27.04.2004, Heimkino

Die Hammer Studios ließen es in den 60ern nicht nur in den Karpaten oder zwischen Ingolstadt und Genf gruseln. Nein, manchmal durfte auch das (damalige) Hier und Jetzt für eine Fahrt mit der Geisterbahn herhalten, auch wenn das vormoderne Element, wie auch die Distanz zum urban-mondänen Leben, auch hier freilich zu seinem Recht kommt: Eine junge Frau (Stefanie Powers) möchte, bevor sie mit ihrem Verlobten zusammenzieht, der verwitweten Mutter (Tallulah Bankhead) ihres früheren, verstorbenen Verlobten noch einen Besuch abstatten, dies habe sie der alten Dame versprochen. Die lebt abgeschieden in einem Anwesen auf dem Land, zusammen mit dem geistig etwas zurückgebliebenen Joseph (Donald Sutherland in noch sehr jungen Jahren) und einem verschobenen Bedienstetenpärchen. Dass der Besuch eine schlechte Idee war, stellt sich schon bald heraus: Die Alte ist eine christliche Fundamentalistin (buchstäblich) vor dem Herrn und sinnt danach, die, so ihre verschrobene Wahrnehmung, Gattin ihres verstorbenen Sohnes von den Sünden des modernen Lebens zu heilen - notfalls mit Gewalt.

Ein seltsamer Bastard von einem Film, doch sei damit nichts negatives gesagt. Die Grundstimmung ist natürlich märchenhaft: Assoziationen an Rapunzel (eingesperrt in der Dachkammer) und böse Stiefmütter werden wach, wie auch die Konstellation der Personen mit Knecht und Magd, vor allem aber mit dem herbeieilenden Ritter zum Ende hin an die Erzählungen von Gebrüder Grimm und Konsorten erinnern. Das Ambiente der gammlig-antiken Hütte, in der das Geschehen in diesem Nahezu-Kammerstück seinen Lauf nimmt, und dessen Inszenierung tun ihr Übriges: Ein gothisch angehauchter Gruselfilm mit stetem Bezug zur Jetztzeit, bis zum Bersten aufgefüllt mit den Spannungen zwischen modernem Lebenswandel und mittelalterlicher Askese - der Grundessenz also, auf struktureller Ebene, des Vampirfilms.

Aber auch: Moderner Horrorfilm, der sich hier schon in einzelnen Moment abzuzeichnen scheint, ja geradezu schon von dessen Geist durchdrungen wirkt. Denn die Struktur der Narration deckt sich auffällig mit dem Texas Chain Saw Massacre (US 1974) und wenn die junge Frau flieht, indem sie das Fenster ihres Verließ im Dachstuhl zertrümmert, rausspringt und über die weite Flur rennt, nur um wieder von dem sadistischen, selbst schon leicht wahnsinnigen Diener des Hauses eingefangen zu werden, wenn der junge Sutherland als tumber -ja was? Sohn? Knecht? Adoptivkind? - Gesichter zieht und lallt, dann nimmt das die Stimmung von Hoopers Kettensägenklassiker schon in Auszügen vorweg - wenn auch das Ergebnis weit naiver ausfällt. Aber wen sollte es wundern: Tobe Hoopers Film - eine lose Adaption des serienkillenden Treibens von Ed Gein, der auch schon Psycho (US 1960) beeinflusste - beruft sich selbst schon wieder strukturell auf die Vorgaben von Hänsel und Gretel. Mit einem Unterschied freilich, der sich vielleicht an der Position in der Film-, aber auch Sozialgeschichte festmachen lässt: Ein final girl gibt's hier noch nicht. Der Gatte in spe eilt zu Hilfe, zynischer Beschluss: Weil ihre Reise zur Beinahe-Schwiegermutter auch Folge eines Widerwortes ihrerseits gewesen ist, mahnt er sie an, in Zukunft nicht mehr zu widersprechen, sie fällt ihm um den Hals - vom Gefängnis durchgeknallter Fundamental-Christen ab ins Patriarchengefängnis, für mehr war die Zeit, scheint's, noch nicht reif.

Doch der Film funktioniert, ganz wunderbar sogar, was vor allem mit der wunderbaren Zusammenarbeit von Kamera, Austattung und der grandios besetzten und agierenden Schauspielerriege zu tun hat. Allein der rettende Ritter bleibt etwas blass, aber der ist ohnehin nur Erfüllungsgehilfe der Genrekonventionen und an sich kaum von Interesse. Das Haus ist schaurig-schön in Szene gesetzt, vielleicht hätte zwar Meister Bava das ganze noch mit einem Tick mehr optischer Grandezza versehen, aber immerhin reicht es zum Ende hin an einer Stelle zu einem - zufälligen? intendierten? - Zitat in der Ausleuchtung. Großartig ist natürlich vor allem Tallulah Bankhead in der Rolle der bösen Oma, die mit eigentlich ganz fürchterlichem Overacting ihrer Figur eine campy Ausstrahlung verleiht, dass der ganze asketische, alttestamentarische Schmonz, den die gar nicht nette Kaffeetante von sich lässt, gleich doppelt gut zur Geltung kommt. Der Effekt changiert dabei zwischen offen gruselig und heillos amüsant - eine an sich nicht zumutbare Mischung, doch hier gibt das dem Film gerade noch den nötigen Pfiff.

Ein wunderbar morbid-makabrer Spaß - in jeder Minute.
Das düstere Haus (Fanatic/Die! Die, my Darling!; GB 1965)
Regie: Silvio Narizzano; Drehbuch: Anne Blaisdell (Roman), Richard Matheson; Kamera: Arthur Ibbetson ; Darsteller: Stefanie Powers, Tallulah Bankhead, Donald Sutherland, Peter Vaughan, Maurice Kaufmann, u.a.

mrqe



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