07.05.2003, Heimkino

Im letzten Schnitt wird in einem Essay der Film als Zeitmaschine bezeichnet und Video als deren neue Qualität. Eine Zeitreise stellt, zumindest für mich, die Ausstrahlung von L'Aile ou la cuisse auf dem neuen Senderkonglomerat RBB definitiv dar, eine Reise zurück in frühste Kindheitstage, als der Betamax-Rekorder unterm Fernsehgerät mich zum Film, zur Liebe zum Film brachte.

Was habe ich diesen Film doch geliebt! Seine dummen Sprüche habe ich mitgesprochen, mich über Funes' Grimassen amüsiert, zwar nichts vom Plot wirklich verstanden - war ja auch gar nicht nötig! -, aber stets hemmungslos gelacht. Was habe ich diesen Film also geliebt, wie auch alle anderen mit Louis de Funes, oder aber auch mit Pierre Richard, oder mit Bud Spencer und Terence Hill, mit Dudu, dem Käfer, mit Chewbacca und Rocky, mit Conan und dem Orang-Utan Clyde und wie die ganzen Figuren des 70er/Früh-80er Unterhaltungskinos noch heißen mögen, dessen Pforten mir, zum Glück, nicht von pädagogikverblendeten Eltern verschlossen wurden (später, bei Rambo und Konsorten - ich war gerade mal 10 - wurde es dann etwas kritischer, aber man hat ja so seine Wege, bzw. seinen Freudeskreis).

Und heute? Heute ist's ein willkommenes Wiedersehen, ein Sprung zurück in jene Zeit, als dämliche Filme noch unberührte Herzen weit öffnen konnten, als die Welt der Erwachsenen, die meine eifersüchtig gehüteten Juwelen - was ein Drama, wenn eine dieser kleinen Betamaxkasetten abhanden gekommen, vermutlich gar gelöscht worden war! - als "Blödsinn" belächelten und stillschweigend hofften, dass mit dem Alter wohl auch die Einsicht käme, seltsam entrückt wirkte, unerreichbar weit weg. Ich hatte auch gar keine große Lust darauf, irgendwann mal so reif zu sein wie die, um dann etwa - Gott, bewahre! - meine eigenen Filmlieblinge nicht mehr schätzen zu können.

Natürlich, heutzutage würde mich L'Aille ou la cuisse ohne diese biografische Vorgeschichte wohl nicht mehr vom Hocker reißen, klar. Doch anschauen mag ich mir das noch immer sehr gerne, zum Glück! Ich kannte sogar noch einzelne Elemente des Plots - irgendwas bleibt selbst beim größten "Nicht-Verstehen-Müssen", ewigen Wiederholungen sei's gedankt, hängen - und die Witze konnte ich noch immer mitsprechen, auch die Slapstickszenen waren mir noch wohlbekannt. Fast gruselig eigentlich schon, was man selbst noch nach Jahren des "Lange-Liegen-Lassens" dem Hirn an abgespeicherten Informationen entlocken kann. Neu waren mir, da war der kleine Junge vor dem Fernseher dann doch noch zu naiv, ein paar soziale wie politische Seitenhiebe in den Dialogen, die sich aus einer ähnlich rustikalen, ganz spezifisch französischen "mir-san-mir"-Mentalität speißen wie die Asterixcomics und dieser seltsame Antiglobalisierungsaktivist (wie heißt der noch gleich? Dieser Typ, der links daherkommt und rechtes spricht, während er McDonald's an die Fassade pinkelt?). Da passt es dann auch ganz gut zusammen, wenn man auf der imdb nach kurzer Recherche feststellt, dass Claude Zidi, der als Regisseur für diesen Delikatessenklamauk mitverantwortlich zeichnete, in den späten 90ern diese Asterixadaption mit realen Menschen bewerkstelligte.

Irgendwann war der Spaß dann auch vorbei und ließ mich mit dem festen Entschluß zurück, auf dem Regal eine kleine Extrasektion einzurichten: "Kindheitserinnerungen". Der Betamaxrekorder ist lange schon den Weg alles Irdischen gegangen, liegt vermutlich auf irgendeiner fränkischen Müllhalde unter, mittlerweile wohl, 20 bis 30 Metern Hausmüll begraben, die dazugehörigen Kasetten, die sind schon längst von der Sperrmüllabfuhr abgeholt worden, sind vermutlich schon verrottet, die Informationen auf den Bändern schon lange nicht mehr abrufbar. Aber der naive, mit großen Augen staunende Junge, für den diese Kasetten und dann diese Wundermaschine einst ein kleines Stück Paradies auf Erden darstellte, den gibt's noch immer. Manchmal, wenn sich irgendein öffentlich-rechtlicher TV-Sender erbarmt, die alten Bestände aus dem Archiv mal wieder auszuwerten, kommt er zu Besuch.


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