Thema: Berlinale 2004
07. Februar 04 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Die Welt ist aus den Angeln. Nicht nur die fast stets schräg gehaltene, aus verfremdenden Perspektiven filmende Kamera macht dies deutlich: Die Toten stehen aus den Gräbern auf, Gesetz und Moral existieren nicht mehr. Schwarze als Filmhelden, die sogar weiße Frauen schlagen dürfen. Wenngleich aus heutiger Perspektive gelegentlich naiv wirkend, so war dieser Film doch zur Zeit seiner Entstehung, mit Verlaub, ein Fickfinger in Richtung filmisches Establishment, ein Schlag in die Magengrube seiner Zuschauer. Was, wenn nicht diese Wirkmächtigkeit, prädestiniert gerade und besonders also diesen Film für die Retrospektive New Hollywood? Eben.
Und: Etwas von dieser Wirkmächtigkeit hat überlebt. Vergessen wir gelegentlich mangelnde Bild/Tonsynchronität, vergessen wir hölzern agierende Darsteller: Noch immer sind diese konstrastreichen Schwarzweißbilder beklemmend, bisweilen verstörend. Noch immer ist der Plot einer der fiesesten, in dem jedweder möglicher positiver Bezugspunkt verloren gegangen ist. Wenngleich Ben (Duane Jones) stets als Held, zumindest aber als Mann der Tat charakterisiert wird, bleiben sein Aktionismus und seine Argumentation letztendlich erfolglos: Ein großes Scheitern, ein galliges Scheitern, wenn man bedenkt, dass letztendlich der unsympathisch gezeichnete Redneck aus dem Keller (Karl Hardman) mit seinem Vorschlag, im Keller zu bleiben, vermutlich den besten des Films gemacht hat - wohlgemerkt: wir erfahren dies erst am Ende. Dann nämlich, wenn Ben selbst, als letzter der in der Hütte isolierten, stirbt. Nicht etwa infolge einer Auseinadersetzung mit einem lebenden Toten. Nein, ein Trupp Rednecks, das Gewehr locker gehalftert, hat ihn erlegt, einfach so, in den letzten Minuten: Er könnte ja einer von "diesen Dingern" sein. Die letzten Standbilder, zu karger Musik: Hinterwäldler, die den schwarzen Ben an Fleischerhaken aus dem Haus schleppen, ihn auf einem Scheiterhaufen drappieren, diesen entflammen. Grobkörnige Bilder, wie aus Zeitungen ausgeschnitten. Im Jahr 1968, als die Stimmung in Amerika brodelte, ein eindeutiges Statement, ein Zitat der alltäglichen Berichterstattung. Die Menschen, die das Land von den Zombies befreien, die Retter also, stehen ikonografisch in einer Tradition mit den Lynchmobs, die damals den Süden der USA zum Hexenkessel machten. Ein trauriges, pessimistisches, grimmiges Bild. Die Welt ist aus den Angeln.
Der Film läuft auf den 54. Internationalen Filmfestspielen Berlin in der Retrospektive.
>> Die Nacht der lebenden Toten (Night of the living Dead, USA 1968)
>> Regie: George A. Romero
>> Drehbuch: George A. Romero/John Russo
>> Darsteller: Duane Jones, Judith O'Dea, Karl Hardman, Marilyn Eastman, u.a.
imdb | mrqe
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Und: Etwas von dieser Wirkmächtigkeit hat überlebt. Vergessen wir gelegentlich mangelnde Bild/Tonsynchronität, vergessen wir hölzern agierende Darsteller: Noch immer sind diese konstrastreichen Schwarzweißbilder beklemmend, bisweilen verstörend. Noch immer ist der Plot einer der fiesesten, in dem jedweder möglicher positiver Bezugspunkt verloren gegangen ist. Wenngleich Ben (Duane Jones) stets als Held, zumindest aber als Mann der Tat charakterisiert wird, bleiben sein Aktionismus und seine Argumentation letztendlich erfolglos: Ein großes Scheitern, ein galliges Scheitern, wenn man bedenkt, dass letztendlich der unsympathisch gezeichnete Redneck aus dem Keller (Karl Hardman) mit seinem Vorschlag, im Keller zu bleiben, vermutlich den besten des Films gemacht hat - wohlgemerkt: wir erfahren dies erst am Ende. Dann nämlich, wenn Ben selbst, als letzter der in der Hütte isolierten, stirbt. Nicht etwa infolge einer Auseinadersetzung mit einem lebenden Toten. Nein, ein Trupp Rednecks, das Gewehr locker gehalftert, hat ihn erlegt, einfach so, in den letzten Minuten: Er könnte ja einer von "diesen Dingern" sein. Die letzten Standbilder, zu karger Musik: Hinterwäldler, die den schwarzen Ben an Fleischerhaken aus dem Haus schleppen, ihn auf einem Scheiterhaufen drappieren, diesen entflammen. Grobkörnige Bilder, wie aus Zeitungen ausgeschnitten. Im Jahr 1968, als die Stimmung in Amerika brodelte, ein eindeutiges Statement, ein Zitat der alltäglichen Berichterstattung. Die Menschen, die das Land von den Zombies befreien, die Retter also, stehen ikonografisch in einer Tradition mit den Lynchmobs, die damals den Süden der USA zum Hexenkessel machten. Ein trauriges, pessimistisches, grimmiges Bild. Die Welt ist aus den Angeln.
Der Film läuft auf den 54. Internationalen Filmfestspielen Berlin in der Retrospektive.
>> Die Nacht der lebenden Toten (Night of the living Dead, USA 1968)
>> Regie: George A. Romero
>> Drehbuch: George A. Romero/John Russo
>> Darsteller: Duane Jones, Judith O'Dea, Karl Hardman, Marilyn Eastman, u.a.
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