Thema: Berlinale 2004
26. Januar 04 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren

Einen solchen Film kann man mit viel Schmalz und Sentiment anrühren, doch glücklicherweise ist Derek Yee Routinier genug, um genau in diese Fettnäpfchen nicht zu treten. Seine kleine Geschichte aus den Straßen Hongkongs ist weder rührselig noch pathetisch, sondern im besten Sinne der Wortes bodenständig und geradezu leicht, ohne dem herben Schicksalsschlag, den ein solcher Menschenverlust darstellt, die Dimension zu rauben. Zu diesem gehört nicht nur der anfängliche Schmerz, den Cecilia Cheung in einer ihrer bis dato wohl besten darstellerischen Leistungen prägnant vermittelt, ohne in simples overacting zu verfallen, dazu gehören auch die ersten Schritte des Darüberer-Hinwegkommens: In einem der schönsten Momente des Films gibt Dai Fai, ebenfalls ganz wunderbar von Lau Chin Wan dargestellt, dem Mädchen Busfahrer-Nachhilfeunterricht und zeigt ihr, wie man mit allerlei Spitzbübigkeit und laxer Auslegung der Verkehrsordnung den einen oder anderen Hongkong-Dollar mehr am Abend in der Kasse hat. Man lacht gerne mit, wenn Sui Wai in diesen Momenten das Lachen wiederlernt, und locker-leicht schlägt das Drama an dieser Stelle für eine befreiende Weile in eine kleine Komödie um, ohne dadurch aber die Balance zu verlieren.
Diese Sicherheit für den einzelnen Moment setzt sich fort, wenn zum Ende hin biografische Details aus Dai Fais Leben ins Zentrum des Films rücken und wir von seiner gescheiterten ersten Ehe erfahren. Die Frage, ob er Sui Wai aus reiner Nächstenliebe hilft oder ob er nicht nur einfach frühere Verfehlungen zu kompensieren versucht, ist eine unter diesen Voraussetzungen sehr einfühlsame, die zudem den Film auch davor bewahrt, zur lediglich banalen Liebesgeschichte zu werden. Denn eine Liebesgeschichte ist dieser Film durchaus auch: Keine rührselige gewiss, eine sehr reife, die von menschlicher Größe und auch menschlicher Schwäche erzählt ohne im Pathos zu versinken. Eine geglückte Gratwanderung.
Der Film lauft auf den 54. Internationalen Filmfestspielen Berlin im Rahmen des Panoramas.
>> Lost in Time (Mong bat liu; Hongkong 2003)
>> Regie: Derek Yee
>> Drehbuch: James Yuen
>> Darsteller: Cecilia Cheung, Lau Chin Wan, u.a.
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