Thema: Kinokultur
"Sie sollten der Beschreibung der Filmzentrale hinzufügen, dass sie hoffnungslos dem Realismus verfallen ist und auch phantastische Filme wie "Star Wars" hier ausschließlich mit den Mitteln des Realismus zu erklären versucht werden. Zudem sollten Sie anmerken, dass sämtliche hier versammelte Kritiken - jene der von mir eigentlich sehr geschätzten E. Knörer und G. Seeßlen eingeschlossen - Filme in erster Linie nach ökonomischen Gesichtspunkten analysieren, von Genre als eigener Kulturform für gewöhnlich keine Ahnung haben und sich vor allem vor zwei Aspekten von Filmen ungemein fürchten: explixiten Darstellungen -von "echtem" Sex ebenso wie fiktionaler Gewalt -, sowie vor dem was vordergründig gern als "Unterhaltung" bezeichnet wird."So steht das als Zitat aus einer eMail im Selbstverständnis der Filmzentrale.com, das ich überhaupt erst gestern entdeckt habe (äh).
Und ich neige dann eher doch zum Widerspruch. Selbstverständlich schon deshalb, weil ich durchaus der Meinung bin, dass "E. Knörer und G. Seeßlen" von Genre hinreichend Ahnung haben und Filme nicht nach "ökonomischen Gesichtspunkten" beurteilen (Wirtschaftsprognosen - "Dieser Film wird ein Erfolg an der Kasse werden!" - habe ich auf der fz.com ohnehin noch keine gefunden, ich würde sie auch umgehend verdammen, wenn ich solchen Schamott dort zu lesen bekäme). Aber auch, weil ich mich, als gelegentlich dort ebenfalls berücksichtiger Autor, sowas von rein gar nicht in den Zeilen wiederfinden kann. Gewalt & Sex, jo mei, damit hab' ich jetzt zumindest mal so ganz grundsätzlich erstmal kein Problem im Film. Kann schon Freude machen. Gerne und besonders auch als sleaze, der vielleicht einzigen Form, welche die zynische Hölle, die die Welt nun einmal ist, so richtig zu fassen kriegt - vielleicht gerade weil sie bildungsbeflissenen Humanisten mit Hang zur moralischen Objektivierung ihrer eigenne Ekel- und Anstoßgrenzen den Boden unter den Füßen wegzieht. Aber ich schweife ab. Aber es gibt jedenfalls natürlich auch schlechte Filme mit Sex und Gewalt, is klar.
Und dass der Seeßlen keine Pornos kuckt, glaub ich eh nicht. Wie konnte er sonst diverse Bücher drüber schreiben? In einem aus den 80ern leitet er an einer Stelle seinen Diskurs über den pornografischen mit den Worten ein, dass erneut einer seiner Lieblingspornos indiziert wurde, so dass die Rede über ihn nicht mehr frei gestattet ist. Wer Lieblingspornos hat, hat keine Angst vor echtem Sex on screen, glaube ich. Wie ja überhaupt nur die Leute Angst vor echtem Sex auf der Leinwand haben, die auch vor echtem Sex Angst haben. Oder was er impliziert: Sexuell aktive Frauen beispielsweise, meinethalben auch säuische Frauen (is ja nun doch so, dass der Porno so mit das einzige Genre ist, dass durchaus einen Zusammenhang zwischen Frauen, Körperflüssigkeiten und Genitalität zieht - alldieweil 'normale' Genres Frauen nur als sozial gemaßregelte Körper jenseits einer Ahnung von Körperlichkeit kennen. Oder so.). Oder die wundervollen Abgründe der Perversion, des So-nicht-Vorgesehenen. Glaube ich.
Und der Realismus, die alte Schachtel. Find' ich gut. In Dosen. Ist halt immer die Frage, was Realismus denn überhaupt sein könnte. Abgefilmtes So-Gewesenes hat schnell den haut goût von Buchhalterei visueller Natur. Kann man gut in A Scanner Darkly von Philip K. Dick nachlesen. Filme wie Terror 2000 und Das deutsche Kettensägenmassaker hingegen sind, so jetzt halt mal meine Meinung, durchaus realistisch - indem sie von visueller Zeugenschaft Abstand nehmen und das Reale schlechthin zu fassen kriegen: Kultur, Neurosen, Psychosen. Ins Groteske des Bildes eben übersetzt. Was ist jetzt also realistisch? Beinharte Materialität und Vermessung oder poetisierende Semantik, die Beziehungsgeflechte offenlegt? Und ist nicht eigentlich der Gonzo Porno der Nachfolger des cinéma verité? Vermutlich nicht. Aber er schaut so aus.
Naja, weiß nicht. Endkrasser Realismus, kein Sex nirgends und dann noch nicht mal Popcorn und Gewalt - in so einer fz.com tät' ich mich eher nich so wohlfühlen. Aber zum Glück sieht die Welt in echt immer noch ein bisschen anders aus.
° ° °
kommentare dazu:
supatyp,
Montag, 2. April 2007, 12:53
Genre als eigener Kulturform
das aber auch son Proseminar Spruch
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