifen lässt. Jake, der durch seine Spannereien mittlerweile ein immer obsessiveres Verhältnis zu Gloria entwickelt hat, kommt die Sache spanisch vor und beginnt ihr nachzustellen. Dabei stellt er sich leider nicht sonderlich geschickt an und erweckt zu allem Überfluss noch den Anschein ein freakiger Perverser zu sein. Sein Herumstromern an Geschäften für Damenunterwäsche zwecks Observation trägt auch nicht gerade dazu bei diesen Eindruck zu zerstreuen. Am Strand wird Gloria vom Indianer plötzlich die Handtasche entrissen. Jake nimmt die Verfolgung auf, kann ihn aber nicht stoppen.
Am nächsten Abend muss er über Teleskop mit ansehen, wie sie von dem Indianer auf grausame Art und Weise ermordet wird...
Klingt in der Tat noch alles etwas konventionell nach Schema Hitchcock. Sicher, es tummeln sich auch auffällig viele formale und inhaltliche Elemente im Film, die diesen Schluss zulassen. Technisch unzureichende Rückprojektionen, der Protagonist muss sich aus ominösen Verstrickungen befreien etc etc. Und dann noch die offensichtlichen Anlehnungen an Vertigo oder Das Fenster zum Hof. Kommt einem doch alles sehr bekannt vor. Auf den ersten Blick. Und dieser täuscht bei de Palma ja bekanntermaßen sowieso meist. Tatsächlich dient Brian de Palma dieses Konjugieren bekannter Klischees nur dazu, seine Vorstellung von Kino paradigmatisch auf den Punkt zu bringen. Und das bedeutet Illusion und Fassade. Nichts ist wie es scheint. Eine Thematik, die sich wie ein roter Faden durch de Palmas Filmographie zieht, aber in keinem seiner Werke eine derartige Zuspitzung erfährt, wie in Body Double.
Relativ zu Beginn des Films sieht man eine staubige Wüstenlandschaft. Sie entspricht genau dem Bild, das man von solch einem Ort im Kopf hat. Plötzlich neigt sich das Panorama, fluchtet gegen jede natürliche Perspektive. Es war eine Attrappe. Ein ordinärer Hintergrund für eine Studioproduktion. Trotzdem hätte es auch eine wirkliche Wüste sein können. Wirklich im Sinne einer innerfilmischen Realität. Was es anfänglich - bevor die Illusion kippte - ja auch war. Die Personen, die die Szenerie des Films bevölkern, sind nur die fleischgewordene Fortführung dieses Prinzips. Ein netter, verständnisvoller Regisseur tauscht ohne mit der Wimper zu Zucken klammheimlich seinen Hauptdarsteller aus. Eine ach so abgebrühte Pornodarstellerin fällt auf einen abgebrannten Schauspieler herein, der sie mit einem Lächeln und ein paar leeren Versprechungen um den Finger wickelt. Der eigentliche Fall ist zwar sehr spannend, aber auf rührende Weise völlig unerheblich. Auch Jake, der Mann mit dem Teleskop - bei Hitchcock eine gottgleiche Figur, die sieht, ohne selbst gesehen zu werden - ist ein Getriebener. Im Gegensatz zu James Steward wird er gesehen, wird er manipuliert, wird er benutzt. Und alles was er sieht entpuppt sich als großer Schwindel.
Meta-Kino in Formvollendung.
Dann, ganz am Ende, - der Mord ist nun endlich aufgeklärt - produziert Hollywood weiter Illusionen, als ob nichts gewesen wäre. Und ich freue mich. Begierig darauf von neuem getäuscht zu werden.
Die Kamera belügt mich, betrügt mich. Immer wieder hintergeht sie mich. Und wieder und wieder verzeihe ich ihr. Denn ich will es ja so. Kino ist ein tröstlicher Masochismus. Ein magisches Paradox. Verlässlich im Unzuverlässigen. Ehrlich noch in der Zweideutigkeit. Und dann doch wieder ganz anders.
Ich liebe es von ganzem Herzen.
De Palmas bester Film.
imdb | mrqe
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