Freitag, 23. April 2004
irgendwann die letzten Tage, Heimkino

Beileibe kein Christ oder anderen Religionen zugetan, gefiel mir die ganz offensichtliche Jesus-Parabel doch sehr gut (zumal sie mir an manchen Stellen auch angenehm gebrochen erschien). Auch und gerade das mehr als nur überdeutliche Bild am Ende - "Trinkt alle daraus! Denn dies ist mein Blut, das Blut des Neuen Bundes, das für viele vergossen werden soll zur Vergebung der Sünden." (Mt.) - behagte mir deshalb sehr. Bei aller cheesiness trägt so ein biblischer Habitus doch immer auch eine grimmige Komponente in sich, die eine ganz bestimmte Saite in mir zum Klingen bringt. Außerdem: Kein Hollywood-Schauspieler scheitert schöner als Heston, keine Frage.

Auch jenseits dessen eine schöne, wenn auch in nicht allen Belangen gelungene Parabel über den Menschen, Kultur und den Begriff von Zivilisation. Einige ideologische Schwächen mögen zeitgeistbedingt sein und sind heutzutage sicher nurmehr anachronistisch. Dennoch ist allein das Spannungsverhältnis zwischen den vampirgleichen Schattenwesen (die im übrigen äußerst campy daherkommen, die sind beinahe schon so gut wie die überlebenden Menschen im zweiten Planet-der-Affen-Film, den ich dem ersten im übrigen beinahe schon vorziehe) als Sinnbild für das Mittelalter und der Einrichtung des Appartements des von Heston verkörperten Erlösers, die die positiven Errungenschaften abendländischer Kultur und des Projekts der Aufklärung beinahe schon archivarisch versammelt, äußerst reizvoll (auch jetzt mal vom bloßen Genre-Standpunkt aus gesehen). Dann natürlich die völkische Komponente des Films, die dann schon wieder Reflexionen über das Dritte Reich zulässt, oder dann wieder der nie aufgelöste Widerspruch, das letztendlich vielleicht ja auch die Schattenwesen die eigentlich Guten des Films sein könnten. Viele Lesarten, die im Zweifelsfalle gegen den Film sprechen müssten (weil: ohne klare Linie, selbstwidersprüchlich, you name it), in diesem Falle aber eher seinen Reichtum begründen: Die frühen 70er als Zeit vieler und großer Reflexionen, oft unausgegoren, oft nur gutgemeint und in alle möglichen Richtungen strebend, kurzum: Ideologische Beliebigkeit, beinahe schon. Bringt das ein Film besser auf den Punkt als dieser?

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Montag, 19. April 2004
19.04.2004, Heimkino

Kaum in Worte zu fassen, was in diesem filmischen Versuch über das Dritte Reich, bzw. über eine Episode dessen, in jedweder Hinsicht alles falsch gelaufen ist. Einen derart grundlegend falschen Blick, eine derart unbeholfene filmische Gestaltung offenzulegen erspare ich mir, es wäre dies das unglaublich ermüdende Darstellen des, wie ich finde (oder aber: hoffe), allzu Offensichtlichen.

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Montag, 19. April 2004
18.04.2004, Heimkino

Ein wahrer Graus von einem Film und der beste Beweis dafür, dass eine mittelmäßige Idee, ein langweiliges Drehbuch, ein offensichtlich talentloser und uninspirierter Regisseur, eine allenfalls langweilige formale Inszenierung und lustlos auftretende Schauspieler noch lange keinen Film "im Stil von Tarantino und Soderbergh" (so auf dem Cover zu lesen) ergeben. Ein Ergebnis quasi, auf das man gut und gerne a priori kommen darf, aber hinterher ist man immer schlauer. Und mit Soderbergh oder Tarantino hat der Film nun wirklich nade, niente, gar nichts gemein - und das ist jetzt nicht das Gegreine eines enttäuschten Zuschauers, sondern nüchterne Feststellung. Bloß schnell vergessen, diesen unausgegorenen, langweiligen Quark.

Was ich wirklich nicht verstehe: Der Weltmarkt birgt Hunderte, wenn nicht Tausende großartiger Filme, die allesamt hierzulande keine Veröffentlichung erfahren/erfuhren, aber ohne weiteres ein Publikum finden könnten. Warum verpasst man dann ausgerechnet solchen laschen Gurken, die so nervig langweilig sind, dass sie noch nicht mal das Zeug zum Trash haben, eine Synchro und presst das ganze auf DVD? Bloß weil Guy Pearce vor der Kamera stand? Also bitte!

