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Mitte Oktober beginnt die Uni. Für das Straßenbild eines auch weit über die Stadtgrenzen hinaus als "trendig" eingestuften Kiezes in einer Stadt mit immerhin drei großen Universitäten und einer Vielzahl von unbezahlten Praktikantenstellen bedeutet dies, dass allerspätestens ab Mitte September die Anzahl meistens handgeschriebener und an Laternenmasten angebrachter Aushänge mit eindeutigen Begehrsbekundungen, eine Wohnung in dieser Gegend betreffend, drastisch zunimmt. Nicht selten geben diese Kleinode (ich vermute mal) westdeutsch-provinzieller Naivität Grund zum Amüsement, zumindest für mittlerweile Alteingesessene in dieser Gegend.

Natürlich ist Parkett Minimum. Abgeschliffen und intakt. Und man hat auch im Westen davon gehört, dass diese Berliner Altbauwohnungen ganz schick sein sollen. Kachelofen in der Wohnung aber, nee, also die bitte nicht, Zentralheizung bitte sehr und fließend' warm' Wasser auch! Sonnig wäre ja so schön und gute Anbindung zum ÖPNV. Auch ruhig soll die Wohnung sein, einen Balkon aufweisen, gekacheltes Bad und vielleicht noch Dusche obendrein, das ganze WG-geeignet und von ansehnlicher Fläche. Sagen wir: 80 Kuh-Em-Quadrat. Gerne mehr. Bitte nicht im ersten Stock, Parterre geht mal gar nicht. Saniert, ach, das wäre das I-Tüpfelchen. DSL und Kabelfernsehen sowieso. Der Mietzins aber, ja nun, man zählt ja nun zu den Studierenden. Mietzins also nicht über 300 Euro, das ließe man sich das schon kosten. Warm, versteht sich. Also quasi inklusive allem. Nein, nicht jeder WG-Teilnehmer, sondern insgesamt. Und so.

Man kann ja nicht anders, als fies zu lachen ob solcher unverblühender Wohlstandsromantik. Von was träumen die wohl nachts, wenn's draußen dunkel ist? Vom Weihnachtsmann? Kommt ruhig her, ihr zarten Middle-Class-Kids, kommt ruhig hierher, in den kalten Hain mit seinen windigen Straßen und der lauten Simon-Dach. Wir warten schon auf Euch. Wir sind unrasiert und heizen noch mit Kohlen. Harharhar.


° ° °




kommentare dazu:



kaz, Dienstag, 17. Oktober 2006, 04:12
rauher wind
letztes jahr auch so um diese jahreszeit stand ich in der warteschlange bei der swg, wollte was klären. da denn vor mir och so eene, die in ganz ähnlichweise ihr wohnungsgesuch der frau hinterm schalter vortrug, in niedersächsischem dialekt. darauf meinte die ganz trocken, wenn sie in ihrer 20jährigen tätigkeit dort jemals so eine wohnung hätte anbieten können, hätte sie sie selbst genommen. :D


stefan hoeltgen, Dienstag, 17. Oktober 2006, 08:59
Naja
Das habe ich beim sommerlichen Wohngegendbesuch allerdings auch gemerkt, dass man nicht beides haben kann: Trendyness und Weststandard. Aber ab einem gewissen Alter scheint zumindest ersteres egal zu sein und so werden wir wohl Abstriche bei der Trendyness machen - was auch dazu führen wird, nicht allzuviele Trendsetter mit meinen niedersächsischen Dialiekt zu behelligen. :-D

P.S. Konkret: Unsere Wahl hat sich auf Charlottenburg und Wilmersdorf eingeschränkt. Dort scheint es auch die meisten bezahlbaren Neubauwohnungen zu geben.


thgroh, Dienstag, 17. Oktober 2006, 14:08
Ja, das merkt man schnell. Aber man kann Wohnstandard (und auch den oben umrissenen) schon auch hier im Kiez ohne weiteres durchaus haben; ich finde es nur einfach sehr possierlich, dass in entsprechenden Annoncen dann aber immer der maximale Wohnstandard für den minimalen Bruchbudenpreis erwünscht wird :-D

Nachtrag: Davon abgesehen glaube ich ja bis heute nicht an die Theorie vom "gewissen Alter" ;-)



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