Thema: Filmtagebuch: e.f.
25. August 04 | Autor: e.f. | 0 Kommentare | Kommentieren
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"Kleinstädte haben immer Recht, das ist ihr Daseinsgrund" schreibt Jörg Fauser in seiner Marlon Brando Biographie DER VERSILBERTE REBELL. Nun, der Mann muss mit den kleinkarierten Realitäten provinziellen Lebens und Sterbens bestens vertraut gewesen sein. Provinz ist überall gleich, egal ob im Hinterland der amerikanischen Südstaaten oder in Frankfurt-Sossenheim - die speckig glänzenden Gesichter der böswillig Saturierten, die weder trauern, fühlen, verstehen können, man wird sie nicht los. Sie zu leugnen -und damit zu verdrängen-, wäre indes ein Fehler. Denn der Arm der Provinz reicht weit. Auch in den Großstädten und Metropolen finden sich ihre Codes und Rituale. Ob es nun der Anzug tragende Einzelhandelskaufmann ist, der in aufschneiderischer Manier davon berichtet "in der Wirtschaft" tätig zu sein, tatsächlich aber nur einen besseren Ladenschwengel abgibt, oder das Klientel der Volxküchen und autonomen Tierschutzcafés. Die Soße ist die gleiche, das Grausen bleibt.
So ist es nur folgerichtig, dass Russ Meyer, hierzulande beharrlich auf dralle Weiber mit noch viel dralleren Brüsten reduziert, genau hinschaut. Denn wovor man nicht entfliehen kann, dem sollte man wenigstens mit offenem Visier gegenübertreten. Das gebietet die Selbstachtung.
Und so zeigt Meyer dem Zuschauer:
wie der gerade aus der Herrenduschanstalt entlassene Calif, nur einen schäbigen Anzug am Leib, durch das amerikanische Hinterland tingelt, um schließlich und endlich auf der Farm des despotischen Trinkers Sidney unterzukommen.
wie der Farmer seine Arbeiter schikaniert, seine Frau verprügelt und sich in einem, von einer inzestuös gezeichneten Familie betriebenen, Bordell der schäbigsten Sorte bedienen lässt.
wie die braven Bürger der Stadt Calif und der Farmersfrau ein Verhältnis andichten und wie Sidney infolgedessen endgültig durchdreht.
wie Sidney den obskuren Dorfpfarrer um den Finger wickelt, damit er seine Frau und Calif in Misskredit bringen und für die Sünder den Zorn des Herren heraufbeschwören soll.
wie der Farmer, von Wahn, Suff und Geilheit umnebelt, die Frau des Pastors umbringt, seinen Bauernhof ansteckt und wie die Bürger der Stadt schließlich den Dämon aufhängen, den sie selbst hervorgebracht haben.
Ein für Meyer untypischer, stark dialoglastiger Film mit mehreren ineinander verwobenen Handlungssträngen. Sicher: Vordergründige Kritik am amerikanischen Traum, am ungezwungenen Leben auf dem Lande. Tatsächlich ist das Anliegen aber deutlich globaler. Verhängnisvolle gruppendynamische Prozesse; die stickige Enge; die Überwachung; die muksche Bigotterie. All das kommt auf den Seziertisch und das Ergebnis der Autopsie fällt ernüchternd aus. Sie werden sich niemals ändern, es hilft nur Flucht. Und die ist, wie bereits erwähnt, eine zweischneidige Angelegenheit. Das der Film dann noch die Familie als Sinnbild für ein schwärendes, bösartiges -sich aber letzten Endes selbstzerfleischendes- Wachstum heranzieht, ist dem Film hoch anzurechnen. Ein vorläufiges Versprechen, das The Texas Chainsaw Massacre mit seiner Kannibalismusmetaphorik endgültig einlösen sollte.
Roll the credits...
