Thema: Berlinale 2004
07. Februar 04 | Autor: thomas.reuthebuch | 3 Kommentare | Kommentieren
Wie stellt man das Grauen eines repressiven Staates dar? Der Film zeigt die Arbeit der Wahrheitskommissionen in Südafrika, deren Aufgabe es Mitte der neunziger war, sich um die Offenlegung der Verbrechen des Apartheidregimes zu kümmern. Er tut dies aus der Perspektive von Langston Whitfield (Samuel L. Jackson), der für die Washington Post nach Südafrika reist, und sich dort mit der weißen, südafrikanischen Schriftstellerin Anna Malan anfreundet, die als Radioreporterin an den Hearings teilnimmt. Die Filmemacher, das Drehbuch stammt von der Südafrikanerin Ann Peacock, basierend auf einem Buch von Antji Krog, haben sich dafür entschieden, die Greuel des Regimes exemplarisch, anhand von Einzelschicksalen darzustellen. Die versöhnliche Botschaft, auf die der Film letztlich hinsauswill, ist dabei ein zutiefst humanistischer - es ist der Versuch eine Möglichkeit aufzuzeigen, wie man mit der Vergangenheit, die über so viele Jahre lang eine scharfe Trennlinie durch eine Gesellschaft gezogen hat, klarkommen kann um einen gemeinsamen Neuanfang wagen zu können.
Das Fundament, auf dem diese mögliche Annäherung beruht, besteht in der Auseinandersetzung mit dem Schrecken. Boorman führt nun eine Französin (Julkiette Binoche) und einen US-Amerikaner (Samuel Jackson) und mit ihnen den Zuschauer durch eine ganze Reihe von exemplarischen Schicksalen, die vor dem Ausschuss verhandelt werden. So schrecklich diese Einzelschicksale auch sein mögen, so sehr sich die beiden Hauptdarsteller in den Halbtotalen auch Bemühen, in ihrem Spiel ihre Frustration, ihre Ohnmacht und ihre Empathie erfahrbar zu machen, so wenig wird davon dem Zuschauer vermittelt. Im Gegenteil: in den immer wiederkehrenden Schilderungen, mal ist es eine Frau, die den Tod ihres Sohns betrauert, mal ein Kind, dass seit dem Tod der Eltern die Sprache verlor, macht sich Langeweile breit - so furchtbar das klingen mag Und es ist der Film, der dafür die Verantwortung trägt. Das Buch und John Boorman bemühen sich zwar nach allen Kräften jede sich bietende Möglichkeit zu nutzen um die Geschichte aus dem lähmenden Fahrwasser wenig inspirierenden Betroffenheitskinos herauszuführen, doch es hilft alles nichts. Country of my Skull ist genau der Film geworden, den er vergeblich vorgibt vermeiden zu wollen. Die Entscheidung, in den Hauptrollen zwei internationale Stars zu besetzen um ihnen dann mit dem Einheimischen Menzi Ngubane in der Rolle des Dumi einen Sidekick zur Seite zu stellen, der mit seinem unumstößlichen Grundoptimismus für einen Großteil der spaßigeren Szenen verantwortlich zeichnet, hilft auch nicht gerade das bitter notwendige Grundvertrauen in die Geschichte zu untermauern. Eine Enttäuschung.
Thomas Reuthebuch
Country of my Skull
Großbritannien/Irland 2003
100 Minuten
Regie: John Boorman
Buch: Ann Peacock, nach einem Buch von Antije Krog
Darsteller: Juliette Binoche, Samuel L. Jackson, Brendan Gleeson, Menzi Ngubane, Nick Boraine
imdb
alle Berlinale-Kritiken
Das Fundament, auf dem diese mögliche Annäherung beruht, besteht in der Auseinandersetzung mit dem Schrecken. Boorman führt nun eine Französin (Julkiette Binoche) und einen US-Amerikaner (Samuel Jackson) und mit ihnen den Zuschauer durch eine ganze Reihe von exemplarischen Schicksalen, die vor dem Ausschuss verhandelt werden. So schrecklich diese Einzelschicksale auch sein mögen, so sehr sich die beiden Hauptdarsteller in den Halbtotalen auch Bemühen, in ihrem Spiel ihre Frustration, ihre Ohnmacht und ihre Empathie erfahrbar zu machen, so wenig wird davon dem Zuschauer vermittelt. Im Gegenteil: in den immer wiederkehrenden Schilderungen, mal ist es eine Frau, die den Tod ihres Sohns betrauert, mal ein Kind, dass seit dem Tod der Eltern die Sprache verlor, macht sich Langeweile breit - so furchtbar das klingen mag Und es ist der Film, der dafür die Verantwortung trägt. Das Buch und John Boorman bemühen sich zwar nach allen Kräften jede sich bietende Möglichkeit zu nutzen um die Geschichte aus dem lähmenden Fahrwasser wenig inspirierenden Betroffenheitskinos herauszuführen, doch es hilft alles nichts. Country of my Skull ist genau der Film geworden, den er vergeblich vorgibt vermeiden zu wollen. Die Entscheidung, in den Hauptrollen zwei internationale Stars zu besetzen um ihnen dann mit dem Einheimischen Menzi Ngubane in der Rolle des Dumi einen Sidekick zur Seite zu stellen, der mit seinem unumstößlichen Grundoptimismus für einen Großteil der spaßigeren Szenen verantwortlich zeichnet, hilft auch nicht gerade das bitter notwendige Grundvertrauen in die Geschichte zu untermauern. Eine Enttäuschung.
