Thema: Kinokultur
Gerade bei tristessedeluxe entdeckt, den Button. Damals war das ein Aufkleber, bzw. eine Zeit lang hieß sowas ja "Sticker". Muss irgendwann so frühe bis Mitte 80er gewesen sein, als ich den das erste Mal gesehen habe, damals noch in einem kleinen Mainstream-Kino in meiner Heimatstadt. Heute steht an dieser Stelle ein wuchtiger Sparkassenbau: Das Kino, und damit viele Erinnerungen meiner Kindheit, wurde abgerissen. Was habe ich dort nicht alles gesehen? Den Disney-Schneewittchen zum Beispiel, oder Das letzte Einhorn. Natürlich auch (damals als solche natürlich nicht wahrgenommene) Gurken wie diverse Police Academies und die Otto-Filme. Was man als Dreikäsehoch, der endlich ins Kino darf, eben so sehen will. Später dann Rain Man und Dirty Dancing. Besonders aufgeregt war ich, als Die Rückkehr der Jedi-Ritter dort gezeigt wurde - den durfte ich ja noch nicht sehen, aber das Kino war voll mit Ausstellmaterialien und Aushangbildern. Manchmal, wenn man an der Kasse - ich habe die förmlich vor dem geistigen Auge gerade, direkt gegenüber von den drei Saaltüren, die zum Glück führten - seine Karte holte, konnte man durch die geschlossenen Türen das Wummern von Laserpistolen oder die typische Musik hören, das war dann "Krieg der Sterne light" für mich. Und insgeheim wünschte ich mir natürlich, der Vorführer würde die Rollen vertauschen und es nicht merken, damit ich endlich diesen Film sehen konnte: 6, 12, 16, 18 - das waren die Altersstufen auf die ich hinfieberte, weil mit jeder Schwelle sich ein größeres Universum an Filmen erschloss.
Ganz und gar wichtig war für mich natürlich auch der Aushang in meinem Dorf: Ich lebte ja nicht in der Stadt direkt. Also hat das Kino auch in der Peripherie Guckkästen an zentraler Stelle aufgebaut, um das Publikum in die Säle zu locken. Das schöne war, dass der auf meinem Schulweg lag, auch später noch, als ich mit dem Bus ins Gymnasium gebracht wurde. Donnerstagmorgen bin ich dann immer etwas früher losgelaufen, weil dann ja neue Bilder und neue Filme da waren - da wollte ich immer noch vorher kucken. Mit viel Glück gabs auch schon am Mittwochabend neues Material - manchmal bin ich da abends wirklich hingelaufen, um zu schauen. Da gab's dann sogar richtig farbige Aushangfotos; dass aus der Dorfjugend sich keiner den panzerfaustbeschwingten Rambo aus dem Ding geklaut hat, als damals Rambo 2 ins Kino kam, grenzt eigentlich an ein Wunder, die Kaugummiautomaten waren ja auch wöchentlich aufgeknackt. Aber vielleicht hatten die einfach keinen Blick für die Wildheit dieser Bilder, die verführerischen Versprechen, die darin lagen, vor allem für den, der altersbedingt außen vor bleiben muss. Manchmal waren neue Bilder auch ein Abschied von einem Film, den ich gerne gesehen hätte, als 7jähriger in der fränkischen Provinz. Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube: Dieser outgesourcte Aushangkasten war ebenfalls mit diesem Aufkleber versehen: "Komm, wir geh'n ins Kino" - aber gerne doch! Heute befindet sich an der Stelle ein Zigarettenautomat - in meiner jugendlichen Sturm&Drang-Phase habe ich den mal mit Edding vollgeschmiert.
Wie auch immer: Dieser Aufkleber begleitete diese Zeit, allerdings als Kolorit am Rande, ohne dass ich ihn nennenswert wahrgenommen hätte. Jetzt aber, wo ich drüben bei tillmann drüber gestolpert bin, hat sich eine ganze Flut nostalgischer Erinnerungen über mich ergossen. Dafür recht herzlichen Dank. :)
° ° °
kommentare dazu:
tillmann,
Mittwoch, 28. April 2004, 14:06
gern geschehen! hätte ich das geahnt, hätte ich dir einen Aufkleber mit gebracht, da in dem Kino, wo wir das Festival hatten, werden die nämlich noch verkauft.
fry,
Mittwoch, 28. April 2004, 14:55
danke
für das schöne Schwelgen in Vergangenem. Bei mir hieß dieses Kino in der Heimatstadt "Gloria-Theater", heute steht dort auch so ein Neubau mit Büros und Sparkasse drin, aber fünfhundert Meter weiter haben sie Karstadt abgerissen und das hässlichste Einkaufszentrum der Welt hingestellt, mit Kino, aber natürlich kein Vergleich zum Gloria, das zwar die 80er Jahre Schuhkarton-Kino-Phase als großer Ein-Saal-Betrieb überlebt hat, aber dann halt doch nicht mehr konnte. Jeden Samtag um 14.45 Uhr gab es "Jugendvorstellung", da zeigten sie dann 20000 Meilen unter dem Meer oder Lost World oder sowas, für drei Mark fünfzig oder so. Bruce Lee auch. Schade. Dafür gibt es seit zehn Jahren in der nahen Nachbarstadt ein Multiplex, bei dem der Parkplatz viermal so groß ist wie das Kino.
thgroh,
Mittwoch, 28. April 2004, 15:12
Ein solches Kino
hätte ich im Nachhinein auch gerne in meiner Heimatstadt gehabt. Aber statt 20.000 Meilen unter dem Meer gab es dort nur 20.000 Einwohner und man war vor allem geleckte Kurstadt mit somit kommerzieller Ausrichtung allenorten auf zahlende Senioren. Da waren solche "Jugendvorstellungen" natürlich kaum möglich. Dafür aber habe ich die unteren Regale diverser Videotheken immer gerne genauer inspiziert und manchmal ganz aufgeregt die Hüllen in den Händen gehalten - was es da alles zu sehen gab, auf dem Plastik der Hülle allein, und dann vermutlich erst im Film selbst!
fry,
Mittwoch, 28. April 2004, 15:34
stimmt,
aber dann, als man älter wurde und die Filme dann tatsächlich sehen konnte/durfte, hielten sie selten, was das Cover versprach. Deshalb finde ich bis heute die Filmplakatkunst der 70er absolut umwerfend!
thgroh,
Mittwoch, 28. April 2004, 15:37
Ach, ich finde, dass einige Filme noch immer sehr viel Spaß machen - man darf sie halt nicht mit heutigen Augen sehen. :)
fry,
Mittwoch, 28. April 2004, 16:17
klar,
die Lust auf Trash ist ja nicht nur wegen Tarantino so schön. Was ich aber immer wieder feststelle: Actionstreifen sind technisch heute so ausgereift, dass diese älteren, billigeren Sachen aussehen wie Schülertheater - aber das hat damals der Spannung nie geschadet. Hihi, dieses Rumschwelgen in der Kinokindheit rettet mir gerade einen schrecklich langweiligen Arbeitstag...
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