28.10.2003, UFA Palast Kosmos

Die Ehe genießt als Institution in den Filmen der Coens seit jeher einen denkbar schlechten Stand. Bereits im Debüt der beiden, Blood Simple (USA 1984), bildete eine schon vor Beginn des Film hoffnungslos in die Brüche gegangene Ehe die Kulisse für die gegenseitige brutale Zerfleischung der beiden Eheleute (und aller Beteiligten). In Fargo (USA 1996) ließ der Gatte seine Gattin entführen, die Suche nach dem benötigten Kitt zur Rettung einer ebenso in die Brüche gegangenen Ehe diente in O Brother Where Art Thou? (USA 2000) zum Anlass einer Odyssee quer durchs weite Land um den Mississippi und in The Man Who Wasn't There (USA 2001) macht sich Billy Bob Thornton die Seitensprünge seiner Gattin gefühlskalt zunutze. Die Ehe mit ihren zahlreichen gegenseitigen Verpflichtungen und den damit einhergehenden personellen Beziehungsgeflechten dient den beiden Feuilleton-Lieblingen im wesentlichen als Matrix für ihre Anordnungen mikrosozialer Kleinstmaschinen, die, einmal sorglos angelassen, kaum mehr noch zu stoppen sind, am wenigsten von den darin Gefangenen selbst. Romantik findet auf dieser Spielwiese des sophisticated humor a priori keinen Platz. So ist es nur als doppelt ironisch gebrochen zu bezeichnen, wenn George Clooney als Staranwalt Miles Massey im neuesten Film der Coen Brüder ausgerechnet als Eröffnungsredner eines Kongress von Eherechtsanwälten seinen Aufsatz zerreit und so geläutert wie mitreißend verkündet, seinen Zynismus beiseite gelegt zu haben und endlich, ja endlich die eine große wahre Liebe im Leben gefunden zu haben. Trotz andernweitiger Hinweise - Zaghafter Applaus, dann standing ovations, Schulterklopfen, Umarmungen folgen diesem euphorischen Plädoyer, als der zuvor so eitle Anwalt mit halb aus der Hose hängendem Hemd durch die Massen Richtung Ausgang schreitet - kann das nur nicht ernst gemeint sein: Selten haben die Coens so offensichtlich böse ihr Spiel mit der Liebe getrieben. Denn dass sich die nunmehr gefunden geglaubte Liebe nur wenig später als sorgfältig geplante Falle herausstellt, sollte jedem, vor allem eigentlich Massey selbst, bereits im Vorfeld klar sein: Marylin Rexroth (Catherine Zeta-Jones), das Objekt der Begierde, stand nur kurz zuvor noch auf der juristisch gegnerischen Seite, als Gattin eines Mandanten von Massey, der diese in einer wahnwitzigen Gerichtsverhandlung um das bereits zum Greifen nahe Vermögen ihres Ex-Gatten brachte. Ein berechnendes Heiratsluder, wie es im Buche steht, eine fleischfressende Pflanze, deren klebrige Blätter sich lange schon um die Fliege Massey gelegt haben.

Gewiss ein prächtiger Stoff für die beiden, zumal unter den Vorzeichen der eigenen Filmografie, doch so recht zu überzeugen vermag die Ausführung nicht. Gehörte das cinephil gewitzte Zitat zwar immer schon zum liebsten Werkzeug im Repertoire der beiden Brüder, scheint man diesmal zuvorderst daran interessiert zu sein, mehr oder weniger ungelenk auf sich selbst zu verweisen. Da ist dann eine beinahe schon klassische Eröffnungsszene, in der der Gehörnte seine Gattin in flagranti erwischt. Dann Auftritt Clooney, der in seinem affektiertem Spiel als eher schon nervige Übersteuerung seiner Rolle aus O Brother Where Art Thou?, auch diesmal wieder mit Schönheitstick, erscheint, später ein selten dämlicher Gorilla von einem Killer mit Asthma, dessen Auftrag, die Gattin um die Ecke zu bringen, in der Ausführung natürlich so gewohnt wie vorhersehbar grotesk in die Binsen geht, eine Gerichtsverhandlung, wie man sie ähnlich schon aus The Man Who Wasn't There kennt, ein verstecktes Hinterzimmer gibts obendrein, in dem ein wahrer Methusalem von Kanzleichef Clooney zum, hinsichtlich des eigenen Schicksals, mahnenden Damoklesschwert wird, das Hinterzimmer selbst freilich zur Hölle wie dereinst das gespenstische Hotel für Barton Fink (USA 1991).

Aber, und das ist das Entscheidende, so recht ein Zentrum findet sich nicht. Zwar ist jede Szene für sich genommen unvergleichlich Coen, was wohl seitens des vom Verleih anvisierten Publikums, von einer selbst schon grotesk am Gegenstand vorbeigehenden Filmpromotion ins Kino gelockt, für Irritationen sorgen wird. Doch das bisweilen sogar recht amüsante Detail bleibt lediglich Episode in einem Flickwerk, heller Moment, der Film im Ganzen dann doch bloß nur ein groß angelegter Abruf bereits bekannter und kalkulierter Schlüsselreize. Das Genialische, wie man es aus früheren Filmen der Coens kennen und lieben gelernt hat, geht Ein (un)möglicher Härtefall über weite Strecken verlustig. Wie die Verfilmung eines Notizzettels wirkt das Ergebnis: Haufenweise Ideen, die die beiden vielleicht mal aus einer Laune heraus niedergeschrieben haben, aus welchem Grund auch immer aber nie aber zur Anwendung bringen konnten. Ein in seiner Darbietung als Spielfilm wenig durchdachtes Potpourri an grotesken Einfällen also, wie man es ähnlich bereits aus Ethan Coens Buch Falltür ins Paradies kennt, dort aber zumindest, aufgrund der gewählten Form der Kurzgeschichtensammlung, im Gesamten noch zu überzeugen wusste.

Er habe genügend Autoren an der Hand, die ihm das "Barton Fink Feeling" auf die Leinwand zaubern könnten, herrscht der Produzent Lipnick seinen jungen Autoren Barton Fink im gleichnamigen Film, einem der besten der Coens, an. Fink selbst bräuchte er hierfür ganz gewiss nicht. Das ist im wesentlichen die Crux des vorliegenden Films. Er fühlt sich an wie ein Coenfilm, ist gut abgekucktes Recycling sattsam bekannter Elemente und Motive, zugegeben stellenweise auch unterhaltsam, doch die Coens selbst hätte es für diesen Film nun ganz gewiss nicht gebraucht. Hier hat man sich weit unter Gebühr verkauft.

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Ein (un)möglicher Härtefall (Intolerable Cruelty, USA 2003)
Regie: Joel Coen; Drehbuch: Robert Ramsey, Matthew Stone, John Romano, Ethan Coen, Joel Coen; Kamera: Roger Deakins; Schnitt: Roderick Jaynes (= Joel & Ethan Coen); Musik: Carter Burwell
Darsteller: George Clooney, Catherine Zeta-Jones, Geoffrey Rush, Cedric the Entertainer, Edward Herrmann, Paul Adelstein, Richard Jenkins, u.a.
Länge: ca. 100 Min. Verleih: UIP

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