Der Effekt ist derselbe, der sich schon bei der theoretisch nicht wirklich weit entfernten Dokumentation A Journey into the Mind of [P.] einstellte: Ein für sich genommen faszinierendes Thema - hier also der Unabomber, dort Thomas Pynchon -, das Gegenstand weitreichender Spekulationen, Verschwörungstheorien und paranoischer Überlegungen ist, gerinnt in einer dokumentarisch-essayistischen Aufarbeitung zur leicht drögen Aneinanderreihung von Möglichkeiten und Abwägungen, die sich nie allzu weit hinaus wagen. Dem Pynchon-Versuch gelingt es immerhin so einigermaßen, die Gründe für die Faszination dieses sonderbaren Autors mehr oder weniger schlüssig zu verdichten; Das Netz hingegen versammelt weitgehend disparate Zutaten eines ausgemachten Paranoia-Cocktails, ohne auch nur ansatzweise die Kunst des Shakens zu verstehen. Man mag dies als Stärke auslegen, da gar nicht erst versucht wird, in ein paranoisch strukturiertes Hirngebilde aus Mathematik, Konstruktivismus, Kybernetik, Krypto- und Psycho-Technologie, Maschinenstürmertum, Drogenexperimenten, früher Medientheorie und allen anderen Schnittmengen von Physik, Esoterik und Philosophie vorzudringen; der Nachteil aber ist, dass sich von dem Irrsinn nichts wirklich vermittelt, den solche Hyper-, Meta- und Anti-Wissenschaft (man denke, nur als Beispiel, an McLuhan, der in diesem Film auch immer mal wieder in Form eines Schlagworts um die Ecke linst) zuweilen zu zeitigen vermag (und wenn er auch keine Erkenntnis bringt, sondern nur, auf gewisse Weise, unterhaltsam oder eben gruselig im Sinne eines "What if...?" ist). Der Gegenstand selbst - besser: die Begründung für ihn jenseits des Bombenlegertums - entgleitet dem Film, die einzelnen Elemente werden zwar angetippt, nie aber in ein Mosaik zumindest der Möglichkeiten eingefügt. Es bleiben ein paar talking heads, die viel erzählen, was man mühsam selbst miteinander verbinden muss, und im Anriss vor die Linse der Kamera gelegte Fotos und andere Dokumente, die keinen Mehrwert außer ihrer grafischen Gestalt aufweisen.

Das große Rätsel also, dem der Film nachspürt, ergibt sich noch nicht einmal als Gegenstand so recht. Da hilft auch der eingangs eingeblendete Hinweis auf einen Mathematiker nichts, der zu der Erkenntnis kam, dass jedes formal-logische System sozusagen blinde Flecken aufweist, in denen die Realität ihrer Beweisbarkeit voraus ist.

Gewünscht hätte man sich weniger den Bericht von einer Reise durch die USA, bei der Lutz Dammbeck diverse Protagonisten aus oben genannten "Fachbereichen" interviewt. Eher stand ein auch formal und ästhetisch aufregendes Abenteuer wünschenswert zu hoffen, das schon in seiner Gestaltung etwas von der Enthobenheit von Figuren wie dem Unabomber erahnen lässt, die solche auch immer für die Popkultur interessant macht. Auch die nicht reizlose - und, wie ich denke, sich auch beweisbare - These vom Ursprung heutiger Technologie und der Kultur ihrer Anwendung aus eben diesem einen Punkt, wo sich Physik, Soziologie, Psychologie, Hippie-Visionen und CIA-Drogenexperimente treffen, steht nur als kleine Abenteuerlichkeit im Raum, ohne dass sie wirklich mit Fleisch belegt würde. Dies bleibt dem Zuschauer überlassen, der sich nun selbst, im Zeitalter von Wikipedia, durch die angetippten keywords klicken muss; ein paranoischer Surfer, ganz auf sich allein gestellt.


° ° °




kommentare dazu:



filmfreak, Mittwoch, 14. Juni 2006, 01:21
ich mochte den film fuer mindestens die szene in der heinz von foerster dammbeck fragt: "die wirklichkeit? wo ham sie die denn jetzt auf einmal her?"



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