Filmfreunden ist das Amtsgericht Tiergarten vielleicht kein Unbekannter: Seit Jahr und Tag werden hier Monat für Monat mit stoischer Gelassenheit Filme beschlagnahmt und vom Markt genommen, denen dergestalt die Befähigung nachgesagt wird, Menschen zu gar seltsamen, verwerflichen Handlungen zu animieren. Und man hat als Filmfreund ja auch schon so einiges hinnehmen müssen: Während beispielsweise das New Yorker Museum Of Modern Art Tobe Hoopers Texas Chain Saw Massacre in sein Repertoire aufnahm, nahm das AG Tiergarten den Film in seine Giftliste auf und untersagte damit den Handel. Auch Romeros zweiten Untoten-Film, international als Meisterwerk des modernen Horrorfilms gefeiert, möchte das AG Tiergarten der Bevölkerung nicht zumuten.

Mit solcherlei Aktionen (man könnte noch einige mehr aufzählen, aber das stimmte mich jetzt nur depressiv) bekleckerte sich das AG Tiergarten schon in der Vergangenheit nicht gerade mit Ruhm. Den Vogel aber hat man nun dieser Tage abgeschossen: Unter dem Aktenzeichen "31 Gs 134/04" wurde am 20. Januar doch tatsächlich die seit knapp zwei Jahren (eh nur in ausgewählten Läden) erhältliche DVD von Hershell Gordon Lewis' naiv-trashigem Blood Feast (USA 1963) - der erste Gore-Film aller Zeiten - beschlagnahmt. Nun mag das allein noch nicht verwundern. Filmhistorische Sachkenntnis war bei der Entscheidungsfindung im AG Tiergarten bislang noch nie gefragt und auf Gore'n'Splatter hat man es in der Turmstraße bekanntlich besonders abgesehen. Reichlich grotesk stellt sich die Situation indes für den Kenner des Films dar: In Lewis' abenteuerlich hölzernem Streifen schlägt ein ägyptischer Hohepriester mit rostigem Hackebeil zu stumpf-düsterer Orgelmusik so manches Schaufensterpuppenbein von seinem Korpus, um es anschließend, mit Himbeermarmelade und ähnlichem stilecht geziert, siegreich über den Kopf. Ausgestochene Augen visualisiert der Film mit roter Galerte auf geschlossenen Augenlidern. Dann und wann, wenn der Hohepriester besonders engagiert zu Werke gegangen war, hält er auch schon mal eine Leber von der Auslage des Metzgers nebenan in seinen Händen und gibt diese in einen großen Topf zu den anderen Ingredienzen, um mit diesem Gebräu die ägyptische Göttin Ishtar erneut ins Leben zu rufen. Lange Rede, kurzer Sinn: Blood Feast ist handfester Trash, so unbeholfen inszeniert, dass man die Special Effects - so man sie so nennen möchte - schon als künstlerische Verfremdung wahrnehmen darf, so sehr verweisen sie auf ihre eigentliche Herkunft. Nicht zuletzt deshalb steht Blood Feast bei den Trash-Fans erster Stunde - und vornehmlich nur diese kommen wohl als potentielle Käufer überhaupt in Frage - als Lach-Feast hoch im Kurs.

Dass nun das Amtsgericht Tiergarten meint, hier einschreiten zu müssen, um einen eh kaum öffentlichen Film von allenfalls amüsantem Charakter rigoros vom Markt zu nehmen, ist hingegen keineswegs zum Lachen. Eher schon drückt sich hier die Irrationalität und Inkompetentz aus, mit der selbst heute noch immer Filme verboten und weggeschlossen werden. Während vor kurzem im Kino selbst Filme wie Freddy vs. Jason, Texas Chainsaw Massacre und Haus der 1000 Leichen mit einem räsonablen FSK18 vor erwachsenem Publikum an ihr weit blutigeres und naturalistisch inszeniertes Werk gehen durften, werden einem harmlosen, knapp 40 Jahre alten Trashfilmchen mit zudem filmhistorischer Relevanz die rot bepinselten Schaufensterpuppenarme aus der Hand genommen. Ein Trauer-Feast sondergleichen.


° ° °




kommentare dazu:



kid37, Donnerstag, 4. März 2004, 04:58
Lachhaft
Ich habe den vor ein paar Jahren erstmals - dafür aber auf grßer Leinwand - auf dem Fantasy Filmfest gesehen. Im Doppelpack mit "Two Thousand Maniacs".
Der Saal brüllte - vor Lachen.
"Blood Feast" ist wirklich ein großes Werk. Stilbildend, abgedreht und völlig verschroben. Irgendwo auch verstörend. Aber eher, weil man sich fragt: Was hat dieser Mann mit uns vor?
Ein "schönes" Geschenk zum 40. Geburtstag dieses Films.


thgroh, Donnerstag, 4. März 2004, 14:48
Ich hatte vor ein paar Jahren auch das Glück, den Film im Kino zu sehen (im Kino Central, mitten in Berlins Kultur-Mitte-Schickeria) und es war ein wunderbares Filmerlebnis. Jeder Mensch mit etwas Verstand weiß, dass dieser Film in keiner Weise für voll zu nehmen ist, geschweige denn zur Anstiftung zu sonstwas herhalten kann. Dass zudem die film- und kunstgeschichtliche Dimension mal wieder komplett ausgeblendet wurde, ist allenfalls ein Armutszeugnis. Kurzum: Hier wird nicht rational, sondern plump ideologisch gehandelt - Schmutz muss weg! Und wenn er harmloser als ein Kindergeburstag ist.

Lachhaft in der Tat, wenn es nur nicht so traurig wäre.




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