So richtig angefangen hat das Festival für mich noch nicht. Gestern morgen gemütlich zwei Filme aus dem Forum, deren Pressevorführungen immer die entspanntesten und irgendwie nettesten sind. Das ist schon sehr nah dran am eigentlichen Kinobesuch, im Gegensatz etwa zu den Verhältnissen, die frühmorgens vor der ersten Wettbewerbs-PV im Berlinale Palast herrschen (der ohnehin, dies nur am Rande, das beschissenste "Kino" überhaupt ist). Danach noch zur Uni, auch heute morgen wieder, dann noch nach Hause, Unikram erledigen, dann wieder zur Berlinale und heute nur einen Film geschaut, den wenig erfreulichen Bollywood-Beitrag (siehe unten). So richtig Berlinale ist das noch nicht, aber morgen geht es richtig los, das fürchte ich, mit Terrence Malicks Pocahontas-Blockbuster New World, für den es in den frühesten Morgenstunden sich aus dem Bett zu schälen gilt.

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Schrecklich die beiden Frauen zwei Plätze neben mir vor Parineeta. Es wird aufgerückt, um einer kleinen Gruppe weiter rechts die Möglichkeit zum Zusammensitzen zu geben; da klagt die eine plötzlich darüber - und dies eben nicht unauffällig -, dass sie nun auf einer "ungeraden Nummer" sitze. Damit hat sie in Problem, das geht nicht, nein, das geht wirklich nicht, mit ungeraden Nummern, so sie, mit denen habe sie ein Problem. Also tauscht sie den Platz mit ihrer Freundin und sie ist ihr sehr dankbar dafür, auf sehr affektierte Weise. Die andere will nun aber auch endlich ihre fünf Minuten Gratis-Rumspinnen aufbrauchen und erzählt in eine fort von ihrer seltsamen Diät, die sie gerade fährt - und ich fürchte, weil diätbedürftig sah sie ja nun gerade eben nicht aus, dieses Ernährungsdiktat, das im wesentlichen auf Totalverzicht auf allem basiert (außer Sesamöl, Sesamöl geht, meint sie, fein, denke ich mir, Sesamöl, das ist ja schon fast eine vollwertige Mahlzeit), begründet sich streng spirituell. Warum tauchen solche Freaks grundsätzlich bei Filmfestivals auf? Wo sind die sonst anzutreffen?

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Ich hasste sehr lange Zeit Pistazien, was damit zusammenhängt, dass ich mal so mit 11 eine gegessen habe, die mir nicht geschmeckt hat. Seit kurzem liebe ich Pistazien, was damit zusammenhängt, dass ich mal wieder welche probiert habe. Jedenfalls, das Pistazieneis oben bei der Eisdiele in den Potsdamer Arkaden ist ganz okay, aber nicht super. Die Kugel drunter ist Cookies, so schmeckt einfach die Berlinale für mich, jedes Jahr immer wieder.

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Ich laufe blöd rum, mit Eis in der Hand, und bin plötzlich wieder im Cinemax, von wo ich eigentlich gerade geflohen bin. Bei der Pressevorführung zum neuen Film von Lukas Moodysson, den anzuschauen ich mich scheue, ist kein Einlass mehr möglich, Kino schon voll mit Presse, kurzfristig zweite PV anberaumt. Auch wieder so ein Ding, das ich nicht verstehe. Warum nun ausgerechnet bei dem alle reinrennen? Allerdings war sein letzter Film ja ein Porno und so ist das ja eigentlich immer: Irgendwas mit Porno, Titten oder Schmuddel machen und Du hast auf der Berlinale vollstes Haus. Keine Ahnung, um was aber nun in diesem Film geht.

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Ich warte noch auf den ersten Dummbrot-Journalisten, der mir negativ in einer Pressevorführung auffällt; erfahrungsgemäß gibt's solche berufsmäßigen Luschen jedes Jahr zu bestaunen. Ekkehard hat schon welche in ihrem ureigenen Terrain, den Wettbewerbspressevorführungen, angetroffen. File under: Hassliebe. Na gut, mehr Hass als Liebe.

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Vor dem Berlinale-Palast versucht so ein Praktikantinnen-Opfer die "Cine-Ausgabe" von Gala zu verschenken. Keiner will das, ich auch nicht, nein, auch beim zweiten Mal nicht, wirklich nicht.

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Im Hotel Hyatt, wo es die Pressekarten und -konferenzen gibt, sind dieses Jahr in der Lobby irgendwie alle viel wichtiger als in den Jahren zuvor. Zumindest was Gesichtsausdruck und Körperhaltung betrifft.

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Schade: Gibt es dieses Jahr kein ScreenDaily? Noch keine Ausgabe gesehen, nirgends. Dafür nur die Variety, aber die hat irgendwie nicht diesen Live-Charme. ScreenDaily hingegen hat immer diesen Talk at "Platz"-Charme. Kommt hoffentlich noch, da würde was ernsthaft fehlen.

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Wenig Plakate diesmal am Platz.

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Der Goldene Ehren-Arschtritt gebührt im übrigen mal wieder der BVG, der es nun schon zum zweiten Mal in Folge gelungen ist, pünktlich zum Festival den S-Bahnbetrieb hin und ab dem Potsdamer Platz ab abends auf Pendelverkehr mit vielen Pausen zwischen den Zügen umzustellen. So ist es recht - während droben noch Tausende Leute aus aller Welt in den Kinos hocken, die alle noch nach Hause wollen, und alle Würdenträger dieser Stadt antanzen, um die Metropole Berlin zu beschwören, zeigt sich die Stadt drunten im Keller von ihrer finstersten, provinziellen Seite. Von selbst versteht sich, dass die Info-Ansagen zum ohnehin zur Desorientierung einladenden Pendelsystem natürlich auf Deutsch rumgepöbelt werden. Aber nun gut, dafür kann die BVG seit neuestem kontrollieren als gäb's kein Morgen mehr: Geschlagene achtmal wurde ich in den letzten drei Tagen zum Vorzeigen des Fahrausweises aufgefordert.

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So richtig angefangen hat es irgendwie wirklich noch nicht.


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