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18.04.2004, Heimkino

Kurz nach The Legend of Fong-Sai Yuk gesehen fällt zunächst auf: Auch hier heißt die Hauptfigur Fong-Sai Yuk und die Geheimorganisation "Roter Lotus" spielt auch hier eine tragende Rolle. War die Gruppe im zuvor gesehenen Film allerdings noch eine eher positiv konnotierte Widerstandsgruppe, tritt sie hier als eindeutig niederträchtiger Bund auf, der unerbitterlich Jagd auf die Shaolinmönche betreibt. An seiner Spitze steht ein alter, degenerierter Libertin, dessen Auftreten beinahe schon nietzsche-anische Züge besitzt. Der zum Teil recht humorvolle und lockere Ton, den Legend anschlägt, ist somit hier kaum auszumachen: Es geht weithin derbe und brutal zu. Kein Wunder: Der Mann auf dem Regiestuhl, Ringo Lam, ist allgemein für's Grobe im Hongkong-Kino zuständig.

Entsprechend selten sind die Martial Arts auf artistischen Effekt hin inszeniert. Zwar gibt es auch hier gelegentlich wahnwitzige Choreografien zu sehen, doch sind die meisten kämpferischen Auseinandersetzungen eher plump und im Hau-Ruck-Stil aufgelöst. Dafür gibt's abgeschlagene und abgerissene Köpfe, Leichengruben, in die tote und nocht nicht ganz so tote Leichen geworfen werden, geköpfte Pferde und allerlei andere Angriffe auf das Geschmacksempfinden. So richtig wild und krass ist das allerdings alles nicht, eher wirkt es über weite Strecken schon unbeholfen und löst eher Achselzucken als Begeisterung oder schlicht Camp aus.

Auch ansonsten steht sich der Film über weite Strecken selbst im Weg und erweckt den Eindruck, dass er sich über seine Stoßrichtung selbst nicht so recht im Klaren ist. Die erste Stunde herrscht eher Langeweile und der Film trappst zwischen ein paar anzüglichen wie wirkungslosen Späßchen, dem einen oder anderen unmotivierten Kampf und etwas Folter im Folterkeller des Lotus-Tempel unsicher hin und her, ohne so recht ins Geschehen zu involvieren. Dann nimmt er zwar deutlich an Tempo zu und entwickelt sowas wie eine rote Linie, bleibt dabei aber letztlich doch so instabil wie seine zahlreichen Pappmachébauten im blauen Licht.

Und am Ende ist er dann halt vorbei und man selbst fragt sich, was der Film nun eigentlich von einem wollte. Achzelzucken, das bleibt die passende Geste. Nach dem wilden und aufregenden Hongkong-Kino der frühen 90er sucht man hier jedenfalls, trotz großer Namen wie Ringo Lam und Tsui Hark (Produzent), vergebens.

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17.04.2004, Heimkino

Ein leider nur mäßig überzeugender Film. Zwar ist Jet Li hier gewiss auf der Höhe seines Könnens und führt einige atemberaubende Martial Arts vom Feinsten vor und auch die anderen Akteure sind zweifelsfrei Meister ihrer Disziplin. Jenseits dieser (zugegeben zahlreichen) Sequenzen stehen dem Film allerdings eine lediglich bedingt interessante Geschichte und einige recht quälend lange Szenen voller Langeweile im Wege. Somit allenfalls Durchschnitt, auch wenn, wie gesagt, die Choreografien ohne weiteres beeindruckend inszeniert wurden. Es mangelt, letztendlich, an der Einbettung in einen stimmigen Rahmen.