Und was bleibt? Es muss doch ein Fazit geben?! Nein, es gibt keins - zumindest kein gänzlich zufriedenstellendes. Aber was mit Fauser anfängt, soll dann bitteschön auch mit Fauser enden und vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen -stuck inside of Mobile- weiter:
"Achten Sie darauf, dass Sie mit Anstand und Absicht Mensch sind auf dieser Erde, schütten Sie Alkohol in Ihre Wunden, aber erwarten Sie nicht, dass das Blut davon gestillt wird, und erwarten Sie vor allem vom Blut kein Paradies."
imdb
"Kleinstädte haben immer Recht, das ist ihr Daseinsgrund" schreibt Jörg Fauser in seiner Marlon Brando Biographie DER VERSILBERTE REBELL. Nun, der Mann muss mit den kleinkarierten Realitäten provinziellen Lebens und Sterbens bestens vertraut gewesen sein. Provinz ist überall gleich, egal ob im Hinterland der amerikanischen Südstaaten oder in Frankfurt-Sossenheim - die speckig glänzenden Gesichter der böswillig Saturierten, die weder trauern, fühlen, verstehen können, man wird sie nicht los. Sie zu leugnen -und damit zu verdrängen-, wäre indes ein Fehler. Denn der Arm der Provinz reicht weit. Auch in den Großstädten und Metropolen finden sich ihre Codes und Rituale. Ob es nun der Anzug tragende Einzelhandelskaufmann ist, der in aufschneiderischer Manier davon berichtet "in der Wirtschaft" tätig zu sein, tatsächlich aber nur einen besseren Ladenschwengel abgibt, oder das Klientel der Volxküchen und autonomen Tierschutzcafés. Die Soße ist die gleiche, das Grausen bleibt.
So ist es nur folgerichtig, dass Russ Meyer, hierzulande beharrlich auf dralle Weiber mit noch viel dralleren Brüsten reduziert, genau hinschaut. Denn wovor man nicht entfliehen kann, dem sollte man wenigstens mit offenem Visier gegenübertreten. Das gebietet die Selbstachtung.
Und so zeigt Meyer dem Zuschauer:
wie der gerade aus der Herrenduschanstalt entlassene Calif, nur einen schäbigen Anzug am Leib, durch das amerikanische Hinterland tingelt, um schließlich und endlich auf der Farm des despotischen Trinkers Sidney unterzukommen.
wie der Farmer seine Arbeiter schikaniert, seine Frau verprügelt und sich in einem, von einer inzestuös gezeichneten Familie betriebenen, Bordell der schäbigsten Sorte bedienen lässt.
wie die braven Bürger der Stadt Calif und der Farmersfrau ein Verhältnis andichten und wie Sidney infolgedessen endgültig durchdreht.
wie Sidney den obskuren Dorfpfarrer um den Finger wickelt, damit er seine Frau und Calif in Misskredit bringen und für die Sünder den Zorn des Herren heraufbeschwören soll.
wie der Farmer, von Wahn, Suff und Geilheit umnebelt, die Frau des Pastors umbringt, seinen Bauernhof ansteckt und wie die Bürger der Stadt schließlich den Dämon aufhängen, den sie selbst hervorgebracht haben.
Ein für Meyer untypischer, stark dialoglastiger Film mit mehreren ineinander verwobenen Handlungssträngen. Sicher: Vordergründige Kritik am amerikanischen Traum, am ungezwungenen Leben auf dem Lande. Tatsächlich ist das Anliegen aber deutlich globaler. Verhängnisvolle gruppendynamische Prozesse; die stickige Enge; die Überwachung; die muksche Bigotterie. All das kommt auf den Seziertisch und das Ergebnis der Autopsie fällt ernüchternd aus. Sie werden sich niemals ändern, es hilft nur Flucht. Und die ist, wie bereits erwähnt, eine zweischneidige Angelegenheit. Das der Film dann noch die Familie als Sinnbild für ein schwärendes, bösartiges -sich aber letzten Endes selbstzerfleischendes- Wachstum heranzieht, ist dem Film hoch anzurechnen. Ein vorläufiges Versprechen, das The Texas Chainsaw Massacre mit seiner Kannibalismusmetaphorik endgültig einlösen sollte.
Roll the credits...
Und was bleibt? Es muss doch ein Fazit geben?! Nein, es gibt keins - zumindest kein gänzlich zufriedenstellendes. Aber was mit Fauser anfängt, soll dann bitteschön auch mit Fauser enden und vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen -stuck inside of Mobile- weiter:
"Achten Sie darauf, dass Sie mit Anstand und Absicht Mensch sind auf dieser Erde, schütten Sie Alkohol in Ihre Wunden, aber erwarten Sie nicht, dass das Blut davon gestillt wird, und erwarten Sie vor allem vom Blut kein Paradies."
imdb
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