(zuerst erschienen im Freitag)

Ein namenloser Fremder kommt in die Stadt, gerät zwischen die Fronten und klärt die Sache nach einigem Taktieren schließlich buchstäblich mit aller Gewalt – eine Standardgeschichte beileibe nicht nur des italienischen Westerns. In diesem Exemplar, Töte, Django aus dem Jahr 1966, von Giulio Questi aber aufs Interessanteste umgestülpt, verdreht und subvertiert. Während Sergio Leone im Begründungsfilm des Subgenres Für eine Handvoll Dollar (1964) noch bei der Samurai-Darstellung von Akira Kurosawa und deren Pathos plünderte, beschreitet Questi archaischere und ekstatischere Pfade. Seine Parabel auf die Habgier des Menschen als dessen Untergang ist angereichert mit Motiven aus Mythos, Religion und Kunstgeschichte und landet in den Gefilden des surreal angehauchten Gothic-Westerns, der weniger die weite Landschaft als vielmehr das Close-up aufs Gesicht in Cinemascope sucht.

So ist der namenlose Fremde – ein mexikanischer Kleingangster, eine von Tomás Milián häufig verkörperte, klassische Figur im Italowestern – denn auch kein Samurai mit Colt, sondern ein von den Toten wiederauferstandener Racheengel, von dem unklar bleibt, ob er nie gestorben, ein Wiedergänger oder ein Gefangener des Fegefeuers ist. Zwei indigene Einwohner stehen ihm zur Seite, befragen ihn unentwegt nach dem Jenseits und gießen ihm Kugeln aus jenem Gold, für das er ursprünglich umgelegt worden war. In einer nahen Stadt findet er sich in einem Morast aus menschlicher Verkommenheit wieder, mit dem interessanten Detail, dass es gerade nicht die Outlaws sind, die dem Übel Vorschub leisten. Liegt ein von goldenen Kugeln durchsiebter Körper auf dem Tisch des Doktors, hat es sich alsbald mit hippokratischen Tugenden, wenn der Wert der Projektile erst einmal offen zutage liegt: Schon bohren sich gierige Finger auf der Suche nach Gold in die Wunden des aufschreienden Versehrten.

Eine Ode an die Gewalt und die Niedertracht oder auch: Film als Exorzismus. Zwei Jahre lang kämpfte Questi im Zweiten Weltkrieg mit den Partisanen gegen die Faschisten. Die seelischen Wunden aus diesen Erfahrungen treibt er sich mit diesem fahrig-wuchtigen Film, seinem Debüt, gewissermaßen selbst aus, gerade so, als jagte er die eigenen Bilder im Kopf wie ein Maschinengewehr auf die Leinwand.



Die zynisch-brutale Ästhetik des Italowesterns und dessen latente Gesellschaftskritik potenziert Questi in Töte, Django zu einem wütenden, formell immer wieder aufs Schönste entgleisenden Manifest, das mit den opernhaften Schwelgereien eines Sergio Leone nichts mehr zu tun hat. Im Gegenteil, Questi ist weder ein Genreliebhaber noch einer von Italiens berüchtigten Nonkonformisten. Vielmehr ist er mit gerade mal drei Langspielfilmen zeitlebens ein Grantler in den Nischen der Filmgeschichte geblieben, der vom Genre nur insoweit etwas hält, wie er es als Behältnis für seine stramm linke Wut nutzen und es dabei vielleicht noch demolieren kann. Der folgende Film Arcana ist denn auch eine bizarr funkelnde Horrorfantasie an der Grenze zur Avantgarde, die muffigem Grusel das Fürchten lehrt.

Töte, Django reiht sich glänzend ein in die Riege der Italowestern abseits des vielbesungenen Kanons von Sergio Leone und Sergio Corbucci, wo man die wirklich interessanten Werke findet, dunkel-glänzende, manisch-ekstatische Produktionen wie Cesare Canevaris irrsinniger Prog-Rock-Western ¡Mátalo! (1970) etwa oder Enzo G. Castellaris Keoma (1976).

Nicht zuletzt ist Töte, Django ein grandioses Beispiel für den beeindruckenden Spagat, den das italienische Genrekino der 60er und 70er Jahre immer wieder zu leisten vermochte. Nach vorn populär und industriell, hinten heraus aber stets schon mitten in der politischen Intervention – wenn auch mit dem Holzhammer nicht subtil in der Analyse. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Umbrüche der damaligen Zeit schießt in Filmen wie diesem trotz Historienkulisse viel Zeitgeist ins Bild. Gerade dem heute oft abgesicherten Kino wäre eine Rückkehr dieser wütenden Drastik zu wünschen.



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