Sehr schön.
Aus gegebenem Anlass sieht sich die Gruppe Blumfeld zu folgender Stellungnahme zum Thema "Deutschland. Nation. Heimat und Popmusik" verpflichtet.
Wie aus unserem Schaffen und Verhalten klar erkennbar sein sollte, haben wir es stets abgelehnt, uns in die heimatduselige Front all derer einzureihen, die es für angebracht halten, sich in ihrem Denken, Fühlen, Singen und Handeln positiv auf Deutschland ( als Kulturnation und Heimat ) zu beziehen.
Wer meint, sich unter dem schwarz-rot-goldenen Deckmäntelchen Pop-Musik für sein Land z.B. beim Grand Prix stark machen zu müssen,
wer mit geschichtsrevisionistischen "Wir sind wir"-Parolen zur "Normalität" eines positiven deutschen Selbstverständnisses zurückkehren will,
wem nichts besseres einfällt, als sich auf diversen schwärmerischen Deutsch-Pop-Compilations ( z.B. Pop 2000, Neue Heimat, Junge Helden ) zum Sprachrohr eines neuen deutschen Heimatgefühls zu formieren,
wem der Sinn danach steht, die deutsche Kulturnation mit einer so genannten "Deutsch-Rock-Quote" wieder auf Vordermann zu bringen,
wer sich - warum auch immer - etwas davon verspricht einer deutschtümelnden Öffentlichkeit den kleinen Finger oder mehr zu reichen,
der oder die ist entweder tatsächlich stolz auf sein Land, darauf ein Deutscher zu sein ( warum? wozu? ), vielleicht auch nur etwas zu ( pseudo- ) naiv und unreflektiert oder aber eben so erfolgsversessen, dass er oder sie es billigend in Kauf nimmt, die in deutschem Namen begangenen Verbrechen und ( Un- ) Taten der Vergangenheit und Gegenwart zu ignorieren und vergessen zu machen, um seine Zielgruppe zu erreichen.
Dass Künstler und Künstlerinnen damit auch die eigene Kunst verraten, kann und soll jede(r) mit sich selbst ausmachen.
Wer aber meint, Blumfeld als Vordenker für seine Anbiederung an ein deutschtümelndes ( Massen- ) Publikum missbrauchen bzw. denunzieren zu können, dem sei mit dieser Mitteilung noch mal ausdrücklich erklärt, dass wir für derartigen Populismus und Vaterlandsliebe jedweder Art nach wie vor nicht zur Verfügung stehen.
Gut so.
Wundervoller Nachtrag: Der ohnehin nicht genug zu küssende Soulclub bietet den Song doch in der Tat als qualitativ zu überzeugen wissenden RealAudio-Stream an (neben zig anderen Songs).
Kleine Kuriösität am Rande: Der Soundtrack zu us-amerikanischen Schnittfassung von George A. Romeros Dawn of the Dead (US 1978). Bekannterweise haben die ProgRock-Discopopper Goblin ihren dramatischen Score ja nur für die von Dario Argento montierte europäische Fassung des Films, die sich durch eine etwas straffere Handlung und einen generell eher düsteren Duktus auszeichnet, eingespielt. Für seine etwas ironischere und relaxtere US-Fassung hat Romero auf so genannte Library Music zurückgegriffen, lizenzfreie Klimpermusik, wie man sie auch aus Kaufhäusern kennt. Diese Musik wurde nun auf der hier gezeigten CD gesammelt und, soweit ich das überblicke, erstmals in Form eines Soundtracks veröffentlicht (dahingehend mag ich mich irren, zugegeben). Hier weitere Details.
Und dann kommt The Eye of Every Storm und - nein, nicht alles ist so wie früher. Das wäre für eine Band, die sich selbst nie als am Endpunkt angekommen kommuniziert, sondern mit jeder neuen Platte lediglich eine weitere Etappe markiert hat, nicht standhaft. Aber die Emotion ist wieder da, diese untergründige Berührung, Transzendenz. Dass das, was hier geschieht, unmittelbar auch mit der eigenen Gefühlswelt zusammen hängt.