Thomas Reuthebuch
Country of my Skull
Großbritannien/Irland 2003
100 Minuten
Regie: John Boorman
Buch: Ann Peacock, nach einem Buch von Antije Krog
Darsteller: Juliette Binoche, Samuel L. Jackson, Brendan Gleeson, Menzi Ngubane, Nick Boraine
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° ° °
kommentare dazu:
deejay,
Donnerstag, 19. Februar 2004, 09:31
Haben wir zwei verschiedene Filme gesehen?
Tja, ich nehme an, der Autor hat alleine im Kino gesessen - ich kann der Kritik weder folgen noch zustimmen. Im ausverkauften Berlinale-Palast konnte ich um mich herum keinen Zuschauer bemerken, der nicht irgendwie durch den Film beeindruckt war - und ich glaube nicht, daß Tränen flossen, weil die mir unbekannten Menschen um mich herum gerade nichts besseres zu tun hatten.
Es gab sicherlich die ein oder andere amüsante Szene, aber daß in einer Kritik zu diesem Film unbedingt auf "spaßigere Szenen" eingegangen werden müßte, befremdet mich ein wenig. "Inspirierendes Betroffenheitskino" - schöne, aber recht seltsame bis unsinnige Aneinanderreihung von Schlagwörtern, wobei "Betroffenheitskino", was hier fast als Schimpfwort mißbraucht wird, nicht unbedingt immer etwas Schlechtes sein muß.
Über Geschmack läßt sich bekanntlich nicht streiten, aber es wäre doch sehr schön, wenn Geschmacksäußerungen als solche gekennzeichnet werden und nicht einhergehen mit dem Ausprobieren von Stilblüten.
Es gab sicherlich die ein oder andere amüsante Szene, aber daß in einer Kritik zu diesem Film unbedingt auf "spaßigere Szenen" eingegangen werden müßte, befremdet mich ein wenig. "Inspirierendes Betroffenheitskino" - schöne, aber recht seltsame bis unsinnige Aneinanderreihung von Schlagwörtern, wobei "Betroffenheitskino", was hier fast als Schimpfwort mißbraucht wird, nicht unbedingt immer etwas Schlechtes sein muß.
Über Geschmack läßt sich bekanntlich nicht streiten, aber es wäre doch sehr schön, wenn Geschmacksäußerungen als solche gekennzeichnet werden und nicht einhergehen mit dem Ausprobieren von Stilblüten.
christin,
Samstag, 7. August 2004, 17:24
Kann man den Film nur hassen oder lieben?
Nachdem ich mir nun auf verschiedenen Seiten Kritiken gelesen habe, komme ich zu dem Schluß, daß man den Film anscheinend nur hassen oder lieben kann.
Ich LIEBE diesen Film!
Es ist für mich der beste Film seit langem gewesen. Sehr berührend und tiefgreifend! Es war wohl der einzige Film auf der Berllinale, bei dem ich meine Tränen nicht zurückhalten konnte.
Wenn der Verfasser der ersten Kritik oben meint, daß der Film langweilig war kann ich nur vermuten, daß ihn das Thema gelangweilt hat, denn es war von den Schauspielrn super umgesetzt! Man muß sich für die schrecklichen Schicksale interessieren und sich auf den Film einlassen. Ich vermute ja daß der Verfasser der ersten Kritik sich nicht auf den Film einlassen wollte, weil es ihm zu nahe gegangen wäre....
Ich LIEBE diesen Film!
Es ist für mich der beste Film seit langem gewesen. Sehr berührend und tiefgreifend! Es war wohl der einzige Film auf der Berllinale, bei dem ich meine Tränen nicht zurückhalten konnte.
Wenn der Verfasser der ersten Kritik oben meint, daß der Film langweilig war kann ich nur vermuten, daß ihn das Thema gelangweilt hat, denn es war von den Schauspielrn super umgesetzt! Man muß sich für die schrecklichen Schicksale interessieren und sich auf den Film einlassen. Ich vermute ja daß der Verfasser der ersten Kritik sich nicht auf den Film einlassen wollte, weil es ihm zu nahe gegangen wäre....
thgroh,
Samstag, 7. August 2004, 19:48
Warum muss eigentlich grundsätzlich an der persönlichen Integrität des Verfassers einer Kritik gezweifelt werden ("wollte sich nicht einlassen, weil es ihm zu nahe ..."), wenn er in dieser zu einem anderen Schluß kommt als man selbst? Ein Phänomen, das mir immer wieder auffällt. Das wirft auf die Kritik an der Kritik ein wesentlich schlechteres Licht als auf ihren Gegenstand, weil die argumentative Ebene zugunsten einer bloß spekulativen (und mit Verlaub: reichlich eitlen wie anmaßenden) verlassen wird.
Grüße,
nicht der Verfasser der Kritik, aber der "Besitzer" dieses Weblogs.
Grüße,
nicht der Verfasser der Kritik, aber der "Besitzer" dieses Weblogs.
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