Thema: DVDs
Es ist lobenswert, dass die FAZ wöchentlich eine ganze Seite dem Thema DVD widmet. Es wäre sicher wünschenswert, wenn hier der Fokus noch ein bisschen weiter weg von dem gelegt wird, was über Kanonisierung oder Werbeaufwand des Anbieters ohnehin schon einigermaßen bei den Lesern angekommen ist, aber nun gut. Es ist aber mit beträchtlicher Sicherheit absolut ärgerlich, wenn man, wie heute, eine gerade mal zwei Absätze lange Larmoyanz zu lesen bekommt, in der die Nicht-Veröffentlichung zahlreicher Klassiker gescholten und eine Art digitales Mittelalter einer zukünftigen Filmkultur prophezeit wird.

Zugegeben, die deutsche DVD-Editionslage ist nicht die beste. Es mag bezeichnend sein, dass sich eine DVD-Serie wie die SZ-Cinemathek fast ausschließlich aus ohnehin schon veröffentlichten Titeln zusammensetzt und dadurch schnell in den Ruch des Sinnbefreiten gerät. Ja, von vielen Titeln wünschte man sich gerne eine deutsche DVD, gerade und besonders aus filmhistorischen Gründen.

Wie verhält man sich aber nun in einer solchen Situation? Möchte man Zeilen und Aufmerksamkeit klauben, dann stellt man sich mit einem The End is nigh!-Schild ins Redaktionsbüro und verfasst den veröffentlichten Text - kommt kantig, ist wichtig, kulturkritische Untergangsszenarien sind immer gerne gesehen. Bringt das aber bitte irgendwas außer dem Autor fünf Minuten Leseraufmerksamkeit? Nö!

Oder aber man will die Situation vielleicht wirklich konkret verbessern - und schreibt eine Anleitung, wie man sich endlich mal frei von den Kalkulationen des deutschen Filmmarktes machen kann, wie man also, mit wenig Aufwand und obendrein meist sogar recht günstig, DVDs im Ausland bestellt. Nicht wenige der Filme, deren Nichtveröffentlichung der Autor zeiht, sind im Ausland nämlich ohne großen Aufwand beziehbar. Manche etwa schon über die französische, britische oder us-amerikanische Filiale von Amazon.

Gut, könnte man vielleicht entgegnen, aber im Ausland wird's ja wohl kaum deutschen Ton geben! Ja, den gibt es dort nur sehr selten, auch deutsche Untertitel darf man nicht erwarten - umso besser, wenn sich von solchen Sprachbarrieren - und das sind sie - endlich mal freigemacht wird! Diese Unsitte nämlich, alles und jedes zu synchronisieren hat nämlich nicht nur dazu geführt, dass in Deutschland kaum ein Mensch Englisch sprechen kann, sondern eben auch sehr konkret dazu, dass - und eben hier schließt sich der Kreis - zahlreiche bedeutende Meisterwerke der Filmgeschichte überhaupt nie in Deutschland zu sehen gewesen, ja vollkommen unbekannt sind. Es wird endlich gottverfluchte Zeit, dass sich die Deutschen von ihrem infantilen Entwurf des gallischen Dorfes zu lösen beginnen!

Ein nicht eben unbeträchtlicher Teil der Filmgeschichte liegt international auf DVD vor, es bedarf nur eines ersten Anschubs, dass sich die Leute dessen bewusst werden. Wer, wenn nicht ein Redakteur für eine DVD-Seite einer der größten deutschen Tageszeitungen könnte hier besser Schubhilfe leisten? Darüber hinaus gibt es dort draußen auf DVD eine unfassbar große Menge an großen, wichtigen, atemberaubenden aktuellen Filmen, die man in Deutschland aller Wahrscheinlichkeit nach weder im Kino noch auf DVD jemals zu Gesicht bekommen wird - was könnte fruchtbarer für eine Filmkultur sein, als an prominenter Stelle genau darauf hinzuweisen, Links und beim Bestellen Beachtenswertes zu kommunizieren?

Aber nein, lieber verbreitet man etwas merkbefreiten und vollkommen unangebrachten Weltuntergangsverdruss, dazu ein wenig Staatsanrufung. Das ist speckigste, alt-bundesrepublikanischste Kulturgesinnung, die eine Vorsortierung des Guten lieber in die Hände von öffentlich-rechtlichen Redaktionen, katholischen Filmgremien und Kulturausschüssen – und damit also dem genuinen Feind einer vitalen, widerspenstigen, leidenschaftlichen, aufregenden Filmkultur – legt, statt Interesse, Neugier und Expertise zu befördern.


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kommentare dazu:



nemo 2, Mittwoch, 22. Februar 2006, 10:35
Den Fakt, dass mit jedem Wechsel auf ein neues Trägermedium auch ein Schwund an bereits Veröffentlichtem einhergeht halte ich schon für beklagenswert. Zumal Ursache und mögliche Folgen zwar durch einen internationalen Zugriff abgemildert werden, aber nicht automatisch verschwinden.



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