Thema: literatur
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Vor wenigen Tagen habe ich mein erstes Exemplar eines Suhrkamp-Taschenbuchs erhalten, das rein äußerlich nicht mehr der vormals üblichen Fleckhaus-Gestaltung, sondern jener neuen Konzeption entspricht, die mit geometisch genau separierten vier Farbflächen ein wenig verzweifelt Modernität zum Ausdruck bringen soll. Mag bei vorliegender Prosa, durch den Einsatz naheliegender Fotografien, das Buch noch ansehnlich gestaltbar sein, zumindest dahingehend, dass man ästhetisch nicht vollends beleidigt wird, gelangt die Gestaltung wissenschaftlicher oder zumindest nicht-prosaischer Bücher bei der Blöße des ästhetischen Grundkonzepts an, das über mit zweifelhaftem Geschick zusammengestellter Farbflächen und bloßer Titelangaben keinerlei weiteren Anreiz mehr bietet. Und mit einigem Erfolg erreicht man auch das offenbar gesteckte Ziel: Es sieht zum Kotzen aus, nach Wegwerfliteratur und Billig-Quatsch, zumal auch das spezifische Einbandmaterial früherer Ausgaben - mit leichtem "Relief" - gewechselt wurde und man nun bei üblicher Taschenbuchglätte angelangt ist. Die elegante Schlichtheit und Serialität, wie sie die Fleckhaus-Konzeption mit sich brachte, die letzten Endes auch Suhrkamp-Bücher schnell differenzierbar machte, ist, zu Gunsten ästhetischer Gleichgültigkeit, dahin. Vorbei das Taktile, das Suhrkamp-Büchern in wissenden Händen Differenzqualität bescherte, vorbei offenbar auch die Zeit einer diskreten Gestaltungssingularität innerhalb des gesteckten, zwar rigiden, aber eben doch austestbaren Konzepts früherer Tage. Schade auch, dass im Regal der Eindruck des Geschlossenen nun mehr zerstört wird.

Jetzt, wo ich das Resultat der seit letztem Jahr geänderten Politik unmittelbar in Händen halte, frage ich mich, zu welchem Zweck hier herumgeschneidert wurde. Das Moderne, was hier zum Ausdruck gebracht werden soll, ist doch nur Einfallslosigkeit und mündet in ästhetische Minderwertigkeit, vor allem aber in Profilverlust. Jede alte Lovecraft-Ausgabe aus selbem Hause überbietet den äußeren Reiz solcher Einfältigkeit. Erschreckend ist dabei die Geschwindigkeit, mit der nun auch scheinbar für ewig bei Suhrkamp vorliegende Klassiker der Sachliteratur durch ihre ermüdend neu gestalteten Pendants ersetzt werden.

Für mich hat dies nur eine Konsequenz: Sofern mir irgend möglich, wird Material von Suhrkamp in Zukunft auf antiquarischem Wege bezogen. Lieber nehme ich dusselige Anstreichungen in Kauf als mir solch ausgemachte, lieblos hingemurkste Hässlichkeit ins Regal zu stellen.

Nachtrag:
Die FAZ sah das, im September vergangenen Jahres, ähnlich.


° ° °




kommentare dazu:



ae, Sonntag, 24. April 2005, 22:06
welches war es denn? bei mir kam letzten freitag "gendertronics" an, das ja auch erst gerade herauskam. mit fleckhaus-einband und in typischem es-layout. vor ein oder zwei jahren gab es ja diese "40 jahre es"-reihe. da wurde auch schon auf die strukturpappe des einbands verzichtet, hatte dafür aber das fleckhaus-design der bs-bände.
generell lässt suhrkamp auch bei der typographie immer mehr nach. grausigstes beispiel oben genannte jubiläums-edition: hurenkinder und schusterjungen ohne ende, keine registerhaltigkeit, viel zu enge fußnoten etc. von feintypographischen finessen ganz zu schweigen, die ich aber bei taschenbüchern ohnehin nicht mehr erwarte. und mit den rechtschreibfehlern fange ich erst gar nicht an...


thgroh, Montag, 25. April 2005, 02:39
"Ornament der Masse" von Siegfried Kracauer, darin sind ein paar Texte, die ich für ein Seminar brauche. Bei Amazon war das auch noch mit altem Cover gelistet - weswegen ich bestellte -, doch an kam das neue, das nun wirklich schon fast pervers unansehnlich ist. Ärgerlich.

Ja, diese Registersaumseligkeit beklage ich auch schon lange. Im Rahmen einer Veranstaltung im letzten Semester musste ich ein paar möglichst zeitgenössische Stimmen zu speziellen deutschen Stummfilme recherchieren, wofür natürlich der bei Suhrkamp vorliegende Filmtheorie-Kanon mit eine der ersten Anlaufstellen ist. Da möchte man ein Buch schon gerne mal an die Wand werfen, wenn dann kein Register vorhanden ist. Ohne solche Anhänge ist ein Buch, letzten Endes auch als Arbeitsgerät verstanden, eigentlich kaum brauchbar.


ae, Montag, 25. April 2005, 19:50
Das ist zwar auch ein Problem, aber ich meinte eher das hier. Aber, zugegeben, "Registersaumseligkeit" ist auch ein schönes Wort. ;)

kazanian, Montag, 25. April 2005, 16:48
Kleider machen Leute
Ja. Ich habe allerdings die Vermutung, dass nicht in erster Linie Modernität damit zum Ausdruck gebracht werden soll, sondern vielmehr eine visuelle Orientierung an Konkurrenzprodukten, die auf dem Markt erfolgreich sind, einbezogen wurde. Ich denke, die Umgestaltung steht (sicher in irgendeiner Weise empirisch belegt) in Verbindung mit der Spekulation auf höheren Absatz.
Ich weiß allerdings nicht genau, wie es dem Verlag wirtschaftlich in letzter Zeit erging, vielleicht ja nicht besonders gut. Wenn dem so wäre, fände ich es allerdings auch ein undeutliches Argument, was stark nach Alibi klingt, denn man hätte z.B. auch am VerlagsPROGRAMM ansetzen können. Was sagt denn der Publizist & Medienökonom dazu? :)

Der Eindruck von Geschlossenheit ist in meinen Regalen zwar ohnehin gebrochen & trotzdem sehe ich es genauso wie Du: die neue Form ist eine Zumutung & es drängt sich der Eindruck auf, dass zur Erstellung der Einbände Personen beauftragt wurden, deren Gestaltungswille sich nicht von dem einer Blindschleiche unterscheidet.

stefan hoeltgen, Dienstag, 26. April 2005, 08:56
»Don't judge a book by its cover.«
Die stws haben ganz andere Probleme als ihr Cover, nämlich die oft extrem fehlenden Index- und Register-Seiten. Ich hoffe, dass die "Modernität außen" sich auch auf eine "Modernität innen" auswirkt.



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