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Freitag, 16. April 2004
15.04.2004, UCI Kinowelt Friedrichshain

Die Siedlung ist fein säuberlich gestaltet: Jedes Häuschen hat seinen festen Platz und knapp bemessenen Raum herum. Wir sehen das scharf von oben: Ein Muster der Bürgerlichkeit, alles ist sortiert. Am nächsten Morgen liegt beißender Qualm und Hysterie über dieser Häppchenwelt: Die Ordnung ist zerschlagen, die Welt auch schon verloren. Auflösung, jedoch nicht als Prozess, sondern bereits als fertiger Zustand. Ein verwirrter Blick, ein schnelles Begreifen: Es gibt ein "die" und "wir". "Die" rennen, grunzen, fressen, sind zu strategischen Überlegungen kaum fähig. "Wir" sind deren Nahrung und richten Pistolen aufeinander - das ist der Unterschied. Doch das "wir" ist nicht homogen, wie der Film beweist. Auch angesichts der Auflösung, des Weltverlusts bestehen alte Ressentiments weiter - ihrer ökonomischen Umgebung beraubt (und das inmitten des Tempels der Ökonomie - einem Einkaufszentrum!) erscheinen sie als das, was sie eh meist schon sind: Als jämmerliche Schwäche des offenbar zur Transzendenz nur bedingt befähigten Menschen.

Moralische Fragen verkümmern im Angesicht der Apokalypse - also paradoxerweise dort, wo sie eigentlich nötig sind, weil im Minutentakt Entscheidungen über Leben und Tod zu fällen sind, ihres eigentlichen Kontexts vollkommen beraubt - schnell zur Petitesse, die Antworten darauf zur kaum ernstzunehmenden Option. Wie mit der Moral umgehen? Verschiedene Modelle werden abgespult, durchdekliniert - keines behält die Oberhand, auch die blanke Amoralität der waffengeilen Militärs nicht. In dieser Unübersichtlichkeit liegt die Güte des Films, die Kamera - die zu Beginn noch Panoramen zeigt und zum Ende hin hektisch zwischen Details fokussiert, ohne wirklich noch etwas zu erfassen - zeichnet das nach. Das ist bedrohlich, mal ironisch und zynisch, dann wieder toternst und beißt an den Nerven: Dieser Film, dieser zähnefletschende Film will sich nicht auf eine Seite schlagen. Er nimmt sogar seine vermutete Exegese voraus: Im Vorspann ein vergrieseltes TV-Bild betender Moslems inmitten eines wahren Chaos an Medien- und Berichterstattungspartikeln, danach die zerstörte westliche Welt: Ja, ich habe auch mit 9/11 zu tun, scheint das einen Moment lang zu schreien, aber noch mit viel mehr.

Eine Kakophonie des Scheiterns. Kein heroischer Gestus oder "Herrenmenschentum", was man dem zugrunde liegenden Film von 1978 oft vorwarf. Allenorten Verzweiflung, Blut, Schweiß, Tränen. Kaum Idenitfikationsfiguren. Die schwangere Frau bringt keinen Heiland zur Welt. Der bullige Bulle ist keineswegs autoritäres Schwein. Der Redneck-Proll ist nicht nur Arschloch. Eine zarte Hoffnung vielleicht die einzige Person, deren Alltag vor der Apokalypse wir auszugsweise erleben: Die Krankenschwester. Aber auch sie oft irrational und auch nicht das Gute, das Verzeihende, als das sie zunächst dargestellt wird.

Und dann der Abspann. Hier sind wir plötzlich in Fulcis Dawn-Nachzügler Zombi 2. Aber auch nicht wirklich. Wir sind auch ein wenig im Blair Witch Project oder aber, natürlich, bei Cannibal Holocaust. Kein Bild der Hoffnung am Ende, nur Fratzen, Mord, Zerstörung. Keine sieben dürren Jahre, wie sie 25th Hour vorgeschlagen hat. And I heard a voice in the midst of the four beasts, and I looked and behold: a pale horse. And his name, that sat on him, was Death. And Hell follwed with him.

Diesseits: Verzücken. Ein großartiger Film.

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Donnerstag, 15. April 2004
Nach kurzer Pause ist das Filmtagebuch wieder da. Keine Ahnung, woran's lag, aber: Irgendwie herrschte die letzten zwei, drei Wochen eine ganz schöne Schreibfaulheit. Wo ich früher enthusiastisch in die Tasten gehauen habe, war da plötzlich so ein kaum benennbares Unbehagen. Nenn es inwändiger Frühjahrsputz. War nicht direkt Krise, mehr so Urlaub vom Schreiben. Ironie des Schicksals dabei ist vielleicht, dass ich in dieser Zeit dennoch 'nen ganzen Artikel geschrieben habe. Immerhin.