Wo Through Silver in Blood (man verzeihe mir diese Verkürzung in der Werksbetrachtung, aber zu all dem, was dazwischen liegt, kann ich wirklich nichts schreiben - das fand für mich nie statt) ein unbändiges Auflehnen war, ein Stahlgewitter aus aneinander sich hochpeitschenden Gefühlsausbrüchen, ein stetes Auf und Ab, unkontrolliert, wild, herrscht bei The Eye of Every Storm natürlich höchste Konzentration, oft schon kontemplative Ruhe. Dies liegt vor allem an der Brillanz des Sounds, wie man merkt, wie jede Sekunde im Studio noch ins Detail zurechtgeschliffen wurde. An Stelle der großen Oper von früher nun der minimalistische Sound, dessen Wabern und Pochen genau konzipiert ist. Jede Harmonie Produkt einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Können, jeder Effekt genau abgestimmt und sinnvoll ins Gesamtbild eingepflegt. Wir befinden uns im Auge des Sturms. Dort, wo es windstill ist. Aber nur, weil drum herum ein Inferno tost.
Dieses klingt oft noch durch, bricht ein. Immer wieder Spitzen, in denen alte Platten der Band und deren Gitarrenwände durchscheinen. Der Rest ist ein wohldurchdachtes Treiben durch eine Welt der Selbstversenkung, ohne dabei ins bloße Selbstmitleid zu geraten. Die Enemies of the Sun sind zurück. Mit einer Platte, die beinahe am Sommeranfang veröffentlicht wurde. Die große Geste des Aufbegehrens, schon immer Markenzeichen: "Leave me, Demons, did I want you?", so zu hören auf ihrem Meilenstein Souls at Zero. Die Gelassenheit, mit der jetzt nun der Sonne entgegengetreten wird, hat etwas Beängstigendes. Es wird sich ausgeliefert, auch weiterhin, auf beiden Seiten.
[via malorama]
"Youth is a quality not unlike health: it's found in greater abundance among the young, but we all need access to it. (And not all young people are lucky enough to be young. Think of those people at your college who wanted to be politicians or corporate lawyers, for example.) I'm not talking about the accouterments of youth: the unlined faces, the washboard stomachs, the hair. The young are welcome to all that ? what would we do with it anyway? I'm talking about the energy, the wistful yearning, the inexplicable exhilaration, the sporadic sense of invincibility, the hope that stings like chlorine. When I was younger, rock music articulated these feelings, and now that I'm older it stimulates them, but either way, rock 'n' roll was and remains necessary because: who doesn't need exhilaration and a sense of invincibility, even if it's only now and again?"
schreibt da nun Nick Hornby gestern in der New York Times.
Gefunden habe ich das bei frappant. Ohnehin eines meiner liebsten Blogs, muss ich mal sagen. Der dort zitierte Teil aus dem Hornby-Text ist auch sehr toll natürlich.
Wo Kraftwerk, bei denen Rother und Dinger ebenfalls in frühen Tagen musizierten, anhand ihres faszinierten Spiels mit dem Geräusch das gewissermaßen auditive Pendant zu den Lichtspielereien des deutschen Expressionismus schufen, wo Can, zu denen ich nie Zugang fand, allzu speckigen Rock spielen, Faust den drögen Soundtrack zu drögen Plena und Diskussionsrunden liefern und Tangerine Dream die Esoterik von Bewusstseinserweiterung musikalisch fortzusetzen scheinen, sind mir Neu!, in dieser Phase hiesigen Rock und Pops, mit ihren schwebenden Melodien, ihrer gleichzeitigen Zersetzung und somit aber auch Fortschreibung von Pop, ihren nie im Hippie-Sinne esoterisch verwertbaren Ambient- und Tapeloop-Spielereien, doch die Liebsten. Es sind dies die besten aller Platten, die mit der Zeit reifen, Nuancen entwickeln und, schlicht und ergreifend, Wegbegleiter werden, auch wenn sie jahrelang nicht angerührt werden (nur um dann ungleich begeisterter wiederentdeckt zu werden). Neu! machen auch bis auf weiteres ihrem Namen alle Ehre - gelinde gesagt: erstaunlich!
Hier ein sehr schöner Artikel zur Re-Issue der drei LPs aus der Jungle World.
lol