Thema: Kinokultur
Eine komplette Retrospektive zu verlangen wäre unmenschlich. In bester Groschenheftautorenmanier hat der spanische Regisseur Jess Franco in seinen besten Zeiten - damals, als es Europudding noch an jeder Ecke gab - fast im Monatstakt mal besonders langweilige, mal besonders bizarre, mal besonders aufregende und surreale Werke aus der bunten Welt von Grusel-, Horror-, Erotik- und Pornofilm abgeliefert. Ein Kosmos wie die der Trivialliteratur des 19. Jahrhunderts: Entsprechend beziehen sich viele Filme zumindest dem Titel nach auf Werke der erotischen Literatur dieser Zeit und der Regisseur selbst apostrophiert zahlreiche von ihnen als Verfilmungen eigener Obsessionen und taucht entsprechend auch regelmäßig als Protagonist in ihnen auf. Da ist es bis zur Romantik und zu den Zettelspielchen eines Sacher-Masoch auch nicht mehr weit.

Ein intellektuelles Projekt mag Franco nicht verfolgt haben, dennoch kann man fast jeden seiner Filme ihm, im Sinne eines Auteurs, eindeutig zuordnen. Und im Trubel der Fließbandproduktion (mit entsprechenden Schlampereien und Sorglosigkeiten) und streng kommerziellen Auslegung - es musste knallig sein und Leute ins Kino ziehen -, ergab sich manch flirrendes Werk mit ganz einzigartiger Atmosphäre und Charakter (manche Gurke ist sicher auch zu finden, ganz klar). Filme voller Künstlichkeit und verflachter Realität - Franco scheint sich dessen voll bewusst gewesen zu sein: In bemerkenswert vielen seiner Filme gibt es, beinahe schon wie eine Signatur oder eben auch ein Kommentar, Inszenierungen-im-Film zu sehen: Bühnenperformances in Bars und Strip Clubs, oder aber erotische Seancen mit performativem Charakter.

Lange Rede, kurzer Sinn: Der ehrwürdige Filmclub 813 zu Köln führt im März eine sehr ansehnliche Jess-Franco-Werkschau durch. Bereits letzte Woche liefen Rote Lippen - Sadisterotica und Greta - Haus ohne Männer (ein Anhängsel an die berüchtigte Ilsa-Reihe) . Morgen folgt Das Geheimnis des Dr. Z und am Samstag ist der ungemein schön und entspannt vor sich hinplätschernde Sie tötete in Ekstase (ein Remake des Dr. Z) zu sehen. Am 18. März folgt schließlich Venus im Pelz, der erst vor kurzem wieder auf (us-amerikanischer) DVD entdeckt werden konnte.

Der April und Mai sieht eine Fortsetzung der Reihe: Gezeigt werden Vampyros Lesbos, X 312 - Flug zur Hölle, Jungfrauen-Report, Robinson und seine wilden Sklavinnen, Nachts wenn Dracula erwacht, Entfesselte Begierde und Downtown - Die nackten Puppen der Unterwelt. Genaue Termine können dann auf der Website eingesehen werden.

Und weil wir gerade dabei sind: Der gute Marco Zimmer hat mal wieder ein paar seine Aushangschätze ausgegraben und eingescannt. Das Resultat ist diese schöne Galerie zu Jess Francos Der schreckliche Dr. Orloff.



Weitere schöne Materialien zu Der Teufel kam aus Akasawa, einem bemerkenswert sinnfrei vor sich hinschwebendem "Wallace-Film" von Franco, gibt es hier, hier und hier auf "The Crime in your Coffee".


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