Viele Filme in der letzten Zeit gesehen, zuviele, um hier noch einzelne Einträge zu machen, zumal die Tradition des akribischen schriftlich Fixieren aller gesehenen Filme eh schon seit langem löchrig geworden ist. Was soll's. Dennoch war da so einiges dabei, was ich hier gerne zumindest namentlich erwähnen möchte. Kitchen Stories beispielsweise, der nicht nur geschickt Monty Python (die Serie!), Tati und Kaurismäki mischt, sondern auch ohne weiteres einer jener Filme sein könnte, die ich mir für die Ewigkeit (oder welcher Teil mir von dieser auch beschieden sein mag) aus diesem Jahr mitnehme. Eine charmante Satire auf den alles verwaltenden Menschen - alleine der Diavortrag zu Beginn! -, ohne dabei allzu böse zu werden (gegenüber dem Menschen, mein ich, und weniger seine Ideologie). Und ein Film, der so schön mit Farben spielt - das Rot, wenn der Traktor vor der Hütte steht, alles grau und weiß und dann das Rot des vom Bildrand angeschnittenen Traktors -, kann mein Herz wohl nur erobern.

Eine mittelprächtige Enttäuschung ist der russische The Return - Die Rückkehr (das schreibe ich nur deswegen so aus, um die Absurdität des deutschen Verleihtitels nochmals zu betonen). Ohne weiteres schöne Bilder. Tolle Kameraarbeit auch. Aber: Sowas von unendlich verquast, nee, also echt. File under: Selbstüberhöhung. Ein Film, der sich derart in die Figur eines Patriarchen verknallt, dass er dessen Biografie ausblendet, diesem aber das letzte Bild als liebenden Vater, trotz aller Grausigkeiten, überlässt, zeugt schon einem, nett ausgedrückt, anachronistischem Weltbild. Dann auch dieser Gestus, sich selbst in eine besonders tiefsinnige Tradition künstlerischen Kinos einzuschreiben, die gemeinhin als "russisch" bezeichnet wird, was, im Endeffekt, doch nur zu anmaßenden ikonografischen Zitaten führt (anmaßend, weil: ernstgemeint, durch und durch) - nein, bei mir funktioniert das nicht, obwohl ich beispielsweise die Filme Tarkowskijs ja - trotz auch hier bestehender weltanschaulicher Diskrepanzen - liebe. An den wird sich angelehnt, sicher, aber auch nicht wirklich (aber: nette falsche Fährte für manche Kollegen).

Ganz wunderbar alberner Quatsch hingegen ist Flying Daggers, einer jener Hongkong-Martial-Arts-Knaller, die ich immer mit "1993" assoziiere, warum auch immer (der Film stammt, natürlich, aus jenem Jahr). Stilistisch nicht weit von der ebenfalls wunderbaren A Chinese Ghost Story-Trilogie entfernt, ist Flying Dagger noch ein wenig alberner und auf verklemmte Art anzüglicher. Die Handlung ist natürlich Tinnef, wenn auch spannenden Charakters, die Kampfszenen famos inszeniert und die Gags, wie gesagt, auf infantile Art und Weise spaßig.

Dass ich mir ausgerechnet die erste Auflage von Bad Boys zum Ausgleich zu der Enttäuschung Die Rückkehr aus der Videothek geholt habe, will vielleicht auch was heißen. Ich bin ja nun kein prinzipieller Feind von Michael Bays Schaffen. Armageddon halte ich für großartigen Trash mit allen Zutaten, inklusive bizarrer Kometenlandschaft und hohlem Pathos am Ende. Bad Boys hingegen ist ein wahres Meisterwerk an unterhaltungsarmem Unterhaltungskino. Meine Güte, soviel lahmes Gequatsche und so wenig Schauwerte. Zunächst angenehm befremdet war ich aber immerhin davon, wie augenscheinlich unterirdisch der Film sich selbst darbietet - für einen kurzen Moment lang dachte ich sogar, der Film buchstabiere die Krise des Blockbuster-Kinos regelrecht aus. Ein schöner Gedanke, und für einen Moment war ich dann auch versöhnt mit dem Film. Andererseits hält auch ein solcher Gedanke nicht abendfüllend bei Laune. Vollkommen gegenteilig ein anderer Buddy-Movie: Training Day, den ich damals wegen der verkorksten Werbung nicht sehen wollte, was ich nun bereue. Ein gewieft eingefädelter Thriller, der zu Beginn jedes Klischee zu erfüllen scheint, das ein Weißer-Bulle/Schwarzer-Bulle-Film so mit sich bringt, diese Elemente dann aber zu einem in eine ganz andere Richtung tendierenden, unheimlich dichten und in seinen besten Momenten schier physisch unbehaglichen Film vereint, in dem, was nun selbst wieder nach Klischee klingt, Moral als Kategorie obsolet geworden ist und die Orientierungslosigkeit zum einzigen Fixpunkt gerinnt - groß!

