Thema: Kinokultur
Das Berliner Filmkunsthaus Babylon wird 75. Warum das Rad zweimal erfinden? Im folgenden die Pressemitteilung des Filmkunsthauses:

"75 Jahre »Babylon«

Am 11. April 2004 jährt sich zum 75. Mal der Eröffnungstag des Kino »Babylon«, dem heutigen »Filmkunsthaus Babylon« am Rosa- Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte. Wir präsentieren aus diesem Anlaß den damaligen Eröffnungsfilm Fräulen Else und Delikatessen, der nur wenig später als erster Tonfilm in diesem Haus lief.

Das Kino »Babylon« wurde am 11. April 1929 mit Fräulein Else von Paul Czinner - mit Elisabeth Bergner in der Titelrolle - eröffnet. Nach Plänen Hans Poelzigs erbaut, ist es heute - neben dem Haus des Rundfunks in der Masurenallee - eines der zwei Bauwerke dieses bedeutenden deutschen Architekten des 20. Jahrhunderts, die in Berlin erhalten blieben. Diese Tatsache war entscheidend für die in den vergangenen Jahren erfolgreich bestandenen Überlebenskämpfe, denn auch der Denkmalsschutz verteidigte dieses Kleinod der Baukunst mit Hartnäckigkeit und Leidenschaft und trug wesentlich dazu bei, daß es in alter Pracht wieder erstehen konnte und heute hier Filmkunst in Baukunst erlebt werden kann.

Hans Poelzig waren Film und Kino nicht fremd. Er hatte u.a. die wunderbare, an Träume erinnernde Judenstadt für Paul Wegeners »Der Golem, wie er in die Welt kam« (1920) entworfen und war der Architekt des Breslauer Kinos »De-Li« (1911) sowie des Berliner »Capitol« an der Gedächtniskirche (1925). Das »Babylon« war Poelzigs dritter Kinobau. Die Eröffnung war prächtig. Nach der Bühnenapotheose, in der lebende Statuen das Wort »Babylon« formten und ein 16-Mann-Orchester spielte, folgte die Einweihung der Philipps-Orgel mit allen ihren musikalischen und lautmalerischen Rafinessen. Auf der Bühne tanzte das Oumansky-Ballett vom Roxy-Haus in New York. Dann erst kam der Film.

Das »Babylon« erlebte alle Höhen und Tiefen deutscher Geschichte im Berliner Osten mit, was allein schon daran ablesbar ist, daß es, obwohl immer am selben Ort, nacheinander am Bülowplatz, am Horst-Wessel-Platz, an der Kaiser-Wilhelm-Straße, an der Karl-Liebknecht-Straße sowie am Karl-Liebknecht-Platz lag und schließlich an der Rosa-Luxemburg-Straße landete.

Es überstand den Krieg, wurde aber zunächst hauptsächlich als Theaterspielstätte betrieben, bis ein Unfall im März 1946 diese kurze, aber intensive Theater-Karriere beendete und das Haus nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten im Mai 1948 als Sovexport-Kino wieder eröffnet wurde. Ab 1955 gehörte es zu den Ostberliner Kinobetrieben. Lange Zeit war es das repräsentative Premierenkino Ostberlins, verlor aber allmählich, besonders nachdem in der Karl-Marx-Allee die Kinos »International« und »Kosmos« eröffnet wurden, diese Bedeutung. Erst als Heimstatt des Archivfilmtheaters »Camera« (ab 1981), das an zwei Tagen der Woche filmhistorisch und -künstlerisch wesentliche Programme gestaltete, erlangte das Kino wieder einen Sonderstatus.

Die bisher letzte Etappe ist mehr oder weniger bekannt. In der dramatischen Wendezeit 1989/ 90 gründeten engagierte Mitarbeiter des Kinos einen Verein zur Rettung des Kinos. Das »Babylon« sollte nicht privatisiert, sondern das Kommunale Kino des Ostens werden. Rolf Richter, dem ersten Vorsitzenden des Vereins, gelang es unter Aufbietung aller seiner Kräfte, diesen Status durchzusetzen.

Die Konzeption des Kinos beschrieb er damals u.a. folgendermaßen:

»Das Berliner Filmkunsthaus Babylon zeigt ein Programm, das der Filmkunst verpflichtet ist und zur Entwicklung der Filmkultur beiträgt....Zum ständigen Programm gehört die Vorführung von Filmen, die die zeitgenössische Filmentwicklung in künstlerischer, inhaltlicher, filmtechnischer usw. Hinsicht geprägt haben und zum anerkannten Bestand der Filmkultur gehören. Ebenso wichtig sind aber jene Filme, die außerhalb der Hauptlinien kreativ an der Entwicklung des Films arbeiten, das Avantgardistische, Experimentelle, das Ungewöhnliche. Dieses Kino muß ein Seismograph für alle für den modernen Film wichtigen Bewegungen sein und Innovationen vorstellen, vor allem entdecken..«

Diesem Programm fühlt sich das Kino bis heute verpflichtet. Solange Filmkunst existiert, wird dieses Programm nicht veralten.

Allen an der Geschichte des Kinos Interessierten sei Michael Hanischs Text: Das Babylon. Geschichten um ein Berliner Kino. Mit Abschweifungen, Berlin 2002, empfohlen, der im Kino erhältlich ist.

Filmkunsthaus Babylon, 02.April 2004"

Herzlichen Glückwunsch!


° ° °




kommentare dazu:





To prevent spam abuse referrers and backlinks are displayed using client-side JavaScript code. Thus, you should enable the option to execute JavaScript code in your browser. Otherwise you will only see this information.


...bereits 1411 x gelesen