Thema: ad personam
04. Februar 15 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Heute feiert George A. Romero seinen 75. Geburtstag. Was auch heißt, dass ich heute vor fünf Jahren meinen ersten Text in der taz hatte. Als Einstand durfte ich dem Zombiemeister zum 70. Geburtstag gratulieren.
Zum Horrorfilm kam er über Umwege: Eigentlich wollte George A. Romero eine Art Ingmar-Bergman-Film drehen. Doch der Stoff, mit dem der junge, kinobegeisterte Werbefilmer in den Sechzigern hausieren ging, fand keine Investoren. Horrorfilme hingegen stellten schnelles Geld in Aussicht. Romero sattelte um, lieh sich kleckerweise ein Minimalbudget zusammen und kompensierte mangelnde Production Values durch grelle Drastik. Mit grobkörnigen Schwarzweißbildern stach sein Debüt "Night of the Living Dead" 1968 in die USA wie in ein Hornissennest: Der Mord an Martin Luther King, die Bilder aus Vietnam und der Protest auf den Straßen stellten die Nation vor eine innere Zerreißprobe
.
Es waren die passenden Bilder zur Zeit, die das gemütliche Gruselkino mit seinen viktorianischen Gentlemen und staubigen Monstern längst aus dem Blick verloren hatte: Eine zufällig zusammengewürfelte Gruppe, die sich angesichts Heerscharen lebender Toter in einem Landhaus verbarrikadiert, scheitert schließlich an inneren Konflikten. Dass der afroamerikanische Held am Ende von schießwütigen Rednecks erschossen wird, zählt zu den Schlüsselszenen des amerikanischen Kinos. Der Popkultur schenkte Romero einen Mythos: Aus dem ikonografischen Repertoire der Zombie-Apokalypse schöpfen Musikvideos, Horrorfilme und Comics heute ganz selbstverständlich.
Was Romero - und dann sein Werk - dabei auszeichnete, war nicht bloß, dass er eine Grundformel des Genres - es gibt ein Drinnen, es gibt ein Draußen und an der Grenze jede Menge Ärger - in selten erlebter Klarheit artikulierte. Seit seinem Erstling malt er mit dicken Strichen an einem dunklen Bild der Menschheit, die sich fortlaufend falsch entscheidet, an alten Mustern festhält und geleitet von partikularen Einzelinteressen den eigenen Untergang heraufbeschwört. Die Stimme der Vernunft, sie artikuliert sich zwar, doch wird sie meist totgeschlagen: Erschreckender als Zombies, Viren und Vampire sind hinterwäldlerischer Machismo, unkontrollierte Militärs und verkrustete Überzeugungen bei Romero allemal.
In "Martin" (1977) etwa, seinem schönsten Film, erzählt er im melancholisch gedämpften Tonfall von einem jungen, verwirrten Mann, der aus Osteuropa in die Obhut eines älteren Herrn nach Pittsburgh kommt. Dieser hält ihn für einen Vampir und lässt, mit tragischen Folgen, zur "Errettung" dessen Seele nichts unversucht. Zwar steht außer Frage, dass Martin Menschen wegen ihres Blutes tötet. Doch ist es der starrsinnige Aberglaube des alten Mannes, der diesen als das wahre Monster kennzeichnet: Martins Hilferufe, dass er krank sei und kein Dämon, verhallen folgenlos.
So stellt "Martin" auch eine humanistische Antwort auf Friedkins reaktionären "Exorzist" (1973) dar, der das Entsetzen über eine entfremdete Jugend streng aus Perspektive des Establishments objektiviert. Romero dagegen wählt den entgegengesetzten Blickwinkel: Vor dem hysterischen Pathos eines Exorzismus bleibt Martin nur kopfschüttelnd die Flucht. Es gelingt ein Kinoglück in 16 mm, von Sozialarbeiterkitsch weit entfernt.
"Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, kommen die Toten auf die Erde zurück" lautet die reißerische Werbezeile von Romeros berüchtigtem "Dawn of the Dead" (1978), der das allegorische Potenzial der Untotenschar um eine plakative Konsumkritik erweitert. Ein erstaunlich gelungenes Remake löste 2004 ein Genre-Revial aus, sodass auch bei Romero, 20 Jahre nach seinem letzten Zombiefilm, neuerlich Untote Einzug hielten: "Land of the Dead", eine wütende Parabel auf die USA nach dem 11. September und dessen Folgen, lässt kaum Zweifel daran, dass Zombies wahrscheinlich doch die besseren Menschen sind. Seitdem legt Romero, bis heute ein Hollywood-Outsider mit oft langen Arbeitspausen, im vergleichsweise rasanten Tempo Zombiefilme vor: "Survival of the Dead" läuft gerade im Festival-Circuit, im April startet das Remake seiner Seuchenapokalypse "The Crazies" (1973). Dem Altmeister des Horrorkinos sei deshalb heute eine Atempause gegönnt: George A. Romero wird 70 Jahre alt.