Auch mal wieder gesehen: Die Stunde, wenn Dracula kommt von Maestro Bava. Mal wieder regelrecht umgeblasen worden von der Grandezza dieses schaurig-schönen Stücks gepflegter Gruselkost, so dass der eine oder andere Hänger mal wieder ohne weiteres und erst im Nachhinein bemerkt an mir vorüberzog. Was Bava hier mit der Kamera angestellt hat, stellt das meiste an Grusel- und Horrorfilmen jener dahingehend weiß Gott nicht unproduktiven Dekade in den Schatten (womit ich an dieser Stelle über jene Filme nichts negatives gesagt haben will!). Ein kleines Gedicht von einem Film, mit großer Wirkung. Wo bleibt die adäquate DVD-Veröffentlichung hierzulande?

1/2 Miete ist so ein Film, der auf sympathische Art vieles falsch macht und den man trotzdem irgendwie gerne hat, obwohl man ohne weiteres so einiges aufzählen könnte, was einem so gar nicht gefallen hat. Beispielsweise die Geldübergabe, die so eine Art dramatische Klimax darstellt. Das gutmenschelt etwas arg, sowas muss ich nicht sehen, es ist auch sehr platt und, letztendlich, auch trotz aller Naivität dahinter ideologisch fragwürdig (so von wegen schaffendes und raffendes Kapital, Gesell und so). Oder aber halt die Figuren und Püppchen in diesem Werk, alles so richtig keine echten Figuren, übertrieben konstruiert ist gar kein Ausdruck. Aber trotzdem: Irgendwas ist an dem Film dran, was mich das alles eher milde nachsehen hat lassen. Irgendwie ist es vielleich auch diese rauhe Unförmigkeit, die Spaß macht, die zudem nicht unbedingt im Sinne eines Verweises auf besonderen Kunstcharakter zu verstehen ist, sondern viel eher einer zumindest interessanten und ausgefallenen Geschichte eine passende Form gibt. Den Regisseur behalten wir deshalb mal alle im Auge, okay?

Senitmental und rührselig ist Big Fish. Aber auf ganz und gar umwerfende Art und Weise. Ein Film darüber, warum man gerne im Kino sitzt und sich was erzählen lässt. Ein Film darüber, dass Realität nicht nur die Sphäre der äußeren Erscheinungen ist. Ein Film darüber, warum man im Kino, oft wider besseren Wissens, nur zu gerne Rotz und Wasser heult, sich dafür vielleicht ein wenig schämt, aber dennoch jede Sekunde davon genießt. Der Liebsten habe ich danach die Wohnung in deren Absenz mit gelben Narzissen vollgestellt (wir sind lange zusammen, da darf man das, und nein, wir werden nicht in Bälde heiraten).

Normalerweise mag ich sowas ja überhaupt nicht, aber bei Bloody Mallory komme ich nicht drumrum: Der Film ist ein riesiger Haufen Scheiße - kaum auszuhalten! Willard hingegen ist ein ästhetisch sehr ansprechender, zeitgenössicher Gruselfilm, der viele alte Themen des Horrorkinos in sich vereint und gut durchmischt. Wie er in seinem Geflecht die Möglichkeit zur eindeutigen Schuldzuweisung wie beiläufig entfernt, das macht ihn, trotz einiger Unzulänglichkeiten, sogar recht groß. Braindead macht auch nach Jahren noch immer ferkeligen Spaß, auch wenn ich den Film die nächsten paar Jahre ruhigen Gewissens liegen lassen kann. Ganz und gar großartig ist hingegen Dellamorte Dellamore, der mit jeder Sichtung besser wird, weswegen ich ihn auch gleich zweimal sehen musste. Ein Film, der einen längeren Text wert wäre, einen richtig langen vielleicht sogar, vielleicht schreibe ich den sogar - wie so oft steht er bereits im Kopf, will sich aber nicht so recht fixieren lassen -, deswegen spare ich mir hier viele Worte. Heat After Dark ist, wie offenbar vieles von Ryuhei Kitamura, ambitioniert, aber trotzdem egal.

