Thema: Berlinale 2004
10. Februar 04 | Autor: thgroh | 0 Kommentare | Kommentieren
Liegengebliebenes, nicht Rangewagtes, nicht ganz Durchdrungenes, kurzum: Was schlicht nicht zu verarbeiten war.
Der Kritiker hats schwer auf einem Festival: Einerseits ist man ja Filmenthusiast wie jeder ander auch und will soviel wie möglich sehen. Andererseits muss man sich seinen Akkreditierungspass auch irgendwie rechtfertigen und was schreiben - nach Möglichkeit auch Sinnvolles -, seinen Lesern fühlt man sich schließlich auch irgendwie verpflichtet. Aber wer steht schon gerne eine Stunde lang vor dem Writing Room an, wenn währenddessen in der Retrospektive doch gerade ein unheimlich wichtiger Film läuft? Und dann will einem auch nicht zu jedem Film was einfallen, was niederzuschreiben wert wäre, die Zeit ist zudem begrenzt, die Sinne von zwischen drei bis fünf Filmen täglich eh schon überlastet, der Biorhythmus hoffnungslos im Eimer. Also sortiert man aus, schweren Herzens oft: Vieles bleibt liegen.
Deswegen nun: Short Cuts, in loser Folge. Kurze Eindrücke, ehrliche Eingeständnisse, wenn man überfordert war, Notizen, die es nicht zur Kritik gebracht haben.
The Last Detail (Retrospektive; Hal Asbhy, USA 1973) ist ein entspanntes Roadmovie mit satirischen Untertönen. Sehr laid-back und smooth, könnte man sagen, ideal jedenfalls für ein Matinée (und er lief auch morgens um 11): In den Sessel kuscheln und den Episoden einfach beim Plätschern zusehen. Schön, wenn Filme ihr eigentliches Anliegen - erste Szenen im Militärbunker, letzte Szenen im Militärknast - so ansprechend verstecken, ohne aber es zu leugnen. Dieser Kontrast macht auch in der Narration Sinn: Das eigentlich Schreckliche blenden wir aus, um das Schreckliche damit infolge nur noch schrecklicher zu machen. Sicherlich keine der größten Leistungen der Retrospektive, aber immerhin doch sehr charming und obendrein war die Kopie auch in recht guter Qualität (eine der 15 neugezogenen?). imdb
Weit weniger gut war die Qualität der Kopie von The Cool World (Retrospektive; USA 1964) von Shirley Clarke: Sehr unscharfe, eigentlich schon milchige Bilder mit ordentlich Laufstreifen und ähnlichem, kratziger Ton wie von alten Shellackplatten. Das ist ein Problem für den Film, der viel mit Reißschwenks, dynamischem Schnitt und hektischer Jazzmusik arbeitet. Folge deshalb: Nach gut einer Stunde pochende Kopfschmerzen. Trotzdem meine ich, Qualitäten erkannt zu haben: In der Montage kreuzt die Regisseurin dokumentarische Aufnahmen vom Straßenleben Harlems mit denen ihrer fiktiven Narration, von ein paar jugendlichen Schwarzen, die, beeindruckt von den cats, den coolen Gangstern, ebenfalls eine Karriere als Kriminelle einschlagen wollen, daran aber letztendlich, ähnlich wie im Verlauf die Vorbilder, scheitern. Es entsteht ein Patchwork aus Milieuschilderung, Zeitdokument und Krimi, das nicht ohne Reiz ist. Vielleicht sogar ähnlich wichtig wie Melvin van Peebles' Sweet Sweetback's Baaaadaaaasss Song? Angemerkt sei, dass der Film etwas zu alt ist für eine Retro, die sich auf die Jahre zwischen '67 und '76 konzentriert, ist mir nur gerade noch aufgefallen, aber egal. imdb
Nur wenige Jahre später entstanden und, wenn ich das jetzt richtig überblicke, in einer ähnlichen Ecke New Yorks angesiedelt wie auch der großartige David Holzman's Diary: The Panic in Needle Park (Retrospektive; Jerry Schatzberg, USA 1971). Die Konsequenz der Milieu- und auch Elendsschilderung ähnelt bisweilen sogar Clarkes Film, zumindest aber ist auch in diesem (Anti-)Drogenfilm ganz schön viel ganz schön schmutzig. Die Materialästhetik unterstreicht dies, trotz neugezogener Kopie, zudem: Selten war Fixen im Kino schmuddeliger anzusehen. Die Größe des Films besteht dann allerdings darin, dass er sich trotzdem an diese Menschen ranwagt, ganz dicht oft sogar, alles akribisch festhält, nie aber in den Duktus der moralischen Empörung verfällt (oder aber: sein Thema glorifiziert). Ein zutiefst menschlicher Film, der, zum Glück, dennoch nicht menschelt. Und wie er am abrupten Ende dann sowohl Hoffnung als auch Defätismus in ein Bild, in einen kurzen Moment packt, das ist ebenfalls sehr groß. Bei der Sichtung leider recht müde gewesen, deswegen war er hier und da etwas lang - eine erneute solche unter besseren Bedingungen meinerseits wird sich hiermit vorgenommen. imdb
Der Kritiker hats schwer auf einem Festival: Einerseits ist man ja Filmenthusiast wie jeder ander auch und will soviel wie möglich sehen. Andererseits muss man sich seinen Akkreditierungspass auch irgendwie rechtfertigen und was schreiben - nach Möglichkeit auch Sinnvolles -, seinen Lesern fühlt man sich schließlich auch irgendwie verpflichtet. Aber wer steht schon gerne eine Stunde lang vor dem Writing Room an, wenn währenddessen in der Retrospektive doch gerade ein unheimlich wichtiger Film läuft? Und dann will einem auch nicht zu jedem Film was einfallen, was niederzuschreiben wert wäre, die Zeit ist zudem begrenzt, die Sinne von zwischen drei bis fünf Filmen täglich eh schon überlastet, der Biorhythmus hoffnungslos im Eimer. Also sortiert man aus, schweren Herzens oft: Vieles bleibt liegen.