Zum Horrorfilm kam er über Umwege: Eigentlich wollte George A. Romero eine Art Ingmar-Bergman-Film drehen. Doch der Stoff, mit dem der junge, kinobegeisterte Werbefilmer in den Sechzigern hausieren ging, fand keine Investoren. Horrorfilme hingegen stellten schnelles Geld in Aussicht. Romero sattelte um, lieh sich kleckerweise ein Minimalbudget zusammen und kompensierte mangelnde Production Values durch grelle Drastik. Mit grobkörnigen Schwarzweißbildern stach sein Debüt "Night of the Living Dead" 1968 in die USA wie in ein Hornissennest: Der Mord an Martin Luther King, die Bilder aus Vietnam und der Protest auf den Straßen stellten die Nation vor eine innere Zerreißprobe
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Es waren die passenden Bilder zur Zeit, die das gemütliche Gruselkino mit seinen viktorianischen Gentlemen und staubigen Monstern längst aus dem Blick verloren hatte: Eine zufällig zusammengewürfelte Gruppe, die sich angesichts Heerscharen lebender Toter in einem Landhaus verbarrikadiert, scheitert schließlich an inneren Konflikten. Dass der afroamerikanische Held am Ende von schießwütigen Rednecks erschossen wird, zählt zu den Schlüsselszenen des amerikanischen Kinos. Der Popkultur schenkte Romero einen Mythos: Aus dem ikonografischen Repertoire der Zombie-Apokalypse schöpfen Musikvideos, Horrorfilme und Comics heute ganz selbstverständlich.
Was Romero - und dann sein Werk - dabei auszeichnete, war nicht bloß, dass er eine Grundformel des Genres - es gibt ein Drinnen, es gibt ein Draußen und an der Grenze jede Menge Ärger - in selten erlebter Klarheit artikulierte. Seit seinem Erstling malt er mit dicken Strichen an einem dunklen Bild der Menschheit, die sich fortlaufend falsch entscheidet, an alten Mustern festhält und geleitet von partikularen Einzelinteressen den eigenen Untergang heraufbeschwört. Die Stimme der Vernunft, sie artikuliert sich zwar, doch wird sie meist totgeschlagen: Erschreckender als Zombies, Viren und Vampire sind hinterwäldlerischer Machismo, unkontrollierte Militärs und verkrustete Überzeugungen bei Romero allemal.
In "Martin" (1977) etwa, seinem schönsten Film, erzählt er im melancholisch gedämpften Tonfall von einem jungen, verwirrten Mann, der aus Osteuropa in die Obhut eines älteren Herrn nach Pittsburgh kommt. Dieser hält ihn für einen Vampir und lässt, mit tragischen Folgen, zur "Errettung" dessen Seele nichts unversucht. Zwar steht außer Frage, dass Martin Menschen wegen ihres Blutes tötet. Doch ist es der starrsinnige Aberglaube des alten Mannes, der diesen als das wahre Monster kennzeichnet: Martins Hilferufe, dass er krank sei und kein Dämon, verhallen folgenlos.
So stellt "Martin" auch eine humanistische Antwort auf Friedkins reaktionären "Exorzist" (1973) dar, der das Entsetzen über eine entfremdete Jugend streng aus Perspektive des Establishments objektiviert. Romero dagegen wählt den entgegengesetzten Blickwinkel: Vor dem hysterischen Pathos eines Exorzismus bleibt Martin nur kopfschüttelnd die Flucht. Es gelingt ein Kinoglück in 16 mm, von Sozialarbeiterkitsch weit entfernt.
"Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, kommen die Toten auf die Erde zurück" lautet die reißerische Werbezeile von Romeros berüchtigtem "Dawn of the Dead" (1978), der das allegorische Potenzial der Untotenschar um eine plakative Konsumkritik erweitert. Ein erstaunlich gelungenes Remake löste 2004 ein Genre-Revial aus, sodass auch bei Romero, 20 Jahre nach seinem letzten Zombiefilm, neuerlich Untote Einzug hielten: "Land of the Dead", eine wütende Parabel auf die USA nach dem 11. September und dessen Folgen, lässt kaum Zweifel daran, dass Zombies wahrscheinlich doch die besseren Menschen sind. Seitdem legt Romero, bis heute ein Hollywood-Outsider mit oft langen Arbeitspausen, im vergleichsweise rasanten Tempo Zombiefilme vor: "Survival of the Dead" läuft gerade im Festival-Circuit, im April startet das Remake seiner Seuchenapokalypse "The Crazies" (1973). Dem Altmeister des Horrorkinos sei deshalb heute eine Atempause gegönnt: George A. Romero wird 70 Jahre alt.
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