Was gab's sonst noch, außer Filmen. Beispielsweise eine Stellungnahme unserer Redaktion zur Kritikensperrfrist von Kill Bill Pt. 2. Bleibt zu hoffen, dass diese Anmaßung auch in anderen, vielleicht etwas weiter streuenden Medien angesprochen wird. Dann hat unser gelegentlicher Autor Patrick Baum von mir bislang unbemerkt eine Art Portfolio-Weblog angelegt. Dort will er auch die Arbeit an seiner Dissertation in Philosophie dokumentieren und auch einige ältere Texte verfügbar machen.

Außerdem ist knoerer wieder im Lande.


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Dienstag, 30. März 2004
29.03.2004, Kino Intimes

Ich bin mit meinem Latein am Ende. Nachdem ich diesen Film gestern in der Tat (selten war diese Floskel passender) über mich habe ergehen lassen, rechnete ich eigentlich damit, bei einer Nacharbeit der Filmkritiken des Feuilletons auf ähnliche Ablehnung zu stoßen. Doch, Pustekuchen! Wie man hier nachlesen kann herrschte einhellige Begeisterung für den Film. Was habe ich falsch gemacht? Welche stimulierenden Drogen waren im gratis Kaffee bei den Pressevorführungen? God knows ...

Wie auch immer. Dass mit diesem Film irgendwas nicht stimmt, wird eigentlich schon schnell ersichtlich. Wer seinen Film mit einer derart verkrampft lässigen Weck-Szene beginnen lässt, wird wohl auch im weiteren Verlauf nur wenig Geschick haben, sowas wie Esprit entstehen zu lassen. Wer derart aufdringlich den Charme heruntergekommener East-Village-Kleinstwohnungen mit Bohème-Appeal für seinen Film ausbeutet, hat in der Regel was zu verbergen (und wenn es nur eklatanter Mangel ist). Wer dann wiederum, als Gegenentwurf, die (im Vergleich relativ) bürgerliche Familie der New Yorker Ausreißerin derart verkrampft auf skurril, bzw. "mit Macke" inszeniert hat damals nicht Roseanne im Fernsehen gesehen und hat die Vorführung von Wes Andersons The Royal Tenenbaums (USA 2001) geschwänzt. Oder schlimmer noch: Beides wurde gesehen, aber nicht verstanden, geschweige denn verinnerlicht. Wie auch immer: Schlechte Kopie, aufdringliche Kopie, peinliche Kopie.

Und dann der Look. Hallo, Independentfilm! Und die anderen Bewohner dieses Miethauses. Hallo, Independentfilm! Beziehungsweise: Hallo, Zutaten für einen Independentfilm! Alles, wirklich alles in diesem Film ist mühsam zusammengeklaubt, irgendwie untergebracht, aber weder charmant verflochten noch gewinnbringend eingesetzt. Ein großer Reigen an Möchtegern-Skurrilität und Mid-90er-Arthouse-Verve, der noch nichtmal genug Talent mitbringt, seine Zitationen und Anlehnungen souverän zu handlen. Alles wird ins Bild gezerrt, kurz gezeigt, ein wenig Revue, dann aber wieder schnell weg damit: Der dicke Schwarze einen Stock tiefer brummelt etwas, weil er Fertigsuppen nicht mag. Dann die Öko-Schickse im Stock drüber: "Nein, ich bin Veganerin, hier kannst Du keinen Truthahn braten!", Tür knallt zu, Chance vergeben, ein paar Aufkleber an der Tür - "Save the whales!", "Nader for President!" - hallen etwas nach, weiter zum nächsten, allerdings behäbig, nicht etwa im Screwball-Takt: Das ist dann ein analer Spießer, wie er im Buche steht, der macht für zwei, drei Minuten etwas Stimmung und ist dann auch schon wieder vergessen. Alles äußerst egal.