Deswegen nun: Short Cuts, in loser Folge. Kurze Eindrücke, ehrliche Eingeständnisse, wenn man überfordert war, Notizen, die es nicht zur Kritik gebracht haben.
The Last Detail (Retrospektive; Hal Asbhy, USA 1973) ist ein entspanntes Roadmovie mit satirischen Untertönen. Sehr laid-back und smooth, könnte man sagen, ideal jedenfalls für ein Matinée (und er lief auch morgens um 11): In den Sessel kuscheln und den Episoden einfach beim Plätschern zusehen. Schön, wenn Filme ihr eigentliches Anliegen - erste Szenen im Militärbunker, letzte Szenen im Militärknast - so ansprechend verstecken, ohne aber es zu leugnen. Dieser Kontrast macht auch in der Narration Sinn: Das eigentlich Schreckliche blenden wir aus, um das Schreckliche damit infolge nur noch schrecklicher zu machen. Sicherlich keine der größten Leistungen der Retrospektive, aber immerhin doch sehr charming und obendrein war die Kopie auch in recht guter Qualität (eine der 15 neugezogenen?). imdb
Weit weniger gut war die Qualität der Kopie von The Cool World (Retrospektive; USA 1964) von Shirley Clarke: Sehr unscharfe, eigentlich schon milchige Bilder mit ordentlich Laufstreifen und ähnlichem, kratziger Ton wie von alten Shellackplatten. Das ist ein Problem für den Film, der viel mit Reißschwenks, dynamischem Schnitt und hektischer Jazzmusik arbeitet. Folge deshalb: Nach gut einer Stunde pochende Kopfschmerzen. Trotzdem meine ich, Qualitäten erkannt zu haben: In der Montage kreuzt die Regisseurin dokumentarische Aufnahmen vom Straßenleben Harlems mit denen ihrer fiktiven Narration, von ein paar jugendlichen Schwarzen, die, beeindruckt von den cats, den coolen Gangstern, ebenfalls eine Karriere als Kriminelle einschlagen wollen, daran aber letztendlich, ähnlich wie im Verlauf die Vorbilder, scheitern. Es entsteht ein Patchwork aus Milieuschilderung, Zeitdokument und Krimi, das nicht ohne Reiz ist. Vielleicht sogar ähnlich wichtig wie Melvin van Peebles' Sweet Sweetback's Baaaadaaaasss Song? Angemerkt sei, dass der Film etwas zu alt ist für eine Retro, die sich auf die Jahre zwischen '67 und '76 konzentriert, ist mir nur gerade noch aufgefallen, aber egal. imdb
Nur wenige Jahre später entstanden und, wenn ich das jetzt richtig überblicke, in einer ähnlichen Ecke New Yorks angesiedelt wie auch der großartige David Holzman's Diary: The Panic in Needle Park (Retrospektive; Jerry Schatzberg, USA 1971). Die Konsequenz der Milieu- und auch Elendsschilderung ähnelt bisweilen sogar Clarkes Film, zumindest aber ist auch in diesem (Anti-)Drogenfilm ganz schön viel ganz schön schmutzig. Die Materialästhetik unterstreicht dies, trotz neugezogener Kopie, zudem: Selten war Fixen im Kino schmuddeliger anzusehen. Die Größe des Films besteht dann allerdings darin, dass er sich trotzdem an diese Menschen ranwagt, ganz dicht oft sogar, alles akribisch festhält, nie aber in den Duktus der moralischen Empörung verfällt (oder aber: sein Thema glorifiziert). Ein zutiefst menschlicher Film, der, zum Glück, dennoch nicht menschelt. Und wie er am abrupten Ende dann sowohl Hoffnung als auch Defätismus in ein Bild, in einen kurzen Moment packt, das ist ebenfalls sehr groß. Bei der Sichtung leider recht müde gewesen, deswegen war er hier und da etwas lang - eine erneute solche unter besseren Bedingungen meinerseits wird sich hiermit vorgenommen. imdb
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