(zuerst erschienen im Freitag)

Kein Filmstar von wahrem Glanz und Rang, der nicht mit der einen großen ikonischen Szene ins Bildgedächtnis eingegangen wäre. Die Monroe hatte den Fahrtwind aus dem Schacht, der ihren Rock in Turbulenzen brachte; Elizabeth Taylor den pompösen Großauftritt als Cleopatra – Hollywood-Überbarock in seinem besten Ausdruck.

Die Drag-Queen Divine (bürgerlich: Harris Glenn Milstead) wird dagegen für immer in jener Szene mit dem Hundehaufen erinnert werden, den sie in John Waters’ schmutzigstem Film Pink Flamingos (1972) unter sichtlichem Kampf mit dem Würgreflex vor laufender Kamera verschlang. Finaler Höhepunkt eines Proto-Punk-Films, der Divine in einer losen Abfolge bis heute verstörender, fröhlich dargebotener Geschmacklosigkeiten und Regelverletzungen endgültig zum Star machte. Fortan wurde sie gefeiert in den Nischen der queeren Gegenkultur, später zwischen trashigem 80er-Jahre-Dancefloor und Produktionen auch in Hollywood-Nähe. 1988 starb Divine, deren enormes Übergewicht neben ihrer demonstrativ konfrontativen Attitüde stets ein Markenzeichen war, kurz nach der Premiere von Waters’ Film Hairspray auf dem Gipfel ihres Erfolgs an einem Herzinfarkt.

Aufstieg, Triumph und melodramatischer Abgang eines Filmstars gegen alle Widerstände und Wahrscheinlichkeiten – dieses Narrativ übernimmt Jeffrey Schwarz in seiner nun auf DVD veröffentlichten Hommage "I Am Divine". Die Dokumentation montiert die für solche Filme üblichen Interview-Blurbs zahlreicher Weggefährten – darunter natürlich auch der „Pope of Trash“ John Waters – mit zum Teil bislang ungesehenem Archivmaterial. Der Film erzählt auf diese Weise die Geschichte eines zwar verfressenen, im Auftritt aber femininen und sensiblen Jungen, der unter den zahlreichen Gehässigkeiten seiner Mitschüler litt. Zuflucht und Anschluss fand er in der schwulen Underground-Kultur seiner Heimatstadt Baltimore mit ihren Drogen, Drag- und Film-Events („Lasst uns Bergman auf LSD sehen!“), ehe er schließlich den ewig gehegten Traum, Filmstar zu werden, mit seinem Partner in Crime John Waters in Angriff nahm – ohne Rücksicht auf sich selbst, mit billigstem Equipment und einer ziemlichen Naivität in Bezug auf das Business.



Für Milstead entpuppte sich die Kunstfigur Divine zunächst als Segen, weil sie ihm Türen öffnete. Am Ende aber, bei den Versuchen, als seriöser Darsteller in Hollywood Fuß zu fassen, erwies sich das Image mitunter als Fluch. Hier zeigt sich noch die bittere Dialektik selbst liberaler Heteronormativität: Wer einmal im Drag geduldet war, soll darin bitte schön bleiben. Milsteads fast tragisch anzusehende Versuche, sich der Öffentlichkeit des Mainstreams als „echter Mann“ anzubieten, scheitern mangels Interesse.

Vor allem die Vielfalt des versammelten historischen Materials macht aus I Am Divine einen sehenswerten Film – Interesse an Trash und Queer Culture vorausgesetzt. Ob man dem Leben eines Menschen, der mit allen Regeln und Tabus brach, mit einem formal recht gewöhnlichen und sein Sujet auf wenig überraschende Weise narrativisierenden Porträtfilm allerdings wirklich gerecht werden kann, bleibt zumindest fraglich. Mag der Film dadurch auch etwas brav geraten sein, ist die Geschichte vom gehänselten Jungen, der im Fummel nach den Sternen greift, doch anrührend. Dass sich Schwarz’ Film über weite Strecken wie eine klassische Hommage an einen Hollywood-Star anfühlt, hätte Divine wohl am besten gefallen.


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