Und am Ende dann große Versöhnlichkeit. Mit der Familie, mit dem Haus, mit dem verzogenen Kinde und dessen schwarzen Boyfriend. Passenderweise im Schnappschuß-Look vorgetragen. Mehr als ein durchkalkulierter Schnellschuß ist dieser durch und durch langweilige Film auch nicht.

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Dienstag, 23. März 2004
22.03.2004, Kino International

Zunächst ein Film der Zeit: Ruhig, langsam, sacht entfaltet er sich. Seine Bilder laden ein, sich darin kontemplativ zu versenken. Jede Einstellung so exakt - in dem was sie zeigt, was sie aussagt, wie lange sie dauert - und voller Sorgfalt konzipiert, dass man - ein Klischee, freilich - ihnen die entspannende wie anregende Eigenschaft einer heißen Tasse grünen Tees zusprechen möchte. Auch eine solche benötigt aber in ihrer Zubereitung viel Sorgfalt und Liebe, soll das Ergebnis munden, vor allem aber Wirkung entfalten, vielleicht also ist ein Vergleich mit, sagen wir, zumindest einer Teezeremonie nicht so daneben. Eine wahre Freude ist es, endlich einmal wieder zwei Stunden als solche wirklich spüren zu können, diese Sorglosigkeit, die mit einem Kinobesuch - einem Kinogang - einher geht, wenn man sich nun für eine gewisse Zeit genau nur eine Sache vornimmt, und nichts anderes. Diese zärtliche Demut spiegelt sich im Film wider, zumal sie auch die Vergänglichkeit eines Kinobesuchs (ja jeden Kunstgenusses, eigentlich) - es bleibt ja physisch davon nichts weiter übrig - in seiner eigenen Geschichte, die fast nur von Vergänglichkeit spricht, berücksichtigt: Einen kleinen Moment lang sehen wir diesen alten Meister auf seinem Hausboot beim Kalligrafieren auf einer kleinen Steinstatue. Der Pinsel ist befeuchtet, nicht mit Farbe aber, sondern lediglich mit Wasser. Ist der letzte Schwung des letzten Zeichens getan, beginnt das erste bereits schon wieder auf dem Stein zu verblassen - der Akt des Schaffens beginnt umgehend von Neuem. Die Leidenschaft der Leidenschaftslosigkeit, die Kim Ki-Duk hier in mitunter schlichte, trotz ihres oft schmerzlichen Inhalts meist bemerkenswert wenig dramatische Bilder zu fassen bekommt, ist in jenen Momenten schier atemberaubend.

Natürlich auch ein tief religiöser Film. Es mag an der mangelnden kulturellen Nähe zum Buddhismus liegen, aber in diesem Falle lässt sich das gut an, vielleicht auch, weil er nicht - wie ein anderer, stumpfsinniger Religionsfilm, der derzeit die hiesigen Leinwände beleuchtet und dem ich hier nicht die Gunst erweise, namentlich genannt zu werden - auf Überzeugung aus ist, auch nicht auf eine verbissene Universalität. Weil er einen nicht anschreit - trotz einiger ebenso vorhandener Drastiken -, sondern weil er auch stets die Option lässt, lediglich interessierter Beobachter zu sein, um, wenn schon nicht etwas für sein Leben, so doch etwas über eine andere Religion, eine andere Kultur zu lernen.

Eine kleine, feine Kino-Meditation - ich habe jede Einstellung genossen.

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22.03.2004, Heimkino

So amüsant wie belanglos. Immerhin eine doch recht spaßige Syntax an Unwahrscheinlichkeiten und Wendungen, die da ausbuchstabiert wurde. Gut gefallen hat mir der ironisierende Einsatz der (nicht selten zitierenden) Musik. Eine Vorgehensweise, die für einen Film dieses Hintergrunds doch eher bemerkenswert ist. Auch die unter der Oberfläche der "romantischen Komödie" nur geringfügig versteckten bösen Spitzen gegen allzu bürgerliche Lebensentwürfe war - trotz dann eben doch einiger Versöhnlichkeiten am Ende - recht nett anzusehen, so zwischen Gang zum Supermarkt und anderem Tagwerk. Für das, was er ist, also ein recht passabler Film, auch wenn inspiriertes und großartiges Filmemachen natürlich ganz anders geht (deswegen auch kein Bild hier, haha).

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lol