20.01.2006, Heimkino

Von Mike Hodges - immerhin Regisseur des Klassikers Get Carter und der amüsant postmodernen Retro-Groteske Flash Gordon - darf man eigentlich zumindest solide, routinierte Genrekost erwarten; umso ärgerlicher, dass sein Dead Simple (d.i. der deutsche Verleihtitel für den eigentlich betitelten I'll Sleep when I'm Dead, ach so!) so wirkt, als hätte sich ein uninspirierter, nur mäßig talentierter und an Filmkunst nun leider absolut nicht interessierter Filmschul-Absolvent an einem bedeutungsschwanger-düsteren, elegischen Neo-Noir versucht, ohne dabei irgendwas so recht verstanden zu haben.

Umständlich spannt der Plot seine Storyfäden zusammen, ohne dass er dabei so recht wüsste, zu welchem Zweck: Eigentlich geht es um den Mafia-Aussteiger Will (Clive Owen), der schon seit einiger Zeit ein reuevolles Einsiedlerleben im Wald führt und sich mit Arbeiten für eine Abholzfirma mehr schlecht als recht verdingt. Als sein jüngerer Bruder (Jonathan Rhys-Meyers), ein Gernegroß-Dealer, eine Schmalspurkopie eines Pat Bateman, um den es zu Beginn recht lange geht, unter zunächst so ominösen wie undurchsichtigen Umständen von einem Autohändler (Malcolm McDowell, der nun auch schon seit Jahren sein Gesicht in beschissenem Direct-to-DVD-Schlunz spazierenträgt) rektal vergewaltigt wird und daraufhin gefrustet den Freitod sucht, zieht Will zurück in seine Heimat um mit vermeintlich stoisch-ausdruckslosem Gesichtsausdruck (der in Wahrheit eigentlich nur recht belämmert ist) die Hintergründe der Angelegenheit aufzuklären und, gegebenenfalls, die Verantwortlichen blutig zur Rechenschaft zu ziehen...

Man kann sich gut vorstellen, dass ein solcher Stoff - sagen wir, zu Hochzeiten des italienischen Zynismus-Thrillers der 70er Jahre umgesetzt - einen richtig derben, abgehangenen Hardboiled-Streifen abgegeben hätte. Hodges hingegen zieht es vor, dem Stoff jeden Saft zu entziehen, ihn umständlich mit sinnlos eingestreuten Details, einem ganzen Arsenal für das eigentliche Geschehen herzlich unerheblicher Nebenfiguren und konzeptlos nebeneinander gestellter Storyfäden zu strecken, dass man sich schon bald als Kunde betrogen fühlt. Denn die Disparitäten bringen nichts, sie verbergen keinen Kern, den es zu enträtseln gelte, haben, so scheint es, keinerlei Funktion außer derjenigen, den Film auf abendfüllendes Format zu dehnen. Hinzu kommt die geradewegs delirant konzipierte Lakonie, die dem Film offenbar zum Hardboiled-Stempelchen verhelfen soll; allenthalben wird in erster Linie blöde durch die Gegend gestarrt, dass man Regisseur samt Crew förmlich "Ja! Genau so!" blöken zu hören meint. Natürlich ist das nur heiße Luft: Der Film reiht Detail an Detail, das doch nichts zu bedeuten hat, raunzt Bedeutung, Schwermut, Tiefe in die Luft und produziert doch nur kleine Dampfwölkchen, die sich beim Hinschauen schon verflüchtigen.

Dass der Film ästhetisch fad und ohne erkennbares Konzept inszeniert wurde, ist dabei nur noch der Zuckerguß auf dieser Belanglosigkeit. Dead Simple ist ein herausragendes Beispiel für langweilige mise-en-scène und mangelndes Feingespür in der decoupage; darin ist er, als Negativbeispiel, fast schon lehrbuchreif. Man wird den Eindruck nicht los, dass hier wirklich alles scheißegal gewesen ist; dazu passen auch die Häppchenauftritte von Stars wie Malcolm McDowell und Charlotte Rampling, die hier mittels ein paar Minuten vermutlich nicht allzu teurer screen time ihren Namen geldwert für's Plakat hergeben, um damit dem Film auf dem zur Amortisierung nötigen World Sales Market noch ein paar Selling Points zu kredenzen.

imdb


° ° °




kommentare dazu:



knoerer, Montag, 23. Januar 2006, 14:07
Das verstört mich, ehrlich gesagt - denn ich habe noch keinen Film von Mike Hodges gesehen, der nicht wenigstens faszinierend ist. Manchmal nicht gelungen, gelegentlich auf Sachen zielend, auf die zu zielen einem wenig sinnvoll scheint. Ich habe den Film ja noch nicht gesehen, daher, um mein Hodges-Bild nicht einfach so preiszugeben, die Nachfrage: Kann es nicht eventuell doch sein, dass Hodges hier so etwas wie die "Dekonstruktion" eines Gangsterfilms versucht? (Das hat er gelegentlich schon getan.) Malcolm McDowell ist übrigens verdammt sehenswert in der TV-Serie "Our Friends in the North" - im Videodrom. Auch Daniel Craig ist da großartig.


thgroh, Montag, 23. Januar 2006, 15:52
Das mit Dekonstruktion kann gut sein; falls er dies im Sinn hatte, dann mag dies auf eine subtile Art vonstatten gegangen sein, die ohne bleibende Eindrücke an mir vorüberzog. Zwar drängte sich mir der Verdacht gelegentlich auf, dass da in etwas diesem Sinne vorgehabt wurde; doch wenn, so erreichte das zumindest für mich nie zwingende Qualität. Das stand irgendwie alles disparat nebeneinander, was ja durchaus von Reiz sein kann, hier aber nie recht zündete; vielleicht bin ich derzeit als Rezipient aber auch einfach nur zu ungeduldig, was solche Projekte betrifft. Von daher mag es sein, dass Du bei einer Sichtung zu anderen Ergebnissen kommst; ohne jetzt schleimen zu wollen hast Du für sowas ja auch meistens eher das Feingespür (und ich kenne mich in Hodges' Werk auch nicht sonderlich gut aus). Deshalb wäre ich auch gespannt, was Du zu dem Film (den es in jeder üblichen Videothek, auch in Konstanz, geben sollte) zu sagen hast.



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