Thema: Kinokultur
Ganz und gar unbehaglich wurde mir heute am Abend beim Trailer von Der Untergang. Die Debatten der letzten Wochen gingen an mir eher unbeachtet vorüber - von allen Seiten ohnehin wohl nur Übliches. Jetzt aber eben dieser Trailer, der es in seiner Penetranz drauf anlegt, wahrgenommen zu werden. Granz, von mir sonst hochgeschätzt, als Hitlerkarikatur, tappeliger Opa, versehentlich Völkermörder geworden, wie's scheint. Draußen die Bomben gegen Deutsche. Zusammenrücken, der Untergang naht. Die totale Einreihung in das Opferdasein. Ein Junge in Soldatenuniform - schaut nur, vor was die Nazis nicht halt gemacht haben, Kinder in den Krieg haben sie geschickt! - rennt durch die Trümmer, um ihn herum das Kugelgewitter. Zwischendrin immer Ansagen vom Führer, der als tragische Figur schon fast erscheinen soll. Alles bedeutungsschwanger, kosmisch, apokalyptisch. Im Magen zog sich mir alles zusammen; this year's Wunder von Bern, flankiert von sich des Wirs bewusstem Dyk/Heppner-Gerülpse?

Dann ein Ärgernis gänzlich anderer Art: Der Trailer zu Woody Allens neuem Anything Else, der im übrigen nicht ganz so gut ist wie seine Spät-70er Klassiker, aber sich eben doch souverän in dieser Tradition bewegt. Nun ist es ganz bemerkenswert, wie konsequent Allen - er spielt im Film mit, wenn auch nur am Rande, doch für's Ganze ist er entscheidend - aus dem Trailer gedrückt wurde. Screentime: 0 seconds. Stattdessen hat man den Trailer mit Musiken unterlegt, die meines Wissens im Film nicht vorkommen. Obligatorische Liebesfilm-Oldies, die Riccis und Biggs' Beziehungsprobleme mittels eines noch zusätzlich falsche Assoziationen weckenden Montagekonzepts gefährlich in die Nähe zu your average RomCom drängen. Fluffig, heiter, weniger heiter, alles mit drin. Albernheiten, im Film zwar vorhanden, hier indes voll ausgespielt, als genössen sie im fertigen Werk oberste Priorität. Kein Jazz natürlich zu hören, der im Film, natürlich, stark präsent ist. Danny DeVito: Ebenfalls outgesourct. Man erschrickt schon fast als dann doch, fast verschämt und enstprechend kurz, "ein Film von Woody Allen" über die Leinwand huscht: Das ist nicht in Einklang zu bringen mit dem, was gerade über einen hinweggerollt ist und mit Allen, mit dem Film Anything Else letzten Endes wenig, ja eigentlich schon nichts mehr gemein hat. Ärgerlich vor allem auch, weil nun gerade Biggs hier mit Bravour sich wegspielt vom American Pie-Image, was der Trailer indes nach Strich und Faden sabotiert.

Und ganz am Rande: Da lief noch der Trailer irgendeines eher mal langweilig wirkenden Liebes- und Beziehungsfilms, der wohl das Attribut "mit Pfiff" für sich gewinnen will. Name des Films zwar vergessen, doch erinnere ich mich mit Grausen jenes Wortspiels im Untertitel, welches immer dann eingesetzt wird, wenn kreative Agenturenkreativlinge ihren Beruf zwar augenscheinlich falsch gewählt haben, sich aber dennoch für besonders gewitzt halten. Lange Rede, kurzer Sinn: Totalboykott von jetzt an und für alle Zeiten eines jeden Liebesfilms, der die öde Doppeldeutigkeit des Wortes "sich trauen" gewinnheischend einzusetzen gedenkt.

Der eigentliche Film, Coffee and Cigarettes, war indes wundervoll, danke der Nachfrage.


° ° °




kommentare dazu:



mama, Dienstag, 31. August 2004, 03:38
Das mit dem Trailer von Anything Else musste aber wirklich mal gesagt werden. Ein Ärgernis, ja. Und auch die Herzplakate die überall Hängen lassen nichts vom Witz des Films erahnen.

sven.son, Dienstag, 31. August 2004, 13:44
Der Eindruck, den ich bein erschrockenen Sehen dieses Trailers gewonnen habe, könnte kaum identischer geschildert werden. Ich hätte sogar nach ca. einer Minute darauf gewettet, dass Woody Allens Name nicht mehr erscheint, um alle Spuren des vermeintlichen Kassengifts zu tilgen. Wahrscheinlich müssen Mitarbeiter der Werbeabteilungen in aufwändigen Auswahlverfahren nachweisen, dass ihnen Begriffe wie Ehrlichkeit und künstlerische Integrität ein Dorn im Auge und die schließlich angebotenen Jobs ein fairer Preis für ihre Seele sind. Ja, der Trailer ist ein klarer Fall von Etikettenschwindel. Der eigentliche Film, King Arthur, war indes zwar nicht wundervoll, aber doch nicht übel.



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