23.04.2005, Heimkino

Zunächst ein schönes Beispiel, warum die 80er größtenteils ein ästhetisches Verbrechen darstellen. Der Film ertrinkt förmlich in seiner Zeitverhaftung und während noch fast jede Dekade seinen Filmen ein Gepräge mit auf den Weg gibt, das diesen, im Sinne des Charmes, zum Vorteil gereicht, ist bei den 80ern dahingehend kaum etwas zu holen. Nein, die Musik, die hier in großzügigen Dosen über alles und jedes gegossen wird, wird auch in Zukunft nicht gut klingen, vielmehr will man schreiend wegrennen. Die Klamotten, die alle anhaben, sind grundsätzlich Scheiße. Das gekünstelt Oberflächliche in jeder Einstellung ist nur mehr schale Hülle. Auch das Filmmaterial ist von selten ödem materialästhetischen Reiz, das post-homevideo-bedingte Bildformat macht vor allem die an sich sensationall inszenierte Autoverfolgungsjagd zum Trauerspiel, das vom abhanden gekommenen Scope kündet, und die typografische Gestaltung des Vorspanns verursacht bloßen physischen Schmerz.

Dem kann der Film zunächst kaum entkommen, zumal auch gerade die erste halbe Stunde seltsam unbalanciert vor sich hinstolpert und sich kaum für etwas handfestes entscheiden kann. Und immer wieder meint man einem verkrampften Versuch beizuwohnen, an den großartigen French Connection - der nun ebenfalls ganz und gar im Sud seiner Zeit kocht, aber nun, ganz im Gegensatz zu diesem Friedkinfilm, dadurch punkten kann - anzuschließen, diesen künstlerisch überrragenden Erfolg gar zu wiederholen.

Gut wird's dann später, als der Fokus endlich gefunden ist, die Ungelenkigkeiten in der grundsätzlichen Orientierung abnehmen und auch die "Greatest" Hits of the 80's-CD im hohen Bogen aus dem Tonstudio geschmissen wurde. Wenn diese beiden Polizisten, um die sich mal wieder alles dreht, endlich aus dem offiziellen Behördengang ausscheren - der eine, weil er ein Egomane sondergleichen ist, der andere, weil er an sich gegen seinen Willen mitgerissen wird - entwickelt To Live and Die in L.A. eine ungemeine Kraft, in der übliche hard boiled Zynismen der Copthriller aus den 70er Jahren mit leichter Hand noch übertroffen werden und ein selten düsteres Bild von Machtökonomien und ihren Verlockungen gezeichnet wird. Es ist nichts anderes als großartig, wenn diese beiden Cops selbst einen Diamantendeal unter Hehlern überfallen, um an jenen Geldbetrag zu kommen, der ihnen von offizieller Seite verweigert wird, um damit einen Geldfälscher - im übrigen großartig mit dem jungen Willem Dafoe besetzt - in die Falle zu locken. Ab hier zieht das eigene Verbrechen dann die weiten Kreise, die von einem solchen Schattenfilm zu wünschen sind, und natürlich stehen am Ende: Blut allenthalben und die verlorene Unschuld des vormaligen Idealisten. Das eigentliche Opfer indes: natürlich eine Frau, eine Person am Rande des Schauspiels nur, die von männlicher Egomanie aufs Neuerliche versklavt wird.

Ein ambivalentes Erlebnis. Bis an die Schmerzgrenze unsicher zu Beginn, dann atemberaubend, zum Ende hin schlicht genial - wann hätte ein Schuss in den Kopf den Zuschauer stärker vor den eigenen gestoßen? -, mit einem wiederum seltsam delierenden Beschluss, der einen nochmals am Verstand der Macher zweifeln lässt. Sei's drum: To Live and Die in L.A. ist eine Kost, an der man manchen Zahn verliert, aber schlußendlich gelohnt hat sich's dann doch.

imdb


° ° °




kommentare dazu:



michael2, Sonntag, 24. April 2005, 23:14
Die Anmerkung, dass ich deine Einträge aus dem Heimkino-Universum am meisten schätze. Hat etwas sehr Entspanntes und trotzdem finden finden sich meistens neue Gedankenansätze und Stimulationen, die Filme (wieder-)zu sehen.


thgroh, Montag, 25. April 2005, 02:34
Herzlichen Dank